Neue Therapiestrategien bei Essstörungen
Das Essverhalten, das nicht nur durch Hunger und Sättigungsmechanismen, sondern auch von anderen Faktoren gesteuert wird, spielt bei Essstörungen eine wesentliche Rolle: Es wird von der Person selbst (Innensteuerung) und auch von der Umwelt (Außenreiz) beeinflusst. Veränderungen im Essverhalten zählen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Essstörungen. Auch die Essgewohnheiten, das heißt stereotype Verhaltensweisen bei der Nahrungsauswahl und -aufnahme, sind grundlegend. Wir sprechen heute über neue Therapiestrategien, die Menschen mit Essstörungen helfen können.
“Die Magersucht ist mehr als nur ein Problem mit dem Essen – die Krankheit rächt missachtete Gefühle.”
Antonia C. Wesseling¹
Neue Therapiestrategien bei Essstörungen
Der Psychotherapeut Miguel Ángel Vallejo (2022) weist darauf hin, dass jede Intervention bei Essstörungen folgende Punkte berücksichtigen muss:
- Identifikation der Verhaltensweisen, die verändert werden sollen. Es ist wichtig, herauszufinden, wie und warum es zu diesen Verhaltensweisen kommt.
- Auswahl der Therapiestrategie, um die definierten Verhaltensweisen zu verändern.
- Entwicklung einer maßgeschneiderte, individuelle Intervention, um tatsächlich Erfolge zu erzielen.
Wir skizzieren anschließend die neuen Therapiestrategien, die bei den drei häufigsten Essstörungen zum Einsatz kommen.
Anorexia nervosa (Magersucht)
Charakteristisch für die Anorexia nervosa ist die eingeschränkte Nahrungsaufnahme, denn Betroffene haben Angst davor, zuzunehmen. Sie haben das Gefühl, dick und unförmig zu sein, auch wenn sie stark untergewichtig sind. Das verzerrte Körperbild führt zu einem geringen Körpergewicht, wobei das Diagnosekriterium mindestens 15 % unter dem zu erwartenden Gewicht oder ein Body-Mass-Index (BMI) von 17,5 oder weniger festlegt.
Die Angst vor der Gewichtszunahme und körperliche Beschwerden durch die starke Untergewichtigkeit beeinträchtigen die Lebensqualität drastisch. Wirksame Therapiestrategien sind deshalb dringend notwendig, um Betroffenen zu helfen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Magersucht lebensbedrohlich ist.
Die MANTRA-Therapie
Die MANTRA-Therapie (Maudsley Anorexia Treatment for Adults) integriert einzelpsychotherapeutische und systemische Elemente und wurde speziell für Erwachsene mit Anorexia nervosa entwickelt. Ihr Ziel ist,
- starre Denkstile zu verändern, die die Krankheit aufrechterhalten,
- Defizite im sozioemotionalen Bereich sowie verzerrte Kognitionen zu bearbeiten
- und gleichzeitig das Umfeld in die Therapie zu integrieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Kritik oder Ablehnung sowie Vorwürfe oder auch die Überfürsorge der Familie den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.
Diese Therapie ist flexibel und ermöglicht es medizinischen Fachkräften, das Tempo und die Maßnahmen an die individuelle Entwicklung des Patienten anzupassen.
“MANTRA ist eine Therapieform, die speziell zur Behandlung von Anorexia nervosa entwickelt wurde.”
The London Centre for Eating Disorders and Body Image
Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht)
Menschen mit Bulimie sind meistens normalgewichtig, doch sie haben wiederholte Heißhungerattacken und lösen nach dem Essen selbst das Erbrechen der verzehrten Nahrungsmittel aus, die oft besonders fett- und zuckerreich sind, um so eine Gewichtszunahme zu verhindern. Viele greifen zu Abführmitteln oder quälen sich mit übermäßiger sportlicher Betätigung. Hinter diesem Verhalten verstecken sich vielfach emotionaler Stress, traumatische Erfahrungen und auch starke Scham- und Schuldgefühle.
Die Metakognitive Therapie
Diese Therapie der dritten Generation ist eine Weiterentwicklung der Kognitiven Verhaltenstherapie, die häufig bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren zum Einsatz kommt.
Als Metakognitionen bezeichnet man die Betrachtung kognitiver Prozesse und Überzeugungen, die unsere Reaktionen prägen. Diese Therapie umfasst Werkzeuge, die Betroffenen helfen, mit negativen Gedanken besser umzugehen und unflexible Denkmuster, die zur Aufrechterhaltung der Essstörung führen, zu verändern. Patienten lernen in der Metakognitiven Therapie, die flexible Kontrolle über ihre kognitiven Prozesse zu erlangen.
Binge-Eating-Störung
Personen mit einer Binge-Eating-Störung leiden an wiederkehrenden Essanfällen, die sie dazu bringen, in sehr kurzer Zeit große Mengen zu essen, um ein Sättigungsgefühl zu erreichen. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Essverhalten. Es handelt sich in der Regel um übergewichtige oder adipöse Personen, die stets das Gefühl haben, nicht mit dem Essen aufhören zu können. Betroffene haben den Wunsch abzunehmen und spüren einen extremen Leidensdruck.
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Die Dialektische Verhaltenstherapie ist ebenfalls eine Therapie der dritten Welle, die auf die Kognitive Verhaltenstherapie aufbaut, jedoch auch Elemente anderer Therapierichtungen umfasst. Diese Behandlungsform geht davon aus, dass das veränderte Essverhalten auf Stress, traumatische Erlebnisse oder die mangelnde Emotionaregulation zurückzuführen ist. Sie gibt Betroffenen deshalb Werkzeuge zur Hand, die das Selbstmanagement und die Emotionsregulation fördern. Die Patienten müssen außerdem ihre Stresstoleranz verbessern und ihre Impulsivität kontrollieren, um zu einem normalen Essverhalten zurückkehren zu können.
“Das Ziel ist, Patienten zu befähigen, impulsive Verhaltensweisen, die durch emotionale Störungen verursacht werden, zu kontrollieren.”
Eduardo Fonseca
Eine Studie zeigt, dass in Deutschland rund 33,6 Prozent der Mädchen und etwa 12 Prozent der Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren an Symptomen einer Essstörung leiden. Es gibt jedoch auch immer mehr Erwachsene mit derartigen Verhaltensstörungen. Deshalb sind effiziente Behandlungsstrategien und ausreichend Behandlungsplätze grundlegend, um Betroffenen und ihren Familien zu helfen.
Literaturempfehlung
- Wie viel wiegt mein Leben? Warum wir bei Magersucht über den Tellerrand schauen müssen, Antonioa C. Wesselin, Eden Books 2020
- Metakognitive Therapie mit Kindern und Jugendlichen, Michael Simons, Beltz 2018
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
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Moreno, C. Vallejo, P. Manual de terapia de conducta en la infancia. (2022). Alianza Editorial.
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Pedrero, F. E. (2021b). Manual de tratamientos psicológicos: Infancia y adolescencia (Psicología) (1.a ed.). Ediciones Pirámide.
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Padilla Niviayo, M. A. (2022). Efecto de un protocolo basado en la terapia metacognitiva sobre rumia, preocupación, metacogniciones y síntomas emocionales en adultos de la ciudad de Bogotá (Doctoral dissertation, Bogotá DC: Fundación Universitaria Konrad Lorenz, 2022).
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Gómez-Pimpollo López de la Vieja, M. L. (2022). ANÁLISIS COMPARATIVO DE LA TERAPIA COGNITIVO-CONDUCTUAL Y LA TERAPIA DIALÉCTICO CONDUCTUAL PARA EL TRATAMIENTO DE TRASTORNOS DE LA CONDUCTA ALIMENTARIA.
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Belloch, A. (2023). Manual De Psicopatologia. Vol. Ii (2.a ed.). MCGRAW HILL EDDUCATION.
- Belloch, A. (2023). Manual De Psicopatologia. Vol. IIi (2.a ed.). MCGRAW HILL EDDUCATION.
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Maudsley Model of Anorexia Nervosa Treatment for Adults (MANTRA) – The London Centre. (s. f.). The London Centre for Eating Disorders and Body Image. https://www.thelondoncentre.co.uk/mantra
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Coll Pla, N. (2019). Programa de intervención psicoterapéutica grupal para adolescentes con diagnóstico de bulimia nerviosa basado en terapias de la tercera generación.
- American Psychiatric Association’s (2013) Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5th ed.; DSM-5)A