Perinataler Kindstod: Trauerprozess und Unterstützung
Der Verlust eines geliebten Menschen ist immer ein schwerer Schicksalsschlag. Aber welche Auswirkungen hat es, wenn dieser Verlust während einer Schwangerschaft auftritt? In unserem heutigen Artikel wollen wir über perinatalen Kindstod und den Umgang damit informieren.
Nach wie vor wird über dieses traurige Thema nicht genügend gesprochen, obwohl der frühe Kindstod häufiger auftritt, als du dies vermutest. Außerdem gibt es auch viele Fehlinformationen über dieses Thema.
In den Vereinigten Staaten wird als fetaler Tod oder Fehlgeburt “jeder spontane intrauterine Tod eines Fötus zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft” bezeichnet. Wenn der Tod ab der 20. bis 28. Woche eintritt und der Fötus eine bestimmte Größe und Gewicht hatte, spricht man von einer Totgeburt. Manchmal wird auch der Begriff stille Geburt (abgeleitet vom Englischen stillbirth) verwendet.
In den USA beträgt die fetale Sterblichkeitsrate bei Schwangerschaften, die mindestens 20 Wochen andauerten, 5,96 Todesfälle pro 1000 Lebend- und Totgeburten. Außerdem war sie fast identisch mit der Säuglings-Sterblichkeitsrate von 5,98 pro 1000 Lebendgeburten. In Deutschland ist die Rate der Totgeburten 2,4 pro 1000 Lebendgeburten. Diese Zahlen werden jährlich veröffentlicht.
Definitionen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in der 10. Revision der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen (ICD-10) folgende Unterscheidungen getroffen:
- Der frühe fetale Tod wird als Fehlgeburt bezeichnet. Der Tod des Fötus tritt spätestens zur 22. Schwangerschaftswoche auf und/oder der Fötus wiegt weniger als 500 Gramm.
- Vom intermediären fetalen Tod spricht man, wenn der Fötus zwischen der 22. und 28. Schwangerschaftswoche verstirbt und/oder ein Gewicht zwischen 500 und 1000 Gramm hat.
- Wenn der Fötus nach der 28. Schwangerschaftswoche verstirbt und/oder mehr als 1000 Gramm wiegt, dann spricht man vom späten fetalen Tod.
Einige Autoren erweitern das Konzept um folgende Fälle:
- Freiwillige Abtreibung oder unfreiwillige Fehlgeburt
- Willentlicher Schwangerschaftsabbruch aufgrund von gesundheitlichen Problemen des Fötus oder wegen Gefährdung der Gesundheit der Mutter
- Selektive Reduktion bei Mehrlingsschwangerschaften
- Intrauteriner oder intrapartaler fetaler Tod
- Verlust von Mehrlingsschwangerschaften und des Neugeborenen
Außerdem wurden Fehl- oder Totgeburten nicht immer so viel Beachtung geschenkt wie heute. Glücklicherweise gibt es heute mehr Informationen und es herrscht auch mehr Sensitivität für dieses traurige Thema. Daher existieren viele Prozesse und Hilfsprotokolle, die dazu beitragen sollen, die betroffenen Eltern während ihrer Trauerphase zu unterstützen und zu begleiten.
Protokoll für perinatalen Kindstod und Trauer
In einer Schweizer Studie zur nachgeburtlichen Betreuung bei perinatalem Kindstod findest du weitere hilfreiche Informationen. Es gibt immer mehr Krankenhäuser, die sich auch psychologisch und menschlich intensiver um die betroffenen Eltern kümmern.
In den vergangenen Jahren hat ein Team von Krankenschwestern des Geburtszentrums des Fairview Krankenhauses (USA) das perinatale Trauerbegleitprogramm überarbeitet, welches betroffene Eltern dabei unterstützen soll, den Tod ihres Babys zu verarbeiten.
Die Krankenschwester Kathy Ballantine war im Jahr 2014 verantwortlich für die Überarbeitung dieses Programmes. Sie ist mit fünf anderen Schwestern Mitglied im Komitee für Familien, die einen perinatalen Verlust erleiden mussten (Families Experiencing Early Loss F.E.E.L.).
Dieses Komitee verantwortet das Programm und informiert über die Wichtigkeit der Maßnahmen, die nach einem perinatalen Kindstod ergriffen werden müssen.
Auch das Good Samaritan Krankenhaus (USA) bietet Trauerhilfsprogramme für Eltern an, mit denen diese während der verschiedenen Trauerphasen begleitet und unterstützt werden.
Die Symptome der Trauer können mitunter so überwältigend sein, dass es für die Betroffenen oft sehr tröstlich ist, zu erfahren, dass sie mit diesen extremen Emotionen nicht alleine sind. Auch der gegenseitige Austausch und das häufige Sprechen über diese Gefühle und Erfahrungen ist sehr hilfreich. Die Eltern treffen sich daher einmal monatlich in einer Selbsthilfegruppe.
Es gibt verschiedene Phasen der Trauer. So kann ein professioneller Begleiter in den unterschiedlichen Phasen Hilfestellung leisten:
Nachdem den Eltern die traurige Nachricht übermittelt wurde
- Sensibler und einfühlsamer Beziehungsaufbau zu den Eltern
- Verständnis für die Auswirkung dieser Nachricht auf die Eltern
- Sicherstellen, dass die Eltern während dieses Prozesses nicht alleine gelassen werden
- Bereitstellung klarer und verständlicher Informationen über die verschiedenen Handlungsoptionen. Wenn beispielsweise nach verschiedenen medizinischen Tests festgestellt wurde, dass das Baby keinen Herzschlag hat, dann gibt es zwei Möglichkeiten, wie weiter verfahren werden kann. Entweder man wartet darauf, dass der tote Fötus auf natürlichem Wege durch den Körper ausgeschieden wird. Dieser Weg ist dem normalen Geburtsvorgang sehr ähnlich. Die zweite Möglichkeit wäre eine Ausschabung der Gebärmutter, eine Kürettage. Diese wird dann erforderlich, wenn keine Wehen einsetzen und ein normaler Geburtsvorgang nicht möglich ist.
Während und bei der Geburt
Wenn die Eltern den Wunsch geäußert haben, ihr verstorbenes Kind noch einmal zu sehen, dann sollte die betreuende Person so respektvoll und normal mit den Eltern umgehen, wie sie es in jedem anderen Fall auch tun würde, wenn Eltern ihr Neugeborenes sehen möchten.
Nach der Geburt
- Erklärung der Situation auf einfühlsame und persönliche Art und Weise, während die Eltern sich von ihrem Kind verabschieden können.
- Möglichst normaler Umgang mit dem verstorbenen Kind, um den Eltern diesen Schritt ebenfalls zu erleichtern.
- Den Eltern die Möglichkeit geben, gemeinsame Momente mit dem Baby zu haben, an die sie sich erinnern können.
- Respektvoller Umgang und Unterstützung von Eltern, die ihr Baby nicht mehr sehen oder keine Zeit mehr mit ihm verbringen wollen.
- Sensibles und einfühlsames Herangehen an die gesamte Situation.
Seit dem 21. März 2012 ist es gesetzlich erlaubt, eine Totgeburtsurkunde ausstellen zu lassen, wenn eine Totgeburt vorliegt. Das Gesetz definiert eine Totgeburt als unbeabsichtigten intrauterinen Tod eines Fötus nach der 20. Schwangerschaftswoche.
Perinataler Kindstod: Trauerphasen
Wenn jemand den Tod eines geliebten Menschen verschmerzen muss, dann ist es sehr wichtig, dass wir die Freiheit und die Grenzen des anderen respektieren. Dies gilt besonders auch dann, wenn Eltern ihr ungeborenes Kind verloren haben.
Die beste Hilfe, die wir den Betroffenen in dieser extrem schwierigen Situation bieten können, ist die, dass wir versuchen, ihre Gefühle zu verstehen und zu respektieren.
Üblicherweise durchlaufen Eltern, die ein Baby verloren haben, folgende Trauerphasen:
- Zuerst empfinden sie einen Schock. Sie fühlen sich taub und leer. Auch Benommenheit und diverse Ausfallerscheinungen können auftreten. Und gleichzeitig empfinden sie eine große Sehnsucht nach ihrem Baby.
- Danach können im täglichen Leben Symptome wie Desorientierung und Organisationsschwierigkeiten auftreten. Diese Reaktionen werden durch das Gefühl der Leere und Hilflosigkeit ausgelöst.
- Schließlich werden die betroffenen Eltern langsam damit beginnen, ihr Leben neu zu organisieren und wieder aufzubauen. Außerdem werden sie irgendwann auch wieder ein wenig Freude am Leben empfinden, obwohl sie diesen schweren Verlust nie vergessen werden.
Es gibt verschiedene Anlaufstellen und Maßnahmen, die Eltern bei der Bewältigung dieses Verlustes unterstützen können:
- Innerhalb der Klinik.
- Bei der Entlassung aus der Klinik: Empfehlungen und Informationen über weitere Anlaufstellen und Hilfsangebote.
- Angebot an die Eltern und die Familie über weitere Informationsquellen: Internet, Organisationen, Selbsthilfegruppen, etc.
- Absolut wertfreier Umgang mit den verschiedenen Emotionen der Betroffenen.
- Unterstützung während des Krankenhausaufenthaltes. Darüber hinaus ist das Zuhören ein sehr wirkungsvolles therapeutisches Tool. Außerdem sollten die Eltern bei der Entscheidungsfindung unterstützt werden, indem sie mit notwendigen Informationen versorgt werden.
- Weiterhin ist es unbedingt erforderlich, dass auch das Krankenhauspersonal entsprechend ausgebildet ist. Daher sollten die Mitarbeiter regelmäßig trainiert und mit Instrumenten und Techniken vertraut gemacht werden, die es ihnen ermöglichen, besser mit den intensiven Emotionen und Reaktionen der Eltern umgehen zu können. Das ist besonders in den ersten Momenten sehr wichtig.
Perinataler Kindstod: Trauerbegleitung außerhalb der Klinik
- Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für diese Thematik durch Aufklärung und Informationskampagnen.
- Schaffung und Förderung von Selbsthilfegruppen für Mütter und Eltern, Geschwister, Großeltern etc.
- Unterstützung und Begleitung während der Trauerphase.
- Unterstützung bei der Erledigung bürokratischer Formalitäten.
- Trauerberatung und Therapie für Familien, Paare oder auch für Einzelpersonen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es notwendig ist, Fachkräfte so auszubilden, dass sie in der Lage sind, sowohl die betroffenen Eltern als auch die ganze Familie angemessen zu unterstützen. Darüber hinaus sollten alle Beteiligten jederzeit respektieren, dass einzig und allein die trauernden Eltern das Tempo und den Fortschritt im Trauerprozess bestimmen werden.
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
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