Nächtliche Angstzunstände: praktische Bewältigungsstrategien

Nächtliche Angstzustände treten meist während des Non-REM-Schlafs auf. Es gibt verschiedene Strategien, die dir in dieser Situation helfen.
Nächtliche Angstzunstände: praktische Bewältigungsstrategien
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 25. Oktober 2024

Nachtangst kann für viele Menschen eine herausfordernde und belastende Erfahrung darstellen. Dahinter können sich Sorgen, chronischer Stress, eine Panikstörung, oder emotionale Belastungen verbergen. Die daraus resultierenden Schlafstörungen beeinträchtigen die Lebensqualität und die Gesundheit. Wir stellen dir heute jedoch Strategien vor, um nächtliche Angstzustände zu bewältigen.

Nächtliche Angstzustände: Was tun?

Wenn du jemals ein solches Phänomen erlebt hast, weißt du, wie stark die Angst und das Gefühl der Hilflosigkeit sein können. Die erste Frage ist, warum du nachts Angst verspürst, obwohl Körper und Geist scheinbar entspannt sind. Wie eine im Journal of Anxiety Disorders veröffentlichte Studie erklärt, spielen dabei kognitive Faktoren eine wesentliche Rolle.

Auch wenn es dir merkwürdig erscheinen mag, ist die Wahrnehmung von Angst und Bedrohung in den oberflächlichsten Schlafphasen nach wie vor in deinem Gehirn präsent. Was kannst du unter diesen Umständen tun? Du musst den Ursprung dieser Angst erkennen und eine gesunde Schlafroutine etablieren.

Verstehe die Natur der Angstzustände

Ein unverzichtbarer Bestandteil der klinischen Praxis ist die Psychoedukation. Wenn du dein Problem und die psychophysiologischen Grundlagen verstehst, kannst du es auch besser kontrollieren. Hier sind die wesentlichen Punkte:

  • Akzeptieren und erkennen: Auch wenn die Erfahrung sehr belastend ist, akzeptiere und verstehe, dass dir nichts Schlimmes passieren wird. Dieser schreckliche Moment wird vorübergehen, und es wird dir gut gehen. Blockiere nicht und leiste keinen Widerstand. Je größer der Widerstand, desto intensiver sind die Symptome und Beschwerden. Im Durchschnitt dauern diese Attacken zwischen 10 und 20 Minuten.
  • Der Schlüssel liegt in der Amygdala: Diese kleine subkortikale Struktur, die für die Verarbeitung von Ängsten und Bedrohungen verantwortlich ist, bleibt nachts hyperaktiv, auch während des Schlafes. Ihre Aktivität kann jederzeit einen Angstanfall auslösen, sowohl im Wachzustand als auch in der Non-REM-Phase.
  • Panik und Angst sind natürliche Reaktionen: Diese Episoden sind von großer emotionaler und körperlicher Aufregung begleitet, verbunden mit einem Gefühl plötzlicher, extremer Angst. Es handelt sich jedoch um normale Mechanismen, die durch unregulierte Stresssituationen oder Grunderkrankungen ausgelöst werden können.

Mach einen Realitätscheck

Wenn du nachts mit rasendem Herzen und einem erdrückenden Gefühl der Panik aufwachst, fällt es dir schwer, klar zu denken. Es empfiehlt sich deshalb, eine einfache Erdungstechnik zu lernen, um auf diesen Augenblick vorbereitet zu sein. Diese Ressource wird dir helfen, dich mit dem Hier und Jetzt zu verbinden und so die emotionale Belastung zu reduzieren.

Der erste Vorschlag besteht darin, dir selbst zu sagen, dass du in Sicherheit bist, wenn du mit Angst aufwachst. Um dein Gehirn zu überzeugen, stelle dir die folgenden Fragen und atme dabei ein paar Mal tief durch:

  • Wo bin ich? Ich bin in meinem Zimmer.
  • Was passiert gerade mit mir? Ich habe einen Angstanfall, aber mir geht es gut.
  • Bin ich in Sicherheit? Ja, ich bin an einem sicheren Ort, es ist mein Zimmer, und hier besteht keine Gefahr. Alles ist ruhig, und dieses belastende Erlebnis wird schnell nachlassen.

Praktiziere die Vier-Quadrat-Atmung

Bei nächtlichen Angstzuständen können dir Atemtechniken helfen. Die Zeitschrift Brain Sciences hebt den klinischen Nutzen dieser Art von Intervention hervor. Wir empfehlen die Vier-Quadrat-Atmung:

  • Einatmen (4 Sekunden): Atme langsam und tief durch die Nase ein und zähle bis 4. Versuche, deine Lungen vollständig zu füllen und sowohl deinen Bauch als auch deine Brust zu dehnen.
  • Atem anhalten (4 Sekunden): Halte den Atem an und zähle erneut bis 4. Vermeide in dieser Zeit, deinen Körper anzuspannen. Bleibe ruhig und erinnere dich daran, dass du in Sicherheit bist und alles in Ordnung ist.
  • Ausatmen (4 Sekunden): Atme langsam durch den Mund aus und entleere deine Lungen, während du bis 4 zählst. Achte darauf, dass das Ausatmen kontrolliert und langsam erfolgt.
  • Atem anhalten, ohne einzuatmen (4 Sekunden): Halte nach dem Ausatmen den Atem 4 Sekunden lang an, bevor du mit dem nächsten Zyklus beginnst. Wiederhole dies mehrere Male.

Entspanne deine Sinne

Bei nächtlichen Angstzuständen können die Sinne überempfindlich reagieren, während der Körper in einen Alarmzustand gerät. Das kann deine Beschwerden verstärken, weshalb es wichtig ist, dies zu berücksichtigen. Entspanne dich, reguliere dein Nervensystem und nimm auf sinnliche Weise Kontakt mit dem Hier und Jetzt auf. Gehe folgendermaßen vor:

  • Hören: Bereite eine Playlist mit Musik vor, die Ruhe und Wohlbefinden ausstrahlt. Das können Umgebungsgeräusche wie fließendes Wasser oder Walgesänge sein.
  • Sehen: Finde etwas in deiner Umgebung, das dir neutral oder beruhigend erscheint, etwa ein Teddybär, eine Pflanze oder eine Lampe, die du einschalten kannst und deren Farben dich entspannen.
  • Schmecken: Ein Schluck kaltes Wasser oder der Genuss von Süßigkeiten oder Kaugummi kann dir helfen, deine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Empfindung zu lenken. Konzentriere dich auf den Geschmack und die Konsistenz, um deine Gedanken von der Angst abzulenken.
  • Riechen: Halte ein ätherisches Öl oder eine Duftkerze mit entspannenden Düften (wie Lavendel, Minze oder Kamille) bereit und atme mehrmals tief ein. Dufterlebnisse sind eng mit Emotionen verbunden und können beruhigend wirken.
  • Berühren: Konzentriere dich auf körperliche Empfindungen, wie die Textur der Bettwäsche oder deines Pyjamas auf deiner Haut. Du kannst auch etwas Weiches oder Tröstendes berühren, beispielsweise eine Decke oder einen Stressball. All dies hilft dir, deine Aufmerksamkeit auf die Texturen zu lenken und durch Berührung Energie freizusetzen.

Bereite einen Präventionsplan vor

Es gibt einen Aspekt, der dir helfen kann, die nächtlichen Angstzustände zu lindern. Die Emotionen, die du vor dem Schlafengehen erlebst, wirken sich oft darauf aus, wie du dich im Schlaf fühlst. Mit diesem Wissen kannst du deinen eigenen Entspannungsplan erstellen, damit dein Gehirn weniger hyperaktiv ist und du eine angenehmere Erholung hast. Hier sind einige Empfehlungen:

  • Übe Meditations- oder Achtsamkeitstechniken.
  • Vermeide die Nutzung von Bildschirmen zwei Stunden vor dem Schlafengehen.
  • Versuche, deinen Geist von den täglichen Sorgen abzuschalten.
  • Höre ruhige Musik, genieße einen Podcast, lies ein Buch oder verbringe Zeit mit deinem Haustier.
  • Sorge dafür, dass dein Schlafzimmer ein komfortabler Schlafplatz mit optimaler Temperatur, Licht- und Geräuschpegel ist. Erwäge auch den Einsatz von Verdunklungsvorhängen, Ohrstöpseln oder Geräten mit weißem Rauschen, um deine Schlafqualität zu verbessern.

Was tun, wenn es schwierig wird, nächtliche Angstzustände zu kontrollieren?

Es kann sein, dass die beschriebenen Strategien nicht ausreichend sind. Schließlich behandeln wir die Symptome, aber nicht die Wurzel des Problems. Daher ist es wichtig zu verstehen, dass du zur Beruhigung eines nächtlichen Angstanfalls die möglichen Auslöser kennen musst, um deren Auswirkungen so weit wie möglich zu reduzieren. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Traumata
  • Panikstörungen
  • Substanzgebrauch
  • Obstruktive Schlafapnoe
  • Angst- und Stimmungsstörungen
  • Erkrankungen wie Asthma, chronische Schmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Lebensstilfaktoren wie Koffeinkonsum, Schlafmangel und übermäßiger Stress

In diesem Zusammenhang weist die Zeitschrift Psychiatry Research darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Menschen, die an einer Panikstörung leiden, nächtliche Angstzustände erleben. Ein häufiges Phänomen ist die „Angst vor Wachsamkeitsverlust“, was bedeutet, dass man unbewusst glaubt, in diesem Zustand nicht auf Bedrohungen reagieren zu können. Glücklicherweise gibt es professionelle Möglichkeiten, diesen Situationen entgegenzuwirken.

Nächtliche Angstzustände: anwendbare Therapieansätze

Um einen nächtlichen Angstanfall zu bewältigen, ist es ratsam, dieses Problem im psychotherapeutischen Rahmen zu bearbeiten. So klärst du die Ursachen dieser Erlebnisse und kannst dich besser fühlen. Im Allgemeinen geht der methodische Ansatz immer von einer guten Diagnose aus. Hier sind die am häufigsten verwendeten Modelle:

Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)

Eine in Focus veröffentlichte Studie zeigt die positiven Ergebnisse einer auf CBT basierenden Intervention zur Behandlung von Angststörungen. Folgende Hilfsmittel werden üblicherweise eingesetzt, wenn du unter nächtlichen Panikattacken leidest:

  • Entspannungs- und Atemtechniken: Du lernst Atemtechniken (z. B. Zwerchfellatmung) und Muskelentspannung, um dich zu beruhigen und die Intensität der Angstsymptome zu reduzieren.
  • Training der Bewältigungsstrategien: Dein Therapeut arbeitet mit dir zusammen, um effektive Strategien zu entwickeln und zu integrieren, die du anwenden kannst, wenn du den Beginn einer Angstattacke spürst.
  • Interozeptive Exposition: Bei dieser Methode geht es darum, die körperlichen Empfindungen zu akzeptieren, die während eines Angstanfalls gefürchtet werden (z. B. Schwindel, Herzklopfen oder Atemnot). Indem du diesen Erfahrungen Raum gibst, gewöhnst du dich an diese Empfindungen, ohne in Panik zu geraten.
  • Katastrophale Gedanken erkennen und umstrukturieren: Viele Menschen mit Angstanfällen erleben verzerrte oder irrationale Gedanken, wie die Angst, während eines Angriffs zu sterben oder die Kontrolle zu verlieren. CBT hilft dir, diese automatischen Gedanken zu identifizieren und sie durch realistischere und rationalere Interpretationen zu ersetzen.

Akzeptanz- und Bindungstherapie (ACT)

ACT ist ein Ansatz, der sich darauf konzentriert, negative Gedanken und Emotionen zu akzeptieren, anstatt zu versuchen, sie zu verändern. Ein erster Schritt wäre, die Funktion von Angst zu verstehen und eine kognitive Entschärfung bei ängstlichen Gedanken anzuwenden. Das bedeutet, sie nicht zu verstärken und die verzerrende emotionale Komponente zu minimieren.

Ebenso sind der Einsatz von Achtsamkeit, die Arbeit an Erfahrungen der Angstvermeidung und die Förderung kognitiver Flexibilität empfehlenswerte Ansätze.

Psychopharmaka

Obwohl Psychotherapie die Grundlage der Behandlung zur Beruhigung nächtlicher Angstanfälle ist, können in einigen Fällen Psychopharmaka verschrieben werden. Anxiolytika oder Benzodiazepine verringern in der Regel die Intensität der Symptome und verbessern die Ergebnisse einer psychologischen Therapie. Zögere nicht, immer mit Fachleuten zu sprechen, bevor du Medikamente einnimmst.

Nächtliche Angstzustände können überwunden werden!

Angstattacken in der Nacht sind schwächend, aber nicht gefährlich. Mit der richtigen Behandlung kannst du sie reduzieren. Entscheidend ist, dass du dieses Problem nicht ignorierst und versuchst, Veränderungen herbeizuführen. Die Anwendung flexiblerer, gegenwartsorientierter Denkmuster sowie Entspannungs- und Bewältigungstechniken sind gute Verbündete.

Vergiss auch nicht, Selbstmitgefühl zu praktizieren. Verbinde dich mit dir selbst durch Respekt, Bestätigung und Wertschätzung. Die Unterstützung durch dein Umfeld und die professionelle Begleitung werden deine tragenden Säulen sein.


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