Leiden macht dich nicht zu einem besseren Menschen

Leiden macht dich nicht zu einem besseren Menschen

Letzte Aktualisierung: 12. März 2017

All mein Schmerz wird belohnt werden. Das Leben wird alle auf ihren rechten Platz verweisen, besonders die Menschen, die mich hintergangen haben. Ich muss leiden, weil ich dann eines Tages belohnt werde. Vielleicht genieße ich das Leben gerade nicht, aber eines Tages wird es so weit sein, denn das Universum oder Gott wissen über all die schlechten Dinge, die passiert sind, Bescheid. Leiden ist nützlich, denn gute Menschen leiden und das sind diejenigen, die am Ende gewinnen.

Kommen dir diese Sätze bekannt vor? Sie sind Teil einer öffentlichen Diskussion, die sich seit Jahren wiederholt. Sie sind so verbreitet, dass ich mir sicher bin, dass du an schon an sie gedacht hast oder sie sogar als deine eigene Perspektive angenommen hast. Es ist die Vorstellung, dass Glück eine Belohnung für dein Leid ist und nicht für die freundlichen, pro-aktiven Handlungen, die du ausführst. Es ist das Erbe unserer jüdisch-christlichen Wurzeln. Gute Menschen leiden – für sich selbst und für andere.

Die Experten der klinischen Psychologie sehen viele depressive Patienten, die von dieser irrationalen Vorstellung bei allem, was sie tun, beeinflusst werden. Das ist als Heaven’s Reward Fallacy  bekannt und ist der Glaube, dass deine guten Taten von einer magischen oder irrationalen Person belohnt werden.

Deine Taten sind mächtiger als jedes Karma

Warte nicht auf Gelegenheiten; erschaffe sie, nutze sie und mache das Beste aus ihnen. Das erfordert Ausdauer, Selbstdisziplin und Stärke. Du musst dem Missbrauch durch andere Grenzen setzen.

Schmerz und Entmutigung sind Teil des Lebens und sie als solche zu akzeptieren, wird deine emotionale Gesundheit verbessern. Du wirst wissen, wie du mit ihnen umgehen und sie konfrontieren kannst, sodass sie nicht chronisch und störend werden. Allerdings nehmen wir Leid manchmal als eine authentische Art zu leben an.

Wir gewöhnen uns daran, uns zu beschweren und nehmen eine Opferrolle ein, denn wir haben das Gefühl, dass das Leben das Prinzip von Gegenseitigkeit nicht erfüllt. Wir umarmen und das Leben versetzt uns einen Schlag. Als ob das Leben in unseren Wünsche läge, als wäre es nicht eine Quelle unvorhersehbarer Ereignisse, die ihren eigenen, undurchsichtigen, seltsamen Gesetzen folgen.

Wenn das Karma wirklich mächtiger als deine angebrachten und gerechten Handlungen wäre, dann würden Menschen, die ständig Schaden zufügen, genauso sehr leiden wie diejenigen, die diesen Schaden erleben, und nicht umgekehrt. Du musst dich nur einmal kurz umsehen, um zu bemerken, dass die Welt weit davon entfernt ist, gerecht zu sein, weit davon entfernt, diejenigen zu belohnen, die leiden. Wie solltest du dich also verhalten?

Leiden macht dich nicht unbedingt stärker

Zu denken, dass das Leben dir all die guten Dinge gibt, die du brauchst und verdienst, wenn du leidest, ist genauso wie zu denken, dass du Sachen mit Papier kaufen kannst, wenn du es Geld nennst. Das ist eine verblendete Sichtweise, die wir uns selbst auferlegen, als ob Leid ein Segen wäre.

Viele Menschen werden nervös, wenn alles ruhig und gut läuft. Sie sind ständig alarmiert und unbefriedigt, als ob diese Einstellung ihnen Vorteile bringen würde. Als ob man in der Zukunft glücklicher wäre, wenn man ständig an sie schlechten Dinge, die passieren könnten, denkt.

Wir müssen leiden, sensibel, wir vergeben kritisches Denken und Satire nur sehr selten. Wir sind gemacht, um zu leiden, andere zu bedauern und fromm zu sein. Und leiden macht uns nicht stärker, es schwächt uns eher. Genauso wie Armut, die, anstatt Wut, Feindseligkeit oder den Geist der Revolution zu erwecken, uns einfach nur schwächer macht, uns unsere Stärke und Fähigkeit zu handeln nimmt.

Marta Sanz

Psychologen analysieren systematisch, wie fest verankert diese Art zu denken und zu handeln ist. Oft finden sich die Wurzeln innerhalb der Familie. Bestrafung bringt Kindern nichts bei, wenn sie nicht zusammen mit einer stärkenden oder positiven Praxis einhergeht.

Das Kind sollte verstehen, dass es den Schaden, den es angerichtet hat, reparieren muss, um das auszugleichen, was es falsch gemacht hat. Oder dass es etwas Positives tun muss, um das zu kompensieren. So eine Kompensation sollte sofort im Anschluss an das unerwünschte Verhalten stattfinden. Wenn es einfach nur bestraft wird, um zu leiden, dann wird es lernen, dass die Wiedergutmachung von Schaden im Aushalten von Leid besteht. Es lernt somit schon von klein auf, dass passives Leiden das Richtige ist.

Ersetze Selbstbestrafung durch wertvolle Taten

Wenn du etwas Besseres in deinem Leben willst, dann benutze die Strategien und Fähigkeiten, die du besitzt. Dazusitzen und darauf zu warten, dass die Welt deinen Schmerz erkennt und dich für ihn belohnt, ist nicht der richtige Weg.

Depression basiert oft auf dem Empfinden von gelernter Hilflosigkeit: Du denkst, dass sich nichts verbessern wird, egal was du tust, denn das hat es noch nie getan. Es ist an der Zeit, über deine vorherigen Strategien nachzudenken. Reflektiere darüber, ob du eine passive Einstellung gegenüber deinen Problemen hattest und das Handtuch schon bei der kleinsten Schwierigkeit geworfen hast, oder ob du dich deinen Problemen aktiv gestellt hast.

Leid tendiert dazu, noch mehr Leid anzuziehen. Es schwächt dein Immunsystem, welches die Energie verliert, um dich Situationen mit echter Gefahr zu stellen, denn du befindest dich konstant in einem Zustand von Anspannung und Misstrauen.

Wenn du dich verbessern oder deinen inneren Schmerz heilen willst, dann warte nicht darauf, belohnt zu werden, nur weil du durch eine harte Zeit gegangen bist. Wenn du Unterstützung willst, dann musst du rausgehen und sie finden. Traurigkeit und mangelnde Aktivität machen süchtig. Hör auf zu leiden. Es macht dich nicht zu einem besseren Menschen, es führt nur zu Schmerz für dich und deine Lieben.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.