Saroo Brierley und sein langer Weg nach Hause

Obwohl die moderne Technik fortschrittlich ist und uns viele neue Möglichkeiten eröffnet, ist es immer noch ein großes Problem, wenn Kinder von zu Hause verschwinden. Saroos Geschichte erzählt von diesem Problem und wie weitreichend es sein kann.
Saroo Brierley und sein langer Weg nach Hause
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 16. Mai 2023

Die Geschichte von Saroo Brierly hört sich nach einer Romanvorlage an. Tatsächlich wurde aus dem 2014 veröffentlichen Buch der oscarnominierte Erfolgsfilm Lion – der lange Weg nach Hause gemacht. Allerdings ist das Schönste an dieser Geschichte und dem Kinofilm, dass es der junge Mann durch alle Irren und Wirren des Schicksals bis zu einem glücklichen Ende schaffte.

Saroos unglaubliches Abenteuer begann in einer indischen Kleinstadt namens Khandwa. Damals war der kleine Saroo erst fünf Jahre alt und stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater verließ die Familie wegen einer anderen Frau. Mutter Fatima musste sich auf einer Baustelle als Arbeiterin verdingen. Sie verdiente jedoch nicht genug, um die kleine Familie über Wasser zu halten.

In Saroos Familie gab es drei Kinder. Der älteste Sohn Guddu war zehn Jahre alt, als die Geschichte ihren Anfang nahm. Er unterstützte die Mutter mit Aushilfstätigkeiten und fegte dabei häufig Zugwaggons. Dann gab es Saroo, der seinen älteren Bruder oft zur Arbeit begleitete. Das jüngste Kind, ein Mädchen, lernte damals gerade laufen.

Der Augenblick, der Saroo Brierleys Leben für immer veränderte

An allen möglichen Tag gingen die beiden Brüder Geld verdienen und fegten leere Züge auf dem Bahnhof in Burhanpur aus. Nach einem langen Tag war der kleine Saroo so müde, dass er sich auf eine der Bänke an den Gleisen setzte und darauf einschlief. Dieses Nickerchen würde sein Leben grundlegend verändern.

Als er erwachte, konnte er seinen älteren Bruder nirgendwo ausmachen. Also fing er an, ihn zu rufen, aber er fand ihn nirgends. Saroo sah einen Zug vor dem Bahnhof stehen und dachte, dass sein Bruder Guddu wahrscheinlich gerade die Waggons kehrte. Also stieg er in den Zug, um nach ihm zu suchen. Aber Guddu war nirgends zu finden und reagierte nicht auf Saroos Rufe. Dann setzte sich der Zug Richtung Kalkutta in Bewegung und Saroos Leben, wie er es bisher gekannt hatte, war mit einem Schlag vorbei.

In der Zwischenzeit wartete die Mutter auf die Rückkehr ihrer beiden Söhne, aber sie kamen nicht mehr heim. Sie versuchte auf eigene Faust herauszufinden, was sich ereignet hatte. Nach zwei Monaten erfuhr sie, dass man Guddu tot aufgefunden hatte. Jemand hatte ihn auf den Bahngleisen gefunden. Ein Zug hatte ihn erfasst.

Saroo erlebt einen Albtraum in Kalkutta

Saroo Brierly kam nach 14 Stunden im Zug in Kalkutta an. Er konnte jedoch kein Bengali sprechen und kannte den Namen des Ortes nicht, aus dem er stammte. Als er am Bahnhof ankam, wollte er einen Zug nach Hause nehmen, aber das war unmöglich. Er blieb im Umfeld des Bahnhofs, schlief zwischen Pappkartons und aß Reste aus Mülleimern.

Es gab dort allerdings eine Bande, die minderjährige Straßenkinder entführte. Die Mitglieder versuchten, auch den kleinen Saroo zu kidnappen, aber er lief so schnell er konnte davon und schaffte es, der Bande zu entkommen. Allerdings hatte er Angst, zum Bahnhof von Kalkutta zurückzukehren.

Wenn er an diese Zeit seines Lebens denkt, erinnert er sich an den Hunger und die Qualen, unter denen er damals litt. Man weiß nicht genau, wie es dazu kam, aber ein Jugendlicher brachte ihn zu einer Polizeiwache. Von dort aus kam er in ein Waisenhaus, in dem sehr strenge Regeln galten.

Im Waisenhaus versuchte man, seine Familie zu ermitteln, allerdings gelang es nicht. Nach einer Weile wurde Saroo in ein Adoptionsprogramm aufgenommen. Dann hatte er das Glück, von einer australischen Familie adoptiert zu werden, die sich um ihn kümmern wollte – zusätzlich zu einem anderen indischen Jungen. Saroos Leben veränderte sich von Grund auf, als er mit seinen neuen Eltern nach Tasmanien fuhr.

Sunny Pawar als junger Saroo im Film "Lion".

Rückkehr zu seiner indischen Familie

Saroo Brierly konnte mit seiner Vergangenheit aber nicht abschließen. Er erinnerte sich noch an seinen älteren Bruder Guddu, seine Mutter und die kleine Schwester.

Als er auf dem College war, beschloss seine Freundin, zusammen mit einer Gruppe von Freunden, ihm dabei zu helfen, das entscheidende Puzzlestück zu finden: seinen Heimatort in Indien. Sie überprüften alle Dörfer, die 14 Stunden Zugfahrt von Kalkutta entfernt lagen und begannen, auf Google Earth zu suchen.

Es vergingen weitere fünf Jahre, bis Saroo eines Tages auf dem Bildschirm einen Wasserturm sah, der ihm bekannt vorkam. Er schaute sich die umliegenden Orte genauer an, wobei plötzlich Erinnerungen in ihm aufstiegen. Später erkannte er eine Straße und eine Brücke. Er sagte, dass er in dem Moment vor Freude in die Luft gesprungen sei, als er seinen Heimatort wiedererkannt hatte.

Anschließend reiste er in sein indisches Heimatdorf und machte sich dort auf die Suche. Er folgte seinem Bauchgefühl und fand das Haus seiner Mutter, aber dort wohnte niemand mehr. Obwohl er seine Muttersprache vergessen hatte, konnte er einige Informationen zusammentragen. Schlussendlich kam er eines Tages vor der Haustür seiner Mutter an.

Sie sah ihn ein paar Minuten lang an, bevor sie ihn wiedererkannte. Saroo sagt, dass dieses Wiedersehen mit seiner Mutter nach einem Vierteljahrhundert der glücklichste Moment seines Lebens war.

Kurz danach erfuhr er, dass sein Name nicht “Saroo”, sondern “Sheru” war. Er wusste als kleiner Junge nicht, wie man ihn richtig aussprach und war so zu einem neuen Namen gekommen. “Sheru” bedeutet “Löwe”. Ein Jahr später kehrte er mit seiner Adoptivmutter in seinen Heimatort zurück. Dort konnte er die losen Enden wieder miteinander verknüpfen und lang ersehnte Umarmungen genießen.


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  • Somavía, J. (2000). “Los niños perdidos. UNICEF: El desarrollo de las Naciones. Ginebra: UNICEF, 27-30.


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