Psychisch krank durch schmerzhafte Erfahrungen
Eine Tragödie oder ein Schicksalsschlag macht uns verletzlich und disponiert für verschiedene psychische Störungen. Resilienz und Stressbewältigung sind zwei entscheidende Fähigkeiten, um schwierige Situationen zu überwinden, doch nicht jeder kann darauf zurückgreifen. Die Folgen einer traumatischen Erfahrung sind deshalb oft verheerend: Psychisch krank bedeutet eine andauernde Normabweichung der Wahrnehmung, Verhaltensmuster und des Befindens – ein Zustand, der in allen Lebensbereichen sehr einschränkend und problematisch sein kann.
Deshalb ist es wichtig, mögliche Anzeichen zu erkennen, Traumata mit psychologischer Unterstützung zu verarbeiten und bewusste Veränderungen zu erzielen, um Psychopathologien vorzubeugen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die schmerzhaften Erfahrungen oft weit zurückliegen. In vielen Fällen entstehen sie bereits in der Kindheit durch Vernachlässigung oder Missbrauch. Wir sprechen heute über dieses ernsthafte Thema, um Betroffenen einen Anstoß zu geben, sich über ihre Situation bewusst zu werden und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
“Nicht zum Ausdruck gebrachte Gefühle werden niemals sterben. Sie werden lebendig begraben und kommen später auf hässlichere Weise hervor.”
Sigmund Freud
Psychisch krank: Was bedeutet das?
Stark belastende Erlebnisse wie der Verlust eines geliebten Menschen können psychisch krank machen. Häufig handelt es sich jedoch um länger andauernde Erfahrungen wie das Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie oder Missbrauch. Menschen mit diesen traumatischen Erlebnissen zu helfen ist ein zentrales Anliegen der Psychologie, mit dem sich bereits Sigmund Freud beschäftigte.
Der Vater der Psychoanalyse versuchte zu verstehen, wie uns Widrigkeiten schaden und welche Werkzeuge uns helfen können, widerstandsfähiger zu sein. Wie ein Artikel der Zeitschrift Affective Science bestätigt, machen uns schmerzhafte Erfahrungen verletzlich: Sie beeinträchtigen unsere emotionale Funktionsweise in verschiedensten Bereichen.
Diese Normabweichungen, die unser Verhalten, unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen und Reaktionen verändern, führen vielfach zu psychischen Störungen. Die Wissenschaft ist sich darin einig, dass frühkindliche Widrigkeiten einen enormen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben: In den meisten Fällen haben sie Probleme in ihrer psycho-emotionalen Entwicklung.
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Häufige Psychopathologien nach schmerzhaften Erfahrungen
Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen sind individuell sehr unterschiedlich. Resiliente Menschen sind in der Lage, Widrigkeiten zu überwinden und daraus für ihr Leben zu lernen. Allerdings ist das Risiko für Psychopathologien nach stark belastenden Ereignissen erhöht. Die Mechanismen der Resilienz sind bislang nicht ausreichend erforscht, doch eine in der Fachzeitschrift American Journal of Medical Genetics publizierte Studie legt zum Beispiel nahe, dass die Genetik dabei eine Rolle spielen könnte.
Wir betrachten anschließend die häufigsten psychischen Störungen, die durch traumatische Erfahrungen verursacht werden.
Psychisch krank bedeutet eine andauernde Normabweichung der Wahrnehmung, Verhaltensmuster und des Befindens – ein Zustand, der in allen Lebensbereichen sehr einschränkend und problematisch sein kann.
Angst und emotionale Dysregulation
Die emotionale Dysregulation spielt bei der Entwicklung von Psychopathologien in vielen Fällen eine wesentliche Rolle. Wenn eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg traumatische Erfahrungen macht, verändern sich ihr Nervensystem und die Amygdala wird hyperaktiv. Dies führt zu einer erhöhten emotionalen Reaktivität und Dysregulation. Die Person leidet in der Folge häufig an maladaptiver Angst, Kontrollverlust und Unbehagen.
Depressive Störung
Schmerzhafte und stark belastende Ereignisse führen häufig zu Stimmungsstörungen. Aus einer in Summa Psicológica veröffentlichten Studie geht hervor, dass Kinder besonders anfällig dafür sind, da sich die Anatomie ihres Gehirns verändert: Regionen wie Hippocampus und Amygdala sind davon besonders betroffen. In der Folge sind Betroffene anfälliger für Psychopathologien im Erwachsenenalter.
Posttraumatische Belastungsstörung
Missbrauch, Aggression, Naturkatastrophen, elterliche Vernachlässigung, der Tod eines geliebten Menschen: Unglück und Leid sind vielschichtig und haben viele Gesichter. Gemeinsam ist allen traumatischen Erfahrungen, dass sie tiefe Wunden zurücklassen. In diesem Fall sprechen wir von einer posttraumatischen Belastungsstörung, die auch das soziale Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt. Zusätzlich leiden sie häufig an psychosomatischen Störungen.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Eine komplexe und folgenschwere psychische Erkrankung ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Wir wissen immer mehr über diese klinische Realität, was zweifelsohne bessere Behandlungen und Ansätze ermöglicht. Kürzlich veröffentlichte die Universität Turin eine interessante Arbeit in der Zeitschrift Frontiers in Psychology.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung, an der insbesondere Frauen leiden, steht in der Regel mit traumatischen Kindheitserfahrungen im Zusammenhang. Folgende Symptome sind charakteristisch:
- Identitätskrise
- Chronische Gefühle der Leere
- Ständige Angst vor dem Verlassenwerden
- Probleme, gute Beziehungen aufzubauen
- Impulsivität
- Häufige Stimmungsschwankungen und große emotionale Instabilität
- Selbstzerstörerisches Verhalten wie Selbstverletzungen und Suizidversuche.
Traumatische Erfahrungen erhöhen das Risiko für gefährliche Verhaltensweisen und Süchte.
Vermeidungsverhalten und Süchte
Es ist schwierig, mit psychischem Schmerz umzugehen: Manche Verarbeitungsmechanismen können kurzfristig helfen, sind jedoch langfristig nicht gesund. Forschungen der Universität von Minnesota weisen darauf hin, dass extremer Stress und Widrigkeiten in der Vergangenheit das Suchtrisiko erhöhen:
- Substanzabhängigkeit: Alkohol, Drogen, Tabak usw.
- Verhaltenssüchte: Glücksspiel, Sex, Internet und Shopping zum Beispiel.
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Psychisch krank: Was tun?
Menschen, die aufgrund von traumatischen Erfahrungen psychisch krank sind, benötigen eine spezifische, auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung. Es gibt verschiedene Therapieformen, die nach traumatischen Erlebnissen sehr effektiv sind. Wir stellen einige davon vor.
Kognitive Verhaltenstherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) konzentriert sich darauf, die negativen Gedanken und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem traumatischen Erlebnis zu erkennen und zu ändern. Dieses Modell unterstützt gesündere Denkansätze und bietet wirksame Werkzeuge zur Bewältigung von Schwierigkeiten. Sie ist unter anderem bei Angststörungen, Traumata und Depressionen sehr effektiv.
Dialektische Verhaltenstherapie
Dieses Modell wurde von Marsha M. Linehan zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt, kommt jedoch auch in anderen Situationen erfolgreich zum Einsatz. Die dialektische Verhaltenstherapie konzentriert sich auf die Emotionsregulierung und die Impulskontrolle. Deshalb ist sie unter anderem bei selbstverletzenden und suizidalem Verhalten zu empfehlen. Sie integriert Elemente aus der CBT, der buddhistischen Philosophie, der Akzeptanztherapie und der Achtsamkeit.
Eye Movement Desensitisation and Reprocessing Therapy (EMDR)
Menschen mit psychischen Traumata können von der EMDR-Therapie besonders profitieren. Sie kombiniert bilaterale Stimulationen (z. B. Augenbewegungen) mit progressiver Exposition gegenüber traumatischen Erinnerungen. So können Betroffene schmerzhafte Erinnerungen verarbeiten, um diese nicht mehr als Belastung zu erleben.
Psychisch krank? Abschließende Empfehlung
Jeder kann irgendwann ein schwieriges Ereignis durchmachen, denn das Leben verläuft nicht geradlinig. Wenn du dich in einer schwierigen Situation findest oder traumatische Erfahrungen gemacht hast, zögere nicht daran, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn du dich frühzeitig mit den widrigen Erlebnissen beschäftigst, kannst du ernstere Auswirkungen verhindern.
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