Supranormale Reize, ein faszinierendes Phänomen

Supranormale Reize erklären, warum wir manchmal die Fiktion dem realen Leben vorziehen. Interessant, nicht wahr?
Supranormale Reize, ein faszinierendes Phänomen
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 20. Mai 2023

Supranormale Reize, auch übernormale Reize oder Hyperstimulus genannt, sind ein interessantes psychobiologisches Phänomen, das erklärt, warum es bestimmte Umstände gibt, unter denen unsere grundlegendsten Instinkte aus dem Ruder zu laufen scheinen. Das passiert zum Beispiel bei Junk Food: Wir lieben etwas, das keine gesunden Nährstoffe liefert und uns sogar krank macht.

Konrad Lorenz¹, Mitbegründer der Verhaltensbiologie, und sein Mitarbeiter Nikolaas Tinbergen untersuchten dieses Phänomen erstmals in den 1940er-Jahren. Sie stellten fest, dass eine Gans lieber große künstliche Eier in ihr Nest bringt als ihre eigenen Eier. Tinbergen konnte diese Erfahrung bei verschiedenen Tieren zeigen.

Die Wahrheit ist, dass alle Organismen, auch der Mensch, auf bestimmte Reize mit bestimmten Reaktionen reagieren: Wir fliehen beispielsweise vor Gefahren oder füttern unsere Kinder. Doch bei außergewöhnlichen Reizen schlägt der Instinkt einen anderen Weg ein und versagt. Wie kann das passieren? Warum? Das werden wir gleich sehen.

“Wir müssen über die supranormalen Reize hinausschauen. Sie sind per Definition zu viel des Guten und es müssen gesunde Grenzen eingehalten werden… obwohl gegen ein bisschen Zucker ab und zu nichts einzuwenden ist.”

Becky Burch

supranormale Reize und Fast Food

Supranormale Reize: Was ist das?

Supranormale Reize sind übertriebene, übernormale Auslöser, die bessere Wirkungen erzielen als die natürlicherweise vorkommenden Stimuli. Diese übertriebenen Merkmale provozieren stärkere und intensivere Reaktionen.

Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen beobachteten dieses übertriebene Verhalten unter anderem an Heringsmöwen. Die Muttermöwen haben einen roten Fleck auf ihrem Schnabel. Die Küken picken instinktiv an dieser Stelle, um die Mutter dazu zu bringen, ihr Futter wieder auszuwürgen. Das rote Kennzeichen löst eine reflexartige Reaktion aus. Die Forscher zeigten den Vögeln dann einen Stock mit einem roten Punkt und die Küken pickten lieber daran als am Schnabel ihrer Mutter.

Ein weiteres Experiment dieser Forscher haben wir anfangs bereits erwähnt: Die Graugänse bevorzugten fremde Gipseier, die größer als ihre eigenen waren, und brüteten sie aus. Warum passiert das? Könnte dieses Verhalten eine Gefahr für die einzelnen Arten sein?

Ein nachgewiesenes Phänomen

Das Phänomen der übernormalen Reize konnte bei allen Arten nachgewiesen werden. Bei uns Menschen ist es sogar besonders deutlich zu sehen. Wie anfangs kurz erwähnt, lieben viele Junk Food, obwohl es nur schnelle Kalorien, jedoch keine wichtigen Nährstoffe liefert, und krank macht. Andere Beispiele sind Zuckerwatte oder Bonbons, die wunderbar süß schmecken, dem Organismus allerdings nichts Gutes tun.

Ein weiteres Beispiel für supranormale Reize beim Menschen ist die Übertreibung bestimmter Geschlechtsmerkmale, um andere Individuen anzuziehen: Viele lassen sich operieren, um ihre Brüste zu vergrößern oder eine schlanke Hüfte zu haben. Auch wenn das Ergebnis unnatürlich ist, empfinden sie esals sehr attraktiv oder sexy.

supranormale Reize und Zuckerwatte

Supranormale Reize sind überall zu beobachten

Supranormale Reize gibt es in vielen Bereichen der heutigen Welt. Es handelt sich dabei um überhöhte Darstellungen der Realität, die uns zu Verhaltensweisen verleiten, die zum Teil absurd oder zumindest unrealistisch sind. Weitere Beispiele sind Pornografie oder bestimmte Videospiele.

All diese überhöhten Versionen der Realität üben eine große Anziehungskraft auf Menschen aus. Supranormale Reize erzielen die erwartete Wirkung. Führen diese Übertreibungen dazu, dass wir das “Normale” nicht mehr schätzen oder als unattraktive empfinden? Machen wir uns damit selbst zu Gefangenen einer fiktiven Welt, während das echte Leben an uns vorbeizieht?

▶ Lese-Tipp

  1. Eigentlich wollte ich Wildgans werden: Aus meinem Leben, Konrad Lorenz, Piper 2006

Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Gamboa Ruiz, V. O. (2010). El Instinto. Motivación Y Emoción.
  • Mora Galeote, J. J. (2022). Estímulos supernormales en la experimentación estética: porno y belkitsch. Valenciana, 15(30), 131-160.

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.