Kurz vor dem Ruhestand: Was wird nun aus meinem Leben?
Der Ruhestand ist einer dieser paradoxen Momente, in denen ein immenser Verdienst und ein großer Verlust gemeinsam auftreten. Genau aus diesem Grund ist es nicht ungewöhnlich, dass sich viele Menschen an dem Punkt, an dem der Arbeitszyklus für sie endet und eine Etappe der Stabilität beginnt, verwirrt fühlen und sich viele Fragen stellen.
Streng genommen wird der Ruhestand als die endgültige Beendigung des aktiven Arbeitslebens definiert, und zwar aufgrund des Alters oder der gesundheitlichen Bedingungen, die das Fortführen der Arbeit nicht zulassen. Welche Auswirkungen dies auf den zukünftigen Ruheständler hat, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. In jedem Fall stellt es jedoch eine entscheidende Veränderung dar.
Die Dimension der Arbeit ist eine der Achsen, auf denen unser Leben aufgebaut ist. Grundsätzlich organisieren wir unsere tägliche Routine rund um die Arbeitszeit. Diese bestimmt unsere Kalender und tagtäglichen zeitlichen Abläufe. Und Zeit ist alles. Ebenso markiert unsere Arbeit auch unsere Ziele, beeinflusst maßgeblich unsere Selbsterkenntnis und das Gefühl, ob wir im Leben versagt haben oder erfolgreich sind. Aus diesem Grund verdient es der Ruhestand, als ein Punkt einer entscheidenden Wendung, der Anfang eines guten Plans betrachtet zu werden.
“Je mehr Sand durch die Sanduhr unseres Lebens läuft, desto klarer sollten wir durch das Glas sehen können.”
Jean-Paul Sartre
Der Ruhestand als ein Prozess der verschiedene Phasen durchläuft
Während des Prozesses des Ruhestands werden verschiedene Phasen durchlaufen. Jede von ihnen ist ein Schritt auf dem Weg zur Anpassung an neue Lebensbedingungen. Dies ist zweifelsohne kein leichter Weg. Doch er wird in jedem Fall einfacher begehbar, wenn genügend Informationen vorhanden sind, um sich auf das, was kommt, einzustellen.
Die Phasen des Ruhestands sind folgende:
- Der Vorruhestand. Dieser entspricht jenem Stadium, in dem die Person beginnt, sich daran zu gewöhnen, dass das Arbeitsleben bald zu Ende gehen wird. Es einstehen diffuse Ideen darüber, was dann geschehen wird.
- Die Neuheit. Wenn eine Person ihren Job verlässt, tritt üblicherweise ein extremer Enthusiasmus auf, der darauf beruht, nun mehr Zeit für Dinge zu habe, die sie wirklich genießt.
- Die Enttäuschung. Diese tritt normalerweise nach ein oder zwei Monaten im Ruhestand auf. Depressionen, Hyperaktivität und Angst wechseln sich ab. Das neue Leben scheint die Erwartungen nicht zu erfüllen.
- Die Neuorientierung. Dies ist eine Phase, in der die Erwartungen, die an diesen neuen Lebensabschnitt gestellt wurden, angepasst werden müssen. Die Situation wird nochmal überdacht und die neuen Ziele und Vorhaben werden nun realistischer definiert.
- Die Anpassung. Sie umfasst die Phase, in der neue Routinen entstehen und ein neues Projekt für das Leben, in kurz- und in langfristiger Hinsicht, entsprechend der neuen Bedingungen, in denen der Ruehständler nun lebt, konzipiert wird.
Nicht jeder Mensch erlebt diese Phasen auf die gleiche Art und Weise, in der Reihenfolge wie wir sie eben beschrieben haben. Einige wissen bereits, was sie tun werden, wenn sie in den Ruhestand gehen und müssen nicht all diese Höhen und Tiefen durchleben. Andere wiederum beginnen diese Lebensphase sehr verwirrt, ohne genau zu wissen, was sie von nun an tun oder erwarten sollen.
Wie tritt man dem Ruhestand richtig gegenüber?
Die Veränderung der Zeitpläne, der Routinen und der Umgebung wird schließlich einer neuen, lebenswichtigen Disposition weichen. Der Ruhestand erfordert normalerweise eine geringere Aktivität, doch paradoxerweise gleichzeitig auch eine größere Initiative, zumindest hinsichtlich des Aufbaus einer neuen Routine. Ebenso kann es sein, dass wir einen Prozess der Trauer um Plätze, die wir zurücklassen, Arbeitskollegen, die nun keine mehr sind, und Aufgaben, die wir nun nicht mehr erledigen müssen, durchstehen müssen.
Trotz alledem dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass das Erreichen des Ruhestandes an und für sich eine große Leistung ist. Wenn wir ihn richtig angehen, kann dies ein schöner Lebensabschnitt werden, in dem neue Wege gefunden werden können, um Errungenschaften zu erzielen, für die bislang keine Zeit blieb. Es gibt einige Maßnahmen, die dazu beitragen können, dieser Erfahrung eine positive Bedeutung zu geben:
- Bereite dich gewissenhaft auf den Ruhestand vor. Die Vorbereitung sollte im letzten Jahr deiner Arbeit beginnen und besteht nicht darin, über die Zukunft zu jammern, sondern die Alternativen zu analysieren, die sich in dieser neuen Phase des Lebens ergeben können.
- Mach eine Liste, die alles enthält, das du gern tun würdest. Dazu gehören große, mittelgroße genauso wie kleine Träume. Wir sprechen hier von einer Liste, die alles enthält, was du aus Zeitmangel noch nicht früher gemacht hast.
- Ein aktiver Vorruhestand. Du musst nicht damit warten, bis du wirklich in den Ruhestand gehst, um die Projekte zu verwirklichen, die du nach Beendigung deiner Arbeit angehen möchtest. Beginne damit bereits ein oder zwei Jahre vor dem endgültigen Abschied von der Arbeit.
- Stärke deine sozialen Beziehungen. Die Zeit des Ruhestands ist hervorragend dafür geeignet, Freundschaften zu stärken. Sicherlich gibt es viele Menschen, die sich in einem ähnlichen Zustand befinden wie du und es ist eine gute Idee, mehr Zeit damit zu verbringen, sich um die Menschen in deinem Umfeld zu kümmern.
- Ändere deinen Fokus. Halte dich nicht an der Vergangenheit fest, sondern blicke stets nach vorn. Was einmal war, das war einmal. Am besten ist es, dich auf das zu konzentrieren, was noch kommt, und dich dafür zu begeistern, was du in Zukunft noch machen wirst.
Keine große Transformation des Lebens findet ohne emotionalen Schmerz statt, ohne eine bestimmte Form des Leidens. Wir müssen uns dessen bewusst sein. Aber der Ruhestand bringt vor allem Aspekte mit sich, die neu und aufregend sind, wenn wir ihnen gegenüber offen bleiben und bereit sind, diese zu erforschen.