Irrationale Selbstansprüche durch soziale Netzwerke
Soziale Netzwerke sind Schaufenster, die uns zum Vergleich drängen. Sie sind unterhaltsam und informativ, haben jedoch auch ihre Schattenseiten. Viele Teenager nutzen TikTok & Co. als Spiegel, um ihr Selbstbild zu konstruieren. Sie sehen darin einen kleinen Ausschnitt aus einer scheinbar perfekten Welt. Filter und andere Tricks verschleiern die Wirklichkeit, sorgen jedoch für zahlreiche Likes. Daraus entstehen in vielen Fällen irrationale Selbstansprüche, die durch den (krankhaften) Versuch, dieselbe Perfektion zu erreichen, die eigene Identität zerstören.
Perfektionismus macht nicht glücklich, er führt viele an den Abgrund der Angst und Depression.
Die Kultur des Unglücklichseins: irrationale Selbstansprüche und soziale Netzwerke
Hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen, ist in unserer Gesellschaft eine erwünschte Eigenschaft. Wer allerdings die Grenze überschreitet und das Gleichgewicht verliert, driftet in Leid und Selbstverleugnung ab. Zwanghafte und anspruchsvolle Perfektionisten verfolgen unrealistische Ziele, die sie immer wieder zum Scheitern verurteilt. Gefühle von Unzulänglichkeit, Fehlbarkeit, Selbstabwertung und eine langsame Vernichtung des Selbstwertgefühls sind die Folgen.
Wir leben in einer Kultur, die uns ständig unter Druck setzt, besser zu sein. Werbung, Film, Mode, soziale Netzwerke… all diese Szenarien verlangen einen sehr hohen, realitätsfernen Standard. Werden wir diesem nicht gerecht, fällt es uns schwer, uns zu akzeptieren und zu lieben, denn wir sehen im Vergleich mit anderen nur Mängel und Fehler. Irreale Selbstansprüche verursachen großes Leid, wir sollten diesem Thema deshalb mehr Aufmerksamkeit schenken.
Junge Menschen sind zunehmend perfektionistisch und stellen hohe Selbstansprüche
Untersuchungen der Universität Bath zeigen, dass die jüngere Generation perfektionistischer ist als ihre Eltern. Jahrzehnt für Jahrzehnt nimmt dieser Persönlichkeitsfaktor zu – soziale Netzwerke scheinen diese Tendenz zu fördern. Um diesen Zusammenhang zu verstehen, muss man eine Reihe von Faktoren berücksichtigen.
Jugendliche verbringen viel Zeit vor Bildschirmgeräten, im Durchschnitt etwa fünf Stunden am Tag, viele sogar mehr. Junge Menschen zwischen 13 und 29 Jahren bauen ihre Identität in Szenarien wie Instagram, YouTube, TikTok, Twitch usw. auf.
Diese virtuellen Welten werden von Menschen bewohnt, die eine perfekte Existenz führen, ein attraktives Image haben und außergewöhnliche Dinge erreicht haben (z. B. Millionen von Followern). Die Helden des 21. Jahrhunderts sind größtenteils Influencer, mit denen sich junge Menschen vergleichen. Hier beginnen die irrealen Selbstansprüche: Sie möchten auch einen perfekten Körper haben und dieselben Ziele erreichen wie jene Influencer, die ihnen als Vorbild dienen.
Der irreale Perfektionismus, den uns soziale Netzwerke vor Augen halten, drängt uns dazu, vollkommen zu sein – ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Bann sozialer Netzwerke und selbstkritischer Perfektionismus
Hohe Selbstansprüche und soziale Netzwerke ziehen die Grenze, an der die psychische Gesundheit zusammenbricht. Wir müssen verstehen, dass sich hinter vielen Essstörungen von zwanghaftem Perfektionismus bis zu kognitiver Starrheit oder Kontrollbedürfnisse verbergen.
Szenarien wie Instagram ziehen viele junge Menschen an, die im Kern bereits ein geringes Selbstwertgefühl haben. Wenn diese Jungen und Mädchen einer mit Filtern verschönten Welt der Perfektion ausgesetzt sind, werden sie oft zu pathologischen Verhaltensweisen ermutigt, um diese unmöglichen Körper oder Ziele zu erreichen.
Ängste, Depressionen oder Essstörungen eher entstehen, wenn der selbstkritische Perfektionismus verstärkt wird. Das heißt, es sind jene Dynamiken, in denen Betroffene keine Fehler tolerieren, in denen sie sich selbst bestrafen und verachten, weil sie nicht so sind wie ihre Altersgenossen, weil sie im Grunde unvollkommen sind, das heißt menschlich.
Strebst du nach Perfektion, muss alles, was du tust, makellos und fehlerfrei sein. Du bestrafst dich, wenn du zunimmst oder nicht attraktiv genug aussiehst ? Dann bist du in die Falle der Selbstüberforderung und des Unglücklichseins getappt.
Unsere Unvollkommenheit akzeptieren, das Heilmittel gegen Angst
Es gibt einen Grundsatz, der aus der Theorie des sozialen Vergleichs von Leon Festinger aus dem Jahr 1954 stammt: Menschen neigen von Natur aus dazu, sich mit anderen zu vergleichen. Manchmal nehmen wir die Realität um uns herum als Spiegel, in dem wir uns selbst betrachten und prüfen, welche Gemeinsamkeiten wir haben, und vor allem, was uns von denen unterscheidet, die wir beobachten.
Wir sehnen uns nach den Triumphen anderer, wir träumen von einem perfekten Körper und streben danach, so zu sein, wie unsere Kultur es vorschreibt. Das heißt, perfekt und erfolgreich. Nur wenige Erzählungen sind so trügerisch und verzerrt wie die Tyranneien, die uns auf Instagram, Facebook oder TikTok verkauft werden.
Wir müssen unseren Kindern von klein auf beibringen, sich selbst zu akzeptieren, nach dem zu streben, was sie wollen, aber auch tolerant gegenüber Unvollkommenheit zu sein. Irreale Selbstansprüche und soziale Netzwerke bilden diese Gleichung, vor der wir sie schützen müssen, indem wir sie in die gute Nutzung dieser Anwendungen einweihen und einen gesunden inneren Dialog fördern.
Wenn wir diese hohen Selbstansprüche reduzieren, nehmen wir Angst und Unbehagen die Nahrung. Psychisches Wohlbefinden ist primär die gesunde Fähigkeit, unsere Fehler zu tolerieren, um aus ihnen zu lernen. Seelische Ausgeglichenheit bedeutet, uns so zu schätzen, wie wir sind, mit unseren Tugenden und Unvollkommenheiten, ohne uns mit falschen Idealen zu beschäftigen, die auf Filtern und Halbwahrheiten beruhen.
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