Homer - Biografie eines epischen Dichters

Homer - Biografie eines epischen Dichters
Guillermo Bisbal

Geschrieben und geprüft von dem Anthropologen Guillermo Bisbal.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Homer ist bekannt als einer der ersten Dichter des antiken Griechenlands, oder zumindest einer der ersten, dessen Werke bis heute erhalten sind. Wenn wir von Werken der klassischen Antike sprechen, müssen wir bedenken, dass die meisten im Laufe der Zeit verloren gegangen oder nur in Fragmenten zu uns gekommen sind. In der Antike gab es keinen Buchdruck und die Art und Weise, wie geschriebene Texte tradiert und bewahrt wurden, war kostspielig. Nach dem Fall des Römischen Reiches gingen die meisten literarischen Texte verloren, während dann im Mittelalter die Klöster für die Übersetzung und das Kopieren griechischer und lateinischer Texte verantwortlich waren und so dazu beitrugen, dass wir sie heute noch lesen können.

So wird geschätzt, dass es in Rom bis zu 800 Autoren gab, von denen aber nur etwa 140 bekannt sind. Es ist ein weiteres Problem, die Urheberschaft vieler der bekannteren Werke eindeutig zuzuordnen. Im Falle von Homer werden ihm die beiden wichtigsten griechischen Epen zugeschrieben: die Ilias  und die Odyssee  aus dem 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

Für viele Historiker und Literaten öffnete Homer mit diesen Werken dem Westen die Tür der literarischen Schöpfung. Er machte uns so nicht nur mit der griechischen Mythologie bekannt, sondern dank ihm können wir uns auch ein Bild davon machen, wie die griechische Gesellschaft zu dieser Zeit funktionierte. Wenn wir also von Homer sprechen, beziehen wir uns auf die Geburt der westlichen Literatur, auf eine historische und ethnographische Quelle, ein Beispiel, dem wir als dem großen Weisen seiner Zeit folgen wollen.

Wer war Homer?

Obwohl seine beiden großen Werke intensiv erforscht wurden, ist über Homers Biografie nur wenig bekannt. Wie bei vielen Autoren seiner Zeit gibt es Theorien und Spekulationen, aber wir können kaum etwas mit Sicherheit sagen. In historischen Texten nach seiner Zeit finden sich Hinweise auf seine Herkunft, aber oft widersprechen sie sich. Daher wird angenommen, dass Homers Biografien, wie sie in der Antike zirkulierten, kaum zuverlässige Daten über den Dichter enthielten. Die heutigen Historiker stimmen jedoch überein, dass Homer aus dem ionischen Kolonialgebiet Kleinasiens gestammt haben müsse, basierend auf den sprachlichen Merkmalen seiner Werke.

Realität und Fiktion sind in seiner Person, aber auch in seinem Werk eng miteinander verwoben. In der Antike galten die Ilias  und die Odyssee  als historische Texte, die reale Fakten erzählten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es in Bezug auf seine Biografie zu einer Vermischung von Fantasie und Wahrheit kommt.

Homer

So konvergiert die Figur des Homer irgendwo zwischen Wirklichkeit und Legende. Aus diesem Grund wird er meist als blinder Dichter porträtiert, der im 8. Jahrhundert v. Chr. die griechische Welt bereiste. Auf seinen Reisen übte er wohl seinen Beruf des Rhapsoden aus, zitierte seine epischen Gedichte für diejenigen, die ihm zuhören wollten Sein Publikum reichte vom einfachen Volk auf einem Marktplatz bis hin zum Adel, der sich bei großen Banketten in einem Palast versammelte.

Das Epos an sich ist ein literarisches Genre, in dem die Taten eines Helden erzählt werden, und der Zweck dieses Genres ist es, hohe Werte zu preisen. Es erreichte seine Blütezeit in der Antike und hielt sich, wenn auch mit einigen Veränderungen, bis ins Mittelalter. Sowohl die mündliche Übertragung, das Aufkommen von neuen Idealen als auch die oft per se übertriebenen Inhalte bedingten aber, dass sich ein einzelnes Epos im Laufe der Zeit stark verwandeln konnte.

Einige dieser Gedichte wurden nie niedergeschrieben oder gingen später verloren. Die Ilias  und die Odyssee  aber haben nicht nur überlebt, sondern wurden auch imitiert und galten jahrhundertelang als größte Werke der Antike. Ob sie uns allerdings so überliefert sind, wie Homer sie rezitiert hat, bleibt fraglich.

Zweifel an seiner Existenz

Nach einer sorgfältigen Analyse der Odyssee  und der Ilias  kam man zu dem Schluss, dass Homer vielleicht gar nicht als ein einzelnes Individuum existiert habe. Einige Experten sind der Meinung, dass Homer eine Art Pseudonym gewesen sei, unter dem verschiedene unbekannte Autoren zusammengefasst worden seien. Diese Zweifel an seiner Existenz sind als “die homerische Frage” bekannt.

In dieser Debatte stellen sich zwei große Fragen:

  • Wer war der Autor oder wer waren die Autoren der Ilias  und der Odyssee? Um diese Frage zu beantworten, werden zwei Ansätze verfolgt. Auf der einen Seite finden wir die Analytiker, die glauben, dass sie von mehreren Autoren geschrieben worden seien, aufgrund der Zusätze, Anachronismen und der Verwendung verschiedener literarischer Techniken und Variationen der griechischen Sprache, die in den beiden Werken vorhanden sind. Auf der anderen Seite haben wir die Unitarier, die der Meinung sind, dass der Autor eine Person gewesen sei, die für die Erstellung des Werkes verantwortlich gewesen sei, indem sie verschiedene, mündlich überlieferte Geschichten zusammengestellt und miteinander verschmolzen habe.
  • Wie wurden sie verfasst? Bei der Beantwortung dieser Frage besteht ein größerer Konsens unter den Forschern. Sie gehen davon aus, dass das Werk, ob einzeln oder gemeinsam komponiert, das Ergebnis der Zusammenstellung populärer mündlicher Kompositionen der damaligen Zeit gewesen sei, Kompositionen, die über mehrere Generationen übertragen und in der Ilias  und der Odyssee  unter dem Namen Homer schriftlich zusammengefasst worden seien.

Homers Vermächtnis an die westliche Kultur

Trotz dieser Debatten ist es unbestreitbar, dass Homer und seine Werke das Fundament der westlichen Literatur gelegt haben. Jeder, der Literatur oder Kunstgeschichte studiert, weiß, dass Homer der erste Name ist, der im literarischen Kanon erscheint. Homer wurde bereits in der Antike imitiert, sodass die Aeneis,  das Nationalepos des Römischen Reiches, als eine Art Umschreibung von Homers Werken verstanden werden kann.

Nur wenige Disziplinen innerhalb der Geisteswissenschaften können Homers Arbeit übergehen. Von der Literatur bis zur Philosophie, von der Archäologie bis zur Geschichte wird Homer ständig zitiert, entweder zur Inspiration oder als historische Quelle für das Studium des antiken Griechenland.

Vortrag eines griechischen Epos

Homers Arbeit nur auf die Ilias  und die Odyssee  zu reduzieren, würde aber bedeuten, sein Schaffen allzu stark zu vereinfachen. Ihm werden auch andere Werke zugeschrieben, zum Beispiel das kleine komische Epos Batrachomyomachia oder, zu Deutsch, Froschmäusekrieg. Es wird auch angenommen, dass er die Homerischen Hymnen und andere fragmentarische Werke wie den Margites geschrieben hat.

Es lässt sich sagen, dass Homer in all seinen Werken die griechische Gesellschaft der späten archaischen Zeit widerspiegelte, eine Gesellschaft, die auf einer Willkürherrschaft basierte, wo Sklaverei und Opfer für die Götter an der Tagesordnung waren. Es werden auch Gerichtsprozesse und bestimmte ethische Werte beschrieben, die die Achtung von Frauen, älteren Menschen, Bettlern und Leichen von Feinden einschließen.

Kurz gesagt, wir haben es mit einem Autor zu tun, der es geschafft hat, den Lauf der Zeit zu überleben. Ein Autor, dessen Lektüre auch heute noch grundlegend ist, um die Ursprünge der Gesellschaft zu verstehen. Homer, unabhängig von seiner Identität, bleibt der epische Dichter der Antike, der heute noch unter uns weilt und sich damit unsterblich gemacht hat.


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  • Carlier, Pierre (2005). Homero. Madrid: Ediciones Akal.

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