Neurowissenschaften: Verstehen, was dahinter steckt
Anfangs war das Ziel der Neurowissenschaften, zu verstehen, wie das Nervensystem funktioniert. Neurowissenschaftler möchten wissen, wie das Gehirn strukturell und funktionell organisiert ist. Darüber hinaus wollen sie erfahren, wie es unser Verhalten, unsere Gedanken und unsere Emotionen beeinflusst.
Das Verhältnis des physischen Gehirns zum konzeptionellen Verstand ist ein wichtiger Aspekt dessen, was die Neurowissenschaft erforscht. Dazu bedarf es einer Mischung aus Neurowissenschaft und kognitiver Psychologie. Letztere befasst sich mit höhere Funktionen des Gehirns, zum Beispiel mit Gedächtnis, Sprache und Aufmerksamkeit. Das Hauptziel dieser Schule ist im Grunde genommen, die Funktionsweise des Gehirns zu unseren kognitiven Fähigkeiten und Verhaltensweisen in Beziehung zu setzen.
Neu entwickelte Techniken haben neuartige Untersuchungen auf diesem Gebiet ermöglicht. Neuroimaging, also die bildliche Darstellung des Nervensystems, hat die Aufgabe erleichtert, konkrete Strukturen mit unterschiedlichen Funktionen in Beziehung zu setzen, wozu man vor allem eine Technik namens funktioneller Magnetresonanztomographie, fMRI, benutzt. Ebenfalls wurden Werkzeuge wie die nicht-invasive transkranielle Magnetstimulation entwickelt, um verschiedene pathologische Zustände zu behandeln.
Die Anfänge der Neurowissenschaften
Man kann nicht über die Anfänge der Neurowissenschaften sprechen, ohne Santiago Ramon y Cajal, den Schöpfer der Neuronentheorie, zu erwähnen. Seine Beiträge zur Entwicklung, Degeneration und Regeneration des Nervensystems sind auch heute noch wichtig, und Wissenschaftler ergänzen seine Arbeit nach wie vor. Wenn man den Geburtstag der Neurowissenschaft bestimmen müsste, läge der im 19. Jahrhundert.
Die Disziplin entwickelte sich parallel zum Mikroskop. Experimentelle Techniken wie das Färben von Geweben und die Erforschung der Struktur und Funktionalität des Nervensystems halfen ebenfalls. Die Neurowissenschaft und unser Verständnis davon, wie das Gehirn funktioniert, sind jedoch aus verschiedenen Wissensgebieten hervorgegangen. Man könnte sagen, dass viele Entdeckungen in den Neurowissenschaften auf multidisziplinären Ansätzen beruhen.
Die Anatomie trug wesentlich zum aktuellen Kenntnisstand bei. Während sich die Physiologie darauf konzentriert, wie der Körper einschließlich des Gehirns funktioniert, testet man in der Pharmakologie, wie endogene und exogene Substanzen auf das Hirn wirken. Endogene Substanzen sind solche, die vom Körper selbst ausgeschüttet werden, wie zum Beispiel Neurotransmitter; zu den exogenen gehören konventionelle Pharmaka. Die Psychologie hat Theorien über unser Verhalten und Denken beigesteuert. Im Laufe der Jahre haben sich die Psychologen von der Hypothese distanziert, nach der jeder Bereich des Gehirns genau eine spezifische Funktion erfülle. Jetzt verfolgen die Forscher einen komplexeren Ansatz, mit dem Ziel, die Gesamtfunktion des Gehirns zu verstehen.
Kognitive Neurowissenschaften
Die Neurowissenschaften sind ein breites wissenschaftliches Studiengebiet. Es umfasst zahlreiche Studienfelder, von der Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung in der klinischen Praxis. Innerhalb der Neurowissenschaften versucht die kognitive Neurowissenschaft zu verstehen, wie höhere Funktionen wie Sprache, Gedächtnis und Entscheidungsfindung funktionieren.
Die kognitive Neurowissenschaft konzentriert sich dazu auf die neuronalen Substrate mentaler Prozesse. Mit anderen Worten, welchen Einfluss haben unser Verhalten und unsere Gedanken auf unser Gehirn? Wir haben bestimmte Bereiche des Gehirns entdeckt, die für sensorische und motorische Funktionen verantwortlich sind, aber diese Bereiche repräsentieren nur ein Viertel des gesamten Kortex.
Die Assoziationsbereiche haben keine spezifische, messbare Funktion. Stattdessen sind sie verantwortlich für die Interpretation, Integration und Koordination von sensorischen und motorischen Funktionen. Das macht sie für hochentwickelte mentale Funktionen geeignet. Die Gehirnbereiche, die Funktionen wie Gedächtnis, Denken, Emotionen, Bewusstsein und Persönlichkeit bestimmen, sind daher nur sehr schwer zu lokalisieren. Dennoch wissen wir, dass es bestimmte Zentren gibt, in denen ein Großteil dieser Prozesse abläuft.
Das Gedächtnis ist mit dem Hippocampus verbunden, welcher sich etwa in der Mitte des Gehirns befindet. Was Emotionen betrifft, wissen wir, dass das limbische System Durst und Hunger, Aggression und Emotionen kontrolliert. Es ist der Kortex, in dem das Gehirn kognitive Fähigkeiten ausübt. Hier wird unsere Fähigkeit zum Bewusstsein vermutet, die uns in die Lage versetzt, Beziehungen aufzubauen und komplexe Überlegungen anzustellen.
Das Gehirn und die Emotionen
Ein Bereich, den uns die kognitive Neurowissenschaft nähergebracht hat, ist der der Emotionen. Emotionen sind entscheidend für das Leben eines Menschen. Wir alle erleben sie. Schließlich äußern wir alle Emotionen durch stereotype motorische Reaktionen, insbesondere Bewegungen der Gesichtsmuskeln, aber auch durch viszerale Alterationen.
Traditionell führte man Emotionen auf die Aktivität des limbischen Systems zurück. Dies gilt immer noch als wahr, aber es wurde inzwischen entdeckt, dass auch andere Regionen des Gehirns an der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen beteiligt sind. Diese anderen Bereiche umfassen die Amygdala und die orbitalen und medialen Aspekte des Frontallappens. Diese Regionen arbeiten zusammen und bilden ein emotionales motorisches System. Dieselben Strukturen, welche emotionale Signale verarbeiten, nehmen ebenfalls andere Aufgaben wahr, zum Beispiel die rationale Entscheidungsfindung und die moralische Beurteilung von Alternativen. Emotionen und das vegetative Nervensystem sind ebenfalls eng miteinander verbunden. Gefühle wie Angst oder Überraschung gehen deshalb einher mit Schwitzen, Schauern und einer erhöhten Herzfrequenz.
Emotionen sind eine anpassungsfähige Sprache, die andere – und uns selbst – über unseren Geisteszustand informiert. Gemeinsamkeiten zeigen sich zum Beispiel darin, wie Menschen Freude, Trauer und Wut ausdrücken, und zwar in allen Ethnien der Welt. Emotionen sind deshalb eine der Möglichkeiten, mit anderen zu kommunizieren und sich in sie einzufühlen, ohne auch nur ein einziges Wort ihrer eigentlichen Sprache zu verstehen.