"The White Lotus", eine erfolgreiche Gesellschaftssatire

Wenn Agatha Christie leben würde und ein Serienjunkie wäre, hätte ihr diese Serie von HBO gefallen.
"The White Lotus", eine erfolgreiche Gesellschaftssatire
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 03. Januar 2023

Wenn Agatha Christie leben würde und ein Serienjunkie wäre, hätte ihr der neueste Hit von HBO gefallen. In “The White Lotus” verbringen wohlhabende Leute ihren Urlaub in einem idyllischen Ferien-Resort, wo schließlich ein unerwarteter, tragischer Tod alles verändert.

“The White Lotus” ist eine opernhafte Serie, eine Gesellschaftssatire, die viele begeistert hat. Es handelt sich um eine übertriebene und unbequeme Reflexion über sich wiederholende Situationen, die wir alle kennen.

Der Drehbuchautor Mark White lässt kaum etwas aus. Er weiß, wie er das Publikum dazu bringt, mit Lachen und Abscheu, Faszination und sogar Verachtung zu reagieren. In wenigen Sekunden wechseln die Szenen von poetisch zu urkomisch. Diese Serie erhielt zahlreiche Emmy Awards und wurde von Publikum und Kritikern gleichermaßen gelobt.

“Wir alle unterhalten uns, während die Welt brennt.”

“The White Lotus”, zweite Staffel

The White Lotus
In “The White Lotus” gibt es weder Helden noch Schurken, es sind Charaktere, die Licht und Schatten vereinen und damit unser Interesse wecken.

“The White Lotus”: Wir alle schauen gerne zu

“The White Lotus” hat zwei Staffeln, wobei sich immer alles um den Urlaub von einer Gruppe von Millionären dreht. Die erste Staffel spielt auf Hawaii und berichtet über die weiße High Society, die durch Klassismus und Imperialismus gekennzeichnet ist. Verschiedene Mikrogeschichten enden schließlich in einem Drama.

In der zweiten Staffel geht es nach Sizilien, wo sich die Urlauber in einem Hotel derselben Kette niederlassen. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf der Anatomie der Sexualität und affektiven Beziehungen aller Art. Der Umgang mit den Hell-Dunkel-Kontrasten der menschlichen Bindungen lädt zum Nachdenken ein und ist gleichzeitig amüsant. Das Unbehagen begleitet uns jedoch ebenfalls in jeder Figur und jeder Situation.

Verwöhnte Leben, die wir mit morbider Neugier beobachten

“The White Lotus” nährt einen der stärksten menschlichen Triebe: die Neugier. Die meisten Menschen sind fasziniert davon, durch das Schlüsselloch zu schauen, um herauszufinden, wie die Reichen leben. Geld verleiht ihnen nicht nur Macht, sondern ermöglicht es ihnen auch, Räume zu besetzen, die für die meisten Menschen unzugänglich sind. Als Zuschauer werden wir plötzlich zu Voyeuren ihrer Intimitäten und ihrer Dramen.

In dem Moment, in dem der Vorhang für uns zurückgezogen wird, werden wir Zeugen von krassen Situationen und Erfahrungen. Eine der bemerkenswertesten und paradoxesten Figuren ist Tanya McQuoid. Sie ist eine Frau mittleren Alters, die das Vermögen ihres Vaters geerbt hat und die so viele Traumata hat wie Nullen auf ihrem Bankkonto.

Seltsam, zerstreut, verwöhnt, manipulativ und tragisch, scheint sie nur ein Bedürfnis im Leben zu haben: geliebt zu werden. Im Laufe der beiden Staffeln sehen wir, wie sie abscheuliche Taten begeht, schlechte Entscheidungen trifft und das anschaulichste Beispiel für Oberflächlichkeit ist. Und doch wird sie zu einer der Lieblingsfiguren des Publikums.

Auch die Reichen weinen und sind unglücklich

Mark Whites Serie beantwortet eine der Fragen, die wir uns immer wieder stellen: Wie würde unser Leben aussehen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? “The White Lotus” zeigt uns, dass Geld kein Glück bringt: Auch Reiche haben dieselben Problem wie wir selbst.

Ein Beispiel dafür ist die Liebe. Im Urlaub kommt es immer zu klassischen Beziehungsproblemen. In der zweiten Staffel lernen wir zwei junge Paare kennen, die sich (widerwillig) dazu entschlossen haben, diese Tage gemeinsam im Resort auf Sizilien zu verbringen.

Bei diesen vier Charakteren sind Unglück, Sexualität, Misstrauen und die moralische Komplexität immer deutlicher zu erkennen. Es ist wichtig zu wissen, dass in dieser Serie alle Figuren sowohl Helden als auch Schurken sind. Keiner von ihnen zeichnet sich ausschließlich durch Tugenden aus, alle haben dunkle Ecken und Kanten. Wir können uns in sie einfühlen und sie gut verstehen.

“The White Lotus” lädt uns zum sozialen Vergleich ein. Wir beobachten das Leben von Millionären, um zu entdecken, dass wir die gleichen Dramen erleben und dieselben Bedürfnisse aufweisen.

The White Lotus
Obwohl alle Charaktere in “The White Lotus” fragwürdig sind, klingen ihre Geschichten bei uns nach.

Charaktere, die trotz allem überleben

In “The White Lotus” sind Katastrophen und Chaos auf Schritt und Tritt präsent. Oft nehmen wir Trennungen oder Beziehungsdramen vorweg, die dann doch nicht eintreten. Wir ahnen Katastrophen und mögliche Todesfälle, die nie eintreffen. Den meisten Protagonisten geht es etwas besser, wenn sie das Resort verlassen, als bei ihrer Ankunft. In ihren Koffern nehmen sie Lektionen und Entdeckungen mit nach Hause.

Neben diesen superreichen Charakteren gibt es auch die weniger glücklichen, die versuchen, von den ersteren zu profitieren. In dieser zweiten Staffel treffen wir auch zwei junge Mädchen, Lucia und Mia, die nach einem raffinierten, aber geschickten Täuschungsmanöver als Siegerinnen hervorgehen. Denjenigen, die versucht haben, Tanya McQuoid zu überlisten, geht es jedoch nicht so gut.

Wie anfangs erwähnt, wäre Agatha Christie von dieser Serie fasziniert gewesen. Obwohl die meisten Protagonisten überleben und in ihre prunkvollen, aber leeren Existenzen zurückkehren, gibt es immer einen Tod. Das Drama trübt das idyllische Szenario und erinnert daran, wie nutzlos wir Menschen sind. Der Tod selbst ist das Produkt ironischer Ereignisse…


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.