Trauer in Zeiten des Coronavirus

Den Verlust eines geliebten Menschen zu verkraften ist ein schmerzreicher und langsamer Prozess. Wir laden dich heute ein, mehr über dieses Thema zu erfahren. 
Trauer in Zeiten des Coronavirus
María Alejandra Castro Arbeláez

Geschrieben und geprüft von der Psychologin María Alejandra Castro Arbeláez.

Letzte Aktualisierung: 14. April 2023

In manchen Augenblicken erreichen wir Grenzen, fühlen uns erdrückt, mit Zorn, Impotenz, Frust und intensivem Schmerz beladen. Jede Krise kann dazu führen, doch es gibt auch Möglichkeiten, diesen Zustand zu überwinden. In unserem heutigen Artikel sprechen wir um die Trauer in Zeiten des Coronavirus.

Die Veränderungen zu akzeptieren, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurden, ist keine einfache Herausforderung. Die meisten von uns experimentieren unterschiedliche Trauerphasen, die es zu bewältigen gilt.

Um diesen Weg zu beschreiten, betrachten wir psychologische Theorien über Trauer und aktuelle Studien, die mit dem neuen Coronavirus im Zusammenhang stehen. Viele dieser Forschungen wurden in den letzten Wochen durchgeführt, um diese schwierige Situation besser verstehen und überwinden zu können.

Bevor wir uns näher mit diesem Thema befassen, sehen wir uns die Definition von Trauer an: In seinem Buch Pérdida, pena, duelo. Vivencias, investigación y asistencia (dt. Verlust, Kummer, Trauer. Erfahrungen, Forschung und Assistenz) aus dem Jahre 2013 legt Jorge L. Tizón nahe, dass Trauer “eine Kombination von Phänomenen ist, die nach dem Verlust auftreten: nicht nur psychologische Phänomene, sondern auch psychosoziale, soziale, physische, anthropologische und sogar finanzielle Phänomene.”

Doch mit dem neuen Coronavirus ist es in verschiedenen Ländern der Welt zu einigen Veränderungen gekommen. Diese haben auf unterschiedlichen Ebenen zu Verlusten und folglich auch zu Trauer geführt.

«Wenn wir nicht mehr fähig sind, eine Situation zu verändern, stehen wir vor der Herausforderung, uns selbst zu verändern.»

-Viktor Frankl-

Trauer in Zeiten des Coronavirus

Erfahrungen und Trauer in Zeiten des Coronavirus

Wenn wir von Trauer sprechen, geht es immer um eine zurückgebliebene nahe Person, die verschiedene Empfindungen experimentiert:

  • Physiologische Empfindungen, zum Beispiel ein Leeregefühl im Magen, Druck auf der Brust oder dem Hals, Lärmempfindlichkeit, das Gefühl der Entpersönlichung, Atemnot, Kopfschmerzen, trockener Mund oder Herzrasen.
  • Verhaltensveränderungen, wie Schlafstörungen, soziale Isolierung, Weinen und Seufzen, Zerstreutheit usw.
  • Affektive Veränderungen, wie Schuld, Zorn, Nervosität, Angst oder die Abwesenheit von Gefühlen.
  • Kognitive Beeinträchtigungen, wie Gedächtnisstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten, sich wiederholende Gedanken, das Gefühl einer Präsenz u.a.

Dies sind einige Erfahrungen, die Betroffene häufig machen, jedoch individuell sehr verschieden sind. Doch welche Arten von Trauer sind durch die Corona-Krise entstanden? Auch hier gibt es verschiedenste Situationen:

  • Verfrühte Trauer. Dabei handelt es sich um einen langen Trauerprozess, der bereits vor dem Verlust des geliebten Menschen beginnt. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Diagnose einer unheilbaren Krankheit erfolgt.
  • Chronische Trauer. Man spricht hier auch von einer pathologischen oder komplizierten Trauer. Die trauernde Person ist in diesem Fall nicht fähig, der Trauerphase zu entkommen und erlebt die Verlusterfahrungen immer wieder aufs Neue.
  • Verzerrte Trauer. Davon spricht man, wenn die Trauer unproportional zur realen Situation erlebt wird.
  • Abwesende Trauer. In diesem Fall verleugnet die zurückbleibende Person den Verlust. Es handelt sich auch um eine der Trauerphasen.
  • Unautorisierte Trauer. Dazu kommt es, wenn die Mitmenschen der trauernden Person die Trauerphase nicht akzeptieren und darauf bestehen, dass der Betroffene jegliche Äußerungen oder Anzeichen der Trauer zurückhält.
  • Inhibierte Trauer. Wenn die Gefühle nicht ausgedrückt werden und der Schmerz, den der Verlust auslöst, vermieden wird.

Außerdem gibt es auch andere Arten von Trauer, die damit zusammenhängen, wie es zum Verlust kam. Ausschlaggebend ist also, ob es sich um einen Verlust durch den Tod eines geliebten Menschen, eine Trennung usw. oder um einen materiellen Verlust handelt.

Andere Klassifizierungen betrachten auch familiäre und soziale Aspekte, wie: Verlust der Selbständigkeit oder Funktionalität, soziale Isolierung, fehlende finanzielle Mittel oder das Fehlen von Unterstützung.

Was die Trauer in Zeiten des Coronavirus anbelangt, haben Cara L Wallace und ihr Team im Journal of Pain and Symptom Management eine Analyse veröffentlicht, die nahe legt, dass Social Distancing, die Einschränkung von Besuchen in Gesundheitszentren und der die Auswirkungen der Ausbreitung des Virus die Trauer komplizierter machen.

Eine große Rolle spielen dabei Dynamiken, die die Trauerphase begleiten und an die wir gewohnt sind, sich jetzt jedoch verändert haben. Ein Beispiel dafür sind Trauerrituale: In vielen Fällen können diese nicht gemeinsam mit anderen oder sofort nach dem Verlust durchgeführt werden.

Trauer in Zeiten des Coronavirus

Wie können wir uns dieser Situation stellen?

Der Trauerprozess umfasst verschiedene Phasen, auch während der Corona-Krise gibt es hier keine Ausnahme.

Die Expertin Elisabeth Kübler Ross differenziert folgende Trauerphasen: Leugnen (wir zögern den Schmerz hinaus), Zorn (wir fühlen uns frustriert, Ressentiments kommen auf), Verhandeln (wir versuchen, Kontrolle zu erlangen), Depression (tiefgehendes Leeregefühl) und Akzeptanz (Verständnis und neue Bedeutung).

Um diese letzte Trauerphase zu erreichen, sind folgende Schritte erforderlich:

  • Emotionen ausdrücken, um sich von Anspannungen zu befreien und mit der Welt der Gefühle zu verbinden.
  • Loslassen. Auch wenn die Situation beklemmend und schmerzlich ist, ist es wichtig, loszulassen, um fließen zu können. Das bedeutet nicht, die geliebte Person oder die Vergangenheit zu vergessen.
  • Um Hilfe bitten. In der derzeitigen Krisensituation stehen viele Kanäle und Hotlines zur Verfügung, die Hilfe bieten. Vergiss außerdem nicht, dass es Experten auf dem Gebiet der Trauer gibt, die helfen können. Viele Psychologen können eine Therapie auch auf Distanz durchführen.
  • Die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Was können wir tun, mit dem was wir haben? Vergiss dabei keinen der Bereiche.
  • Selbstpflege. Vergiss in diesem Prozess nicht deine soziale Gesundheit. Physische Distanz ist nicht mit sozialer Isolierung gleichzusetzen. Außerdem solltest du deine physische Gesundheit pflegen, auf die Ernährung achten, dich bewegen und gesunde Schlafgewohnheiten annehmen. Auf psychologischer Ebene ist es sehr hilfreich, sich mit Dingen zu beschäftigen, die Spaß machen, dir beim Nachdenken helfen und dich von Spannungen befreien.

Verschiedene Studien, wie eine der Forscher Cyrus SH Ho, Cornelia Yi Chee und Roger CM Ho, empfehlen die Psychoerziehung und die psychologische Online-Intervention. Andererseits sind Mindfulness, Entspannungstechniken, Stressmanagement und Meditation ausgezeichnete Möglichkeit, um Ruhe und Ausgleich zu finden.

Kurz zusammengefasst ist die Trauer in Zeiten des Coronavirus besonders schwierig, da sich viele Menschen durch diese Umstände in einer außergewöhnlichen Situation befinden. Deshalb kann auch der Trauerprozess komplizierter verlaufen, denn verschiedene Mittel, die hilfreich sind, stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Wir sprechen zum Beispiel von nahen Kontakten, Umarmungen oder direkten Gesprächen. Deshalb ist es so wichtig, die vorhandenen Mittel zu nutzen, wobei uns in diesem Fall vor allem neue Technologien zum Vorteil sind.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Ho, C.S., Chee, C.Y., & Ho, R.C. (2020). Mental health strategies to combat the psychological impact of COVID-19 beyond paranoia and panic. Ann Med Singapore, 49 (1), 1-3.

  • Tizón, J.L. (2004). Pérdida, pena, duelo. Vivencias, investigación, y asistencia (Vol 12). Madrid: Planeta.

  • Wallace, C.L., Wladkowski, S.P., Gibson, A., & White, P. (2020). Grief During the COVID-19 Pandemic: Considerations for Paliative Care Providers. Journal of Pain and Symptom Management.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.