Krach an Weihnachten? Das muss nicht sein!
Du hast dir mal wieder so viel Mühe gegeben. Die fancy Weihnachtsdeko, das feine Essen, die liebevoll verpackten Geschenke. Sogar eine neue Playlist hast du zusammengestellt, damit er perfekt wird, der Weihnachtszauber. Es hätte schön sein können. Und dann ist es passiert: Eine daher gesagte Bemerkung deiner Schwester erwischt dich wie ein Schlag in die Magengrube. Du wirst emotional. “Hey Sandra, jetzt bleib doch mal entspannt!” prollt dir dein Bruder ins Ohr und zwickt dir mit seinem blöden Grinsen gut gelaunt in die Backe. Mit seinem großbrüderlichen Gehabe gießt er bei dir nur Öl ins Feuer. Du wehrst ihn ab. Jetzt mischt sich deine Mutter ein. Du hörst sie sagen: “Kannst du dich nicht wenigstens einmal zusammenreißen? Oder willst du uns mal wieder das Weihnachtsfest verderben, so wie jedes Jahr?”. Das ist zu viel. Heulend verlässt du das Zimmer.
Auch wenn du deine Familie nicht verändern kannst: Eskalationen wie diese müssen nicht sein. Hier
- erfährst du, weshalb es an Weihnachten so oft kracht
- erkennst du, wo du in der Vorweihnachtszeit Kraft und Ressourcen sparen kannst, die du für die herausfordernde Zeit mit deiner Familie dringend brauchst
- helfen dir 10 Tipps dabei, friedlich durch die Weihnachtsfeiertage zu kommen.
Weshalb es an Weihnachten so oft kracht
1. Zu viel zu tun
Klar, heutzutage hat man immer viel um die Ohren. In der Vorweihnachtszeit nimmt der Stresspegel aber nochmals richtig zu: Eine ganze Batterie von Weihnachtsvorbereitungen wartet darauf, gewuppt zu werden – vom Adventskalender basteln bis zum Zimtsterne backen. Zusätzlich musst du noch die Weihnachtsdeko machen, Geschenke kaufen, Päckchen packen, Karten schreiben, das Festessen planen, den Weihnachtsbaum kaufen und schmücken. Und dann noch die vielen Termine zur Optimierung deines optischen Selbst. Denn spätestens an Heiligabend möchtest du aussehen, wie aus dem Ei gepellt. Kein Wunder, dass du bei all dem gestresst, genervt und dünnhäutig wirst. Keine gute Basis für herausfordernde Familienkonstellationen. Der Zoff unterm Weihnachtsbaum ist damit schon fast vorprogrammiert.
2. Von hundert auf null
Nicht nur in der eigenen „Weihnachtswerkstatt“ gibt es in der Adventszeit viel zu tun. Auch im Job häuft sich die Arbeit. Es muss ja noch so viel vor Jahresende fertig werden! Überstunden gehören vor Weihnachten bei vielen zur Tagesordnung, ebenso wie die Nachtschicht bei den Weihnachtsvorbereitungen. Und so düst du mit gefühlt 180 km/h auf das Weihnachtsfest zu – nur um dann an Heiligabend eine Vollbremsung hinzulegen. Ohne gutes ABS gelingt dieses Kunststück nur selten. Stattdessen gerätst du ins Schlingern und bist schnell auf Kollisionskurs mit dem Weihnachtskrach.
3. Alle aufeinander
Weihnachten ist ein Familienfest. Schön und harmonisch soll es dann sein. Die Wiedersehensfreude ist in vielen Familien aber nur von kurzer Dauer. Zu schnell beginnen die „Nervfaktoren“ zu wirken – vor allem, wenn man tagelang aufeinander hockt. Der fehlende Abstand lässt nicht nur dich schnell genervt und empfindlich werden. Auch die anderen werden zunehmend gereizt. Oft reicht dann ein falscher Atemzug und die Situation eskaliert.
4. Weihnachtsillusion
Weihnachten steckt voller überhöhter Erwartungen. Unzählige Hollywoodfilme haben das Bild vom perfekten Weihnachten in unsere Köpfe und Herzen eingebrannt. Abweichungen vom weihnachtlichen Ideal sind nur schwer auszuhalten. Auch kleine Störungen können dann schnell zum Drama werden.
5. Wunschdenken und das wahre Leben
Hegst du insgeheim auch diesen Wunsch? Dass wenigstens zu Weihnachten alle gut miteinander sind? Dumm nur, dass die Realität eine ganz andere ist: Belastende Themen in eurer Familie sind nicht Schnee von gestern, nur weil heute Weihnachten ist! Fakt ist: Alte Familiendynamiken wirken auch und besonders an Weihnachten. Schnell kann es beispielsweise dann passieren, dass du mal wieder zum schwarzen Schaf der Familie mutierst, während dein Bruder wie immer das Lieblingskind ist.
6. Perfekte Weihnachtsinszenierungen
Während es bei dir zu Hause mal wieder kracht, wird in den sozialen Netzwerken das perfekte Weihnachtsfest inszeniert. Spätestens jetzt ist dir nur noch zum Heulen zumute! Alles, was du wolltest, war ein schönes Weihnachtsfest – so wie auf den vielen Fotos, die du enttäuscht und traurig betrachtest. Im inszenierten Glück der anderen wird dir überdeutlich, wie ungut ihr als Familie funktioniert. Das tut weh und macht dich anfällig für seelische Durchhänger.
10 Tipps, die dabei helfen, dass es an Weihnachten friedlich bleibt
1. Den Fokus ändern
Weihnachten ist schön und herausfordernd zugleich. Das gilt insbesondere dann, wenn du ein perfektes Weihnachtsfest erwartest. Überlasse dieses Jahr das perfekt inszenierte Weihnachtsfest den Filmemachern in Hollywood und den Influencern auf Instagram! Denn wenn du dein eigenes Weihnachtsfest ständig mit dem der anderen vergleichst, dann ist es kein Wunder, dass du Frust schiebst und unzufrieden wirst. Leg am besten eine Insta-Pause ein! Stattdessen: Lenk den Fokus auf das, was gelingt bei dir und wofür du dankbar sein kannst:
- Deine wohlgeratenen Kinder – trotz dieser Schwiegereltern!
- Deine bemerkenswerten Kochkünste – obwohl dich mal wieder niemand lobt.
- Deine liebevoll eingerichtete, gemütliche Wohnung – auch wenn deine Schwester in einer Villa residiert.
- Das Dach über dem Kopf und das warme Bett, in dem du schläfst – denn schon das allein ist keine Selbstverständlichkeit.
Du wirst schnell merken: Dankbarkeit ist das beste Gegenmittel gegen selbstgemachte Unzufriedenheit, die daraus entsteht, dass du ständig danach schielst, was dir zum perfekten Glück noch fehlt.
2. Den Druck rausnehmen
Nimm dir selbst Druck aus den Weihnachtsvorbereitungen. Hinterfrage, was du insbesondere von dir selbst erwartest:
- Muss die Tischdeko unbedingt selbstgebastelt sein?
- Müssen alle Geschenke von dir eingepackt werden – auch wenn du das ganz besonders kunstvoll machst?
- Reichen nicht auch weniger Gänge? Letztlich schimpfen doch eh fast alle, dass es viel zu viel zu essen gibt.
Gönne dir, es dir leichter zu machen. Das schont dein Zeitbudget und deine Nerven.
3. Um Unterstützung bitten
Weihnachten ist ein gemeinschaftliches Fest. Weshalb soll dann alles nur an dir alleine hängen? Auch wenn du dich bis jetzt immer um alles gekümmert hast: Bitte dieses Jahr konkret um Unterstützung.
- Wer steuert die Vorspeise bei, wer das Dessert?
- Wer kann die Tischdeko übernehmen?
- Wer ist bereit, den Einkauf zu machen?
Die aktive Einbindung von Familienmitgliedern wirkt sich häufig auch auf psychologischer Ebene positiv aus: So werden alle mitverantwortlich für das Weihnachtsfest und ziehen am gleichen Strang!
4. Bewusste Auszeiten
Gut auf sich zu achten, ist wichtig. Besonders dann, wenn wie an Weihnachten der Stresspegel steigt. Andernfalls kann dir schnell die Puste ausgehen, noch bevor es Heiligabend ist. Gönne dir deshalb täglich ein klar definiertes Zeitfenster, in dem du wieder zur Ruhe kommst und Ausgleich findest. Das können Dinge sein wie:
- Ein Spa-Besuch am Wochenende
- Eine gemütliche Tasse Tee mit ein paar Plätzchen
- Ein entschleunigter Spaziergang draußen im Schnee
- Eine Viertelstunde Yoga
Das Entscheidende ist: Tu etwas, das dir wirklich gut tut!
5. Klare Abmachungen
Weihnachten ist dann für alle gut, wenn es auch für alle passt. Es lohnt sich, schon vor Weihnachten zu klären, wie ein passgenaues Weihnachtsfest aussehen kann. Diese Fragen helfen euch weiter:
- Wer braucht was an Weihnachten, damit sich alle wohlfühlen können?
- Müssen wir wirklich alles zusammen machen?
- Wie können wir Ich-, Du- und Wir-Zeiten schaffen, sodass daraus ein harmonisches Ganzes wird?
Nicht nur ein ehrlicher Austausch, über das, was man braucht, ist wichtig. Wichtig ist auch die Akzeptanz von Verschiedenheiten sowie klare Absprachen im Hinblick auf das, was genau gemacht werden soll.
6. Wirklichkeit akzeptieren
Auch wenn ein kindlicher Teil von dir es gerne anders hätte: Nur weil Weihnachten ist, herrscht nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Die Realität ist: Ungelöste Familienkonflikte lösen sich nicht plötzlich auf und Angehörige durchlaufen keine wundersame Verwandlung. Wie so häufig gilt auch hier: Die Erlösung im Außen zu suchen, ergibt wenig Sinn. Richte stattdessen deinen Fokus nach innen. Geh in Kontakt mit deiner kindlichen Sehnsucht, dass irgendwann doch noch alles gut wird bei euch.
Sich deiner kindlichen Sehnsucht zu stellen, kann ziemlich wehtun. Gleichzeitig kann das auch sehr heilsam sein. Wenn du schon Innere Kind-Arbeit gemacht hast: Kümmere dich insbesondere jetzt in der Vorweihnachtszeit um deine:n Kleine:n! Je tragfähiger der Kontakt zwischen deinen erwachsenen Anteilen und deinem Inneren Kind ist, umso mehr wird dich das durch die herausfordernde Zeit mit deiner Familie tragen.
7. Auspacken – Geschenke ja, Konflikte nein
Hast du auch immer wieder diese verwegene Fantasie, deiner nervigen Verwandtschaft mal reinen Wein einzuschenken? Ihr den Spiegel vorzuhalten und Tacheles zu reden, damit sich endlich mal was bewegt? So gut es auch ist, Beziehungsstörungen anzusprechen – Weihnachten ist ein maximal ungünstiger Zeitpunkt dafür. Vergiss daher ganz schnell den Impuls, alte Kamellen an Weihnachten aufzuwärmen oder kritische Themen als Überraschungsdessert zu servieren. Stattdessen: Übe dich im Aushalten – zumindest für den Moment.
Klärungsgespräche solltest du erst nach Weihnachten führen. Am besten lässt du dich dann fachkundig begleiten dabei. Die passende Unterstützung findest du bei erfahrenen Paar- und Familientherapeut:innen und auf Familienthemen spezialisierte Mediator:innen.
8. Das Thema wechseln
Es gibt Themen, bei denen man sehr schnell auf sehr dünnes Eis gerät. Politische und weltanschauliche Themen zählen insbesondere dazu. Schneller als man gucken kann, wird es dann hitzig und der Zoff ist quasi vorprogrammiert. Achte darauf, wann euer Austausch auf Abwege gerät und versuche, die Kuh vom Eis zu holen, bevor es kracht. Leite freundlich zu einem Thema über, das Ruhe in den Karton bringt und die Gemüter entspannen lässt. Mögliche Themen können sein:
- Euer Haustier
- Geplante Urlaubsreisen
- Lustige Erlebnisse
9. Einatmen und innehalten
Dein Bruder bringt mal wieder einen seiner unterirdischen Sprüche und innerlich gehst du ab wie ein Zäpfchen? Oft reichen schon ein paar tiefe und langsame Atemzüge, um ruhig zu werden. Insbesondere dann, wenn die Situation zu eskalieren droht. Dein Atem ist ein wunderbares Vehikel, wenn es darum geht, deinen Stress zu regulieren und hilft besser, als Beruhigungstabletten oder der hastige Griff zum Weinglas.
10. Abstand schaffen
Du schaffst es nicht, den Stress wegzuatmen, weil es zu sehr wummert in dir? Dann drück den Pausenknopf und verschaffe dir Abstand zu dem, was dich gerade so sehr stresst. Am besten verlässt du den Raum und gehst nach draußen. Lauf um den Block oder mach ein paar Übungen, die dein Nervensystem beruhigen.
Damit die anderen sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlen: Wenn du aufstehst und gehst, achte darauf, das aus einer gefassten Energie zu machen.
Literaturempfehlung:
Wertschätzend Klartext reden: Gelingend kommunizieren in Beruf und Alltag, Piroska Gavallér-Rothe, BoD, 2019
Weihnachtszauber diesmal anders
Du siehst: Du kannst eine Menge tun, damit sich die Chancen erhöhen, dass es an Weihnachten friedlich bleibt. Die Zauberworte sind hierbei:
- Ressourcen schonen
- Mitverantwortung fördern
- Ein guter Umgang mit dir selbst
Sollte es trotz dieser Tipps sehr schmerzhaft bleiben oder wieder ordentlich krachen: Dann nimm das ernst und lass dich begleiten. Auch wenn du die grundlegenden Abläufe in deiner Familie nur bedingt ändern kannst – wie sie auf dich wirken, das liegt in deiner Hand! Wenn du es schaffst, mehr und mehr bei dir zu bleiben, unabhängig davon, was deine Familie tut, geschieht vielleicht doch noch das Weihnachtswunder – und Weihnachten wird auch bei euch ein kleines bisschen heiler.