Psychose und Einsamkeit: das Gefängnis der Seele

Die Einsamkeit ist ein Gefühl der Leere, das Betroffenen jede Hoffnung nimmt. Für Menschen, die an psychotischen Episoden leiden, sind die Auswirkungen besonders schlimm.
Psychose und Einsamkeit: das Gefängnis der Seele
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 31. März 2023

Einsamkeit ist eines der großen Übel unserer Zeit. Die Individualisierung und zerbrechliche familiäre Strukturen sind mögliche Gründe für dieses komplexe Gefühl, das Stress verursacht und das Risiko für somatische Erkrankungen erhöht. Menschen, die psychotische Episoden erleben, fühlen sich häufig einsam. Die genauen Zusammenhänge zwischen Psychose und Einsamkeit sind allerdings noch zu wenig erforscht. Wir wissen jedoch, dass die Auswirkungen drastische Ausmaße annehmen können.

“Aufgezwungene Einsamkeit ist das Gefängnis des Geistes.”

Stephen King

Unfreiwillige Einsamkeit: das Gefängnis der Seele

Gabriel García Márquez erinnert uns daran, dass unfreiwillige Einsamkeit das Herz vergiftet. Sie ist in großen Teilen der Welt ein enormes Problem der öffentlichen Gesundheit, wird jedoch trotzdem weitgehend ignoriert. Die Auswirkungen auf Körper und Geist sind verheerend (Luo et al., 2012). Viele einsame Menschen entwickeln Depressionen oder andere psychische Störungen und haben eine geringere Lebenserwartung. Menschen mit Psychose erleben die Einsamkeit oft sehr intensiv, denn ihre sozialen Strukturen sind schwach und flüchtig.

Mindestens ein Prozent der Weltbevölkerung ist mit der Diagnose Psychose konfrontiert. Tatsächlich berichten acht von zehn Patienten von diesem Zustand (Lim et al., 2017): erstickende und trostlose Einsamkeit, die ihnen jede Hoffnung nimmt.

“Ungewollte Einsamkeit ist eine endlose Wüste.”

Pearl S. Buck

Psychose und Einsamkeit: das Gefängnis der Seele
Psychotische Episoden erhöhen das Risiko der Vereinsamung.

Psychose und Einsamkeit

Soziale Niederlagen stellen einen Risikofaktor für Störungen des psychotischen Spektrums dar (Hawkley et al., 2010). Wissenschaftler konnten einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit, Paranoia, Negativsymptomen und einem negativen Weltbild feststellen (Lim et al., 2018).

“Einsamkeit ist der lauteste Schrei, den man hören kann.”

August Strindberg

Einsamkeit führt jedoch häufig auch zu Positivsymptomen wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Ein schwaches Selbstbild, Depressionen, Stigmata oder auch Schuldgefühle drängen Betroffene häufig in die Isolation, die Folgen sind oft verheerend. Eine Studie von Dr. Michelle H. Lim (2018) weist auf folgende Auswirkungen hin:

  • Einsamkeit steht in engem Zusammenhang mit auditiven halluzinatorischen Phänomenen.
  • Sie führt zu einer stärkeren Stigmatisierung. Patienten berichten, dass sie sich weniger sozial unterstützt fühlen. Daher nehmen sie sich oft als “inkompetent” wahr.
  • Betroffene empfinden große Lebensunzufriedenheit. Sie gehen unter der Last der psychotischen Symptome durchs Leben, zusätzlich zu der Hoffnungslosigkeit der Einsamkeit.
  • Diese Menschen sind sehr häufig im Krankenhaus. Sie haben oft das Gefühl, nur noch medizinische Fachkräfte in ihrer Nähe zu haben.
  • Das vervielfacht das Risiko für verschiedene Krankheiten, darunter Depressionen und Suizidgedanken.
  • Ein gutes Unterstützungsnetzwerk verbessert das Wohlbefinden der Betroffenen. Deshalb sollte eine Intervention unbedingt menschliche Zuwendung und die Herstellung sozialer Kontakte berücksichtigen. Einsamkeit behindert den Behandlungserfolg.

“Ungewollte Einsamkeit ist die größte aller Grausamkeiten.”

Ellen Glasgow

Psychose und Einsamkeit
Einsamkeit sollte bei der psychiatrischen Behandlung einer Psychose unbedingt berücksichtigt werden.

Fazit: Einsamkeit, Angst und Psychose

Menschen, die psychotische Episoden erleben, leiden vermehrt an Einsamkeit. Diese Tatsache kann Ängste fördern und das Risiko für paranoide Wahnvorstellungen erhöhen. Die Auswirkungen der Einsamkeit sind bei Menschen mit psychotischen Störungen besonders drastisch, dies sollte bei der Behandlung unbedingt berücksichtigt werden. Soziale Kontakte und die Integration in ein unterstützendes Netzwerk sind für Betroffene eine dringende Notwendigkeit.

“Einsamkeit ist die grausamste Gesellschaft, wenn sie unerwünscht ist.”

Lord Byron


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Anson K. C. Chau, Chen Zhu & Suzanne Ho-Wai So (2019) Loneliness and the psychosis continuum: a meta-analysis on positive psychotic experiences and a meta-analysis on negative psychotic experiences, International Review of Psychiatry, 31:5-6, 471-490, DOI: 10.1080/09540261.2019.1636005 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31331209/
  • Cacioppo JT, Fowler JH, Christakis NA (2009) Solo en la multitud: la estructura y propagación de la soledad en una gran red social. J Pers Soc Psychol 97:977–991. https://doi.org/10.1037/a0016076
  • Hawkley, L. C., & Cacioppo, J. T. (2010). Loneliness matters: A theoretical and empirical review of consequences and mechanisms. Annals of behavioral medicine, 40(2), 218-227. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3874845/
  • Lim, M. H., Gleeson, J. F., Alvarez-Jimenez, M., & Penn, D. L. (2018). Loneliness in psychosis: a systematic review. Social psychiatry and psychiatric epidemiology, 53, 221-238. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29327166/
  • Luo, Y., Hawkley, L. C., Waite, L. J., & Cacioppo, J. T. (2012). Loneliness, health, and mortality in old age: a national longitudinal study. Social science & medicine (1982)74(6), 907–914. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2011.11.028
  • Michalska da Rocha, B., Rhodes, S., Vasilopoulou, E., & Hutton, P. (2018). Loneliness in psychosis: a meta-analytical review. Schizophrenia bulletin, 44(1), 114-125. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28369646/

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.