Taijin Kyofusho, eine Angststörung

Du sprichst mit jemandem, hast dabei aber das Gefühl, dass du diesem Menschen eher lästig bist. Außerdem hast du Angst davor, Menschen zu beleidigen, ihnen in die Augen zu blicken oder davor, dass sie sich unwohl fühlen könnten, wenn du in ihrer Nähe bist. Du fürchtest, zu hässlich oder zu schüchtern zu sein, usw. Diese Form der sozialen Phobie nennt sich Taijin Kyofusho Störung.
Taijin Kyofusho, eine Angststörung
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 09. April 2023

Die Taijin Kyofusho Störung ist eine spezielle Form der sozialen Phobie. Hierbei haben die Betroffenen Angst davor, andere Menschen zu beleidigen. Sei es durch eine falsche Äußerung, eine falsche Geste oder auch durch die Art und Weise, wie sie diese Menschen ansehen. So seltsam und merkwürdig sich diese Phobie für uns auch anhören mag, ist sie dennoch eine medizinisch anerkannte soziale Angststörung.

Diese spezifische Störung ist besonders in Japan sehr verbreitet. Sicherlich weißt du, dass Japaner sehr hohe Standards in Bezug auf korrektes Verhalten, absoluten Respekt für andere Menschen und extreme Höflichkeit haben. Dennoch kann eine derartige Phobie in jeder anderen Kultur ebenfalls auftreten.

Die Taijin Kyofusho Störung entsteht aufgrund von Selbstzweifeln. Daraus entwickelt sich dann eine beinahe zwanghafte Obsession, von den Mitmenschen als perfekt angesehen zu werden. Daher streben Betroffene danach, möglichst gut auszusehen, die besten Manieren zu haben oder als besonders aufgeschlossene Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. All das kann zu Selbstzweifeln führen.

Weitere Symptome der Taijin Kyofusho Störung können beispielsweise darin bestehen, dass du dich für dein Stottern schämst, Angst davor hast, etwas Dummes zu sagen oder befürchtest, du könntest unangenehm riechen.

Die Taijin Kyofusho Störung wurde zuerst in Japan beobachtet. In der westlichen Welt existiert für diese Phobie keine eigene Kategorie. Sie wird als Teil anderer sozialer Phobien klassifiziert.

Taijin Kyofusho - verängstigte Frau

Merkmale und Behandlung der Taijin Kyofusho Störung

Die Taijin Kyofusho Störung bedeutet in der wörtlichen Übersetzung “Symptom einer Phobie vor zwischenmenschlichen Beziehungen”, es handelt sich also um eine Angststörung. Diese Art der Phobie wurde erstmals in Japan beobachtet. Da in der japanischen Kultur Gruppen wichtiger sind als Individuen, ist die Angst davor, andere Menschen zu beleidigen, durchaus nachvollziehbar.

Derartige Phobien treten aber auch in anderen Teilen der Welt auf. Allerdings ist dieses psychiatrische Syndrom besonders in Japan sehr verbreitet und bekannt. Im Westen ist diese spezifische Störung nahezu unbekannt. Obwohl wir hierzulande keine eigene Kategorie für diese Störung haben, ist sie dennoch Teil anderer spezifischer und damit verwandter Zwangsstörungen.

Die Unterschiede zwischen der Taijin Kyofusho Störung und sozialer Phobie

Obwohl die Taijin Kyofusho Störung eine bestimmte Form der sozialen Phobie ist, wollen wir dir dennoch einige Merkmale aufzeigen, die sie von der sozialen Phobie und sozialen Ängsten unterscheidet:

  • Menschen mit sozialen Phobien machen sich sehr viele Sorgen und fühlen sich in Gegenwart anderer Menschen gehemmt und ängstlich. Im Gegensatz dazu fürchten Patienten, die an der Taijin Kyofusho Störung leiden, sie könnten sich selbst in Verlegenheit bringen oder andere Menschen durch ihre bloße Existenz verärgern oder belästigen.
  • Daher besteht das Hauptproblem dieser Störung nicht darin, wie sich diese Menschen in bestimmten Situationen verhalten. Sie sind vielmehr unsicher darüber, wie andere darauf reagieren könnten, wenn sie mit ihnen interagieren.
  • Außerdem kann bei dieser Störung zwanghaftes Verhalten auftreten. Es gibt beispielsweise den Fall einer Amerikanerin, bei der diese Störung diagnostiziert wurde. In einer Studie, die von der Nationalen Universität für Gesundheitswissenschaften in Chicago (National University of Health Sciences) durchgeführt wurde, beobachteten die Forscher, dass diese Patientin eine besondere Obsession hatte: sie starrte die Genitalien anderer Menschen an. Obwohl die Frau wusste, dass ihr Verhalten für andere Menschen höchst unangenehm war und sie sich bemühte, dies zu unterlassen, konnte sie einfach nicht aufhören, die Genitalien anzustarren.

Hieraus wird bereits ersichtlich, wie komplex diese psychiatrische Störung ist.

Taijin Kyofusho - japanische Mitarbeiter

Merkmale der Taijin Kyofusho Störung

Diese Störung wird in Japan in vier Kategorien unterteilt, die jeweils eine bestimmte Phobie beschreiben:

  • Sekimen-kyofu. Die Angst vor dem Erröten und davor, dass andere Menschen sich dadurch unwohl fühlen könnten (Erythrophobie).
  • Shubo-kyofu. Die Angst davor, andere zu verärgern, weil du unattraktiv bist.
  • Jikoshisen-kyofu. Die Angst davor, dass sich jemand unwohl oder bedroht fühlen könnte, wenn du ihn anblickst.
  • Jikoshu-kyofu. Die Angst davor, einen unangenehme Körpergeruch zu haben (Eigengeruchswahn).

Im Westen werden die folgenden vier Aspekte genauer untersucht und analysiert:

  • Zuerst erfolgt eine Analyse darüber, ob die Symptome dauerhaft oder nur vorübergehend auftreten. Das beobachtete Verhalten kann beispielsweise während der Pubertät auftreten und danach wieder verschwinden.
  • Außerdem wird untersucht, wie stark die Phobie ausgeprägt ist.
  • Darüber hinaus wird festgestellt, ob Wahnvorstellungen, zwanghafte Gedanken, usw. auftreten.
  • Diese Störung tritt häufig bei Patienten mit Schizophrenie auf.

Wie kann diese Störung behandelt werden?

Aus kultureller Sicht ist die Taijin Kyofusho Störung sehr interessant. Die erste Behandlung für diese Störung wurde von Dr. Shoma Morita im Jahr 1910 entwickelt. In jener Zeit wandte er dazu folgende Methodik an:

  • Zuerst isolierte er die Patienten in einer bestimmten Umgebung.
  • Daraufhin bat er sie, sich auszuruhen und zu entspannen.
  • Die Patienten sollten ein Tagebuch schreiben.
  • Außerdem sollten sie Arbeiten mit den Händen verrichten, beispielsweise im Garten arbeiten.
  • Darüber hinaus besuchten die Patienten Vorträge, die Dr. Morita hielt.

Im Verlauf der 1930er Jahre veränderte Dr. Morita einige dieser Behandlungsschritte. Er führte gruppentherapeutische Sitzungen ein und verordnete Medikamente. Bis heute wird in Japan die Morita-Therapie angewendet. Im Westen gibt es allerdings einen anderen Ansatz. Da die Taijin Kyofusho Störung nicht als eigenständiges Krankheitsbild angesehen wird, wird sie als soziale Phobie behandelt.

Taijin Kyofusho - Frau

Es gibt eine direkte kognitive Therapie, bei der der Patient bestimmten auslösenden Reizen ausgesetzt wird. Außerdem werden Techniken zur Entspannung und zur Stärkung des Selbstwertgefühls angewendet. Dennoch hängt der Erfolg dieser Therapien immer auch von den einzelnen Patienten ab und davon, ob noch weitere Störungen vorliegen. Letztendlich ist Taijin Kyofusho in Japan sehr bekannt, hier im Westen jedoch kennt kaum jemand dieses spezifische Krankheitsbild.


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