Inzest - Ein Tabu, und trotzdem ein wiederkehrendes Phänomen

Inzest - Ein Tabu, und trotzdem ein wiederkehrendes Phänomen
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2023

Wir befinden uns mitten im 21. Jahrhundert, und doch ist Inzest nach wie vor ein relativ häufiges Phänomen. Es handelt sich allerdings um ein Thema, über das nur wenige Leute sprechen. Inzest wird im Allgemeinen verleugnet und das Gespräch beendet, bevor es überhaupt angefangen hat. Auch wird zu diesem Thema wenig berichtet. Ab und zu erfahren wir darüber durch die Nachrichten, nicht jedoch durch Recherchen von Experten.

Aber das hindert den Inzest nicht daran, weiterhin zu existieren. Und zur Überraschung vieler Menschen ist Inzest nicht immer Missbrauch im legalen Sinne des Wortes. Es gibt viele Geschichten von einvernehmlichem Inzest und sogar von Gruppen, die seine Legalisierung in Ländern wie der Schweiz fördern. Tatsächlich gibt es bereits (oder immer noch) einige Länder, in denen er legal ist – welche das sind, ist überraschend.

Auch wenn Inzest in den meisten westlichen Gesellschaften tabu ist, wird er immer noch praktiziert. Die häufigsten Fälle von Inzest betreffen Väter und ihre Töchter. Freud sah viele Patienten, die ihm von den inzestuösen Handlungen ihrer Väter erzählten, und das tun auch die Psychologen der heutigen Zeit. Inzest tritt aber auch zwischen Geschwistern und anderen Familienmitgliedern und sogar zwischen Müttern und Söhnen auf.

“Der Mensch ist 1 % Mensch und der Rest ist Tier, was viel Raum für undurchdringliches Territorium lässt. Beim Sex ist es menschlich, Inzest zu verbieten, und so soll es sein. Aber was ist mit allem anderen?”

Alexandre Kojève

Das Inzest-Verbot

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Kinder, die aus inzestuösen Beziehungen heraus geboren werden, eher genetisch bedingte Erkrankungen haben. Zwei Linien ähnlicher Gene reduzieren die Vielfalt der Erbanlagen. Dadurch wird die gesamte Art gefährdet, weil sie die Individuen schwächt und ihnen das Überleben erschwert. Aus genetischer Sicht ist Inzest also schlecht für das Überleben der Spezies. Deshalb gilt übrigens so manche Tierart bereits als ausgestorben, wenn die Anzahl der lebenden Individuen ein Minimum unterschreitet.

Porträtbild Sigmund Freud

Sigmund Freud behauptete, dass Inzest ein grundlegender menschlicher Impuls sei. Er glaubte, dass wir mit einer Neigung zu inzestuösen Beziehungen geboren würden. Doch in frühen menschlichen Gesellschaften, in denen Inzest nicht verboten war, führten wahllose sexuelle Beziehungen zwischen allen Mitgliedern auch zu wahlloser Gewalt. Vor allem die Männer begingen Mord an ihren eigenen Verwandten, nur um sexuellen Zugang zu deren Frauen zu erhalten.

Die Entwicklung der Familieneinheit führte zu exogamischen Mustern oder sexuellen Beziehungen mit Personen außerhalb der Familie. So konnten sich gesellschaftliche Organisationen entwickeln, in denen sich die Mitglieder nicht gegenseitig ermordeten. Die Familie trieb die Spezies in ihrer Entwicklung voran und ihre Kultur zur Blüte. Sie schuf Gesellschaften, die definierten, was erlaubt und was verboten ist. Die Vernunft hielt Einzug in menschliche Beziehungen, nicht nur Instinkte.

Inzest in der heutigen Welt

Heute gibt es zwei große Realitäten in Bezug auf Inzest. Die erste sind die abscheulichen Übergriffe gegen Kinder auf der ganzen Welt. Leider gibt es viele Erwachsene, die ihre Kinder täuschen oder einschüchtern, um ihre sexuellen Wünsche zu befriedigen. Oft waren sie einst selbst Opfer von Missbrauch.

Mädchen liegt auf Gestrüpp

Und dann gibt es noch die Fälle von “einvernehmlichem Inzest”. Es gibt eine berühmte Geschichte von einem Mädchen, das ihren Vater traf, als sie 17 Jahre alt war und sich mit ihm, bei offensichtlicher Zustimmung beider Parteien, romantisch einließ. Es gibt auch Geschichten über die gleiche Sache zwischen Geschwistern und anderen Verwandten.

Eine Zeitung in Spanien erzählte die Geschichte einer 30-jährigen Frau, die in einer Beziehung zu ihrem Vater stand. Ihr Psychologe sagte: “Sie war in einer zehnjährigen Beziehung mit ihrem Vater. Sie sagte mir, dass es eine schöne, transzendentale Erfahrung sei, dass er sie nie verletzt habe und dass sie es niemandem erzählt habe, weil niemand es verstehen würde. Es war ein Geheimnis zwischen ihnen. Ihre psychologische Beurteilung ergab, dass es ihr gut ging, dass sie geistig gesund war.”

Wenn wir an der Freud’schen Theorie festhielten, müssten wir sagen, dass unsere Kultur in ihrer symbolischen Auferlegung von Erlaubnis und Einschränkung versagt. In einigen menschlichen Gruppen triumphieren die tierischen Triebe über die Vernunft, und das Konzept der Gesellschaft zerbricht. In dieser Hinsicht gibt es viel zu kritisieren, aber eines sollte klar sein – die sexuellen Beziehungen zwischen einem Erwachsenen und einem Kind sind pervers und falsch, egal unter welchen Umständen. Und wenn das Kind ein Familienmitglied ist, sind die psychologischen Folgen noch schwerwiegender. Es gibt einige Grenzen, die nie überschritten werden sollten.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.