"Graue Scheidung": Das Leben nach der Trennung im reifen Alter

Die Trennung nach vielen Ehejahren kann sehr kompliziert und schmerzhaft sein, trotzdem ist es manchmal die einzige Lösung.
"Graue Scheidung": Das Leben nach der Trennung im reifen Alter
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 14. April 2023

Die Statistiken zeigen, dass die Zahl der Scheidungen bei Paaren über 50 Jahren in vielen Teilen der Welt zunimmt. Wenn eine Beziehung nach 20, 30 oder sogar 40 Jahren in die Brüche geht, stehen die Betroffenen vor schwierigen Herausforderungen. Die “graue Scheidung” hat in vielen Fällen das Gefühl des Verlorenseins und der Leere zur Folge. Manche freuen sich auf eine neue Chance oder eine zweite Jugend, doch die meisten tun sich mit dieser neuen Herausforderung schwer. Wenn die Beziehung nicht funktioniert, ist es auf jeden Fall besser, neue Wege zu gehen.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass nach so vielen gemeinsamen Jahren eine familiäre, emotionale und materielle Infrastruktur vorhanden ist, die nicht einfach zurückgelassen werden kann. Bei einer Trennung kommt es in den meisten Fällen zu finanziellen Konflikten, Trauer und Sorgen. Viele Betroffene fühlen sich gezwungen, ihren Lebenssinn neu zu definieren.

Viele Menschen über 50 tun sich schwer, ihr Leben nach einer Trennung neu aufzubauen.

"Graue Scheidung": Mann ist allein
Nach vielen Ehejahren fällt das Leben nach der Scheidung besonders schwer.

“Graue Scheidung”: das Leben nach der Trennung im reifen Alter

Die Liebe ist vorbei, die Routine hat ihren Reiz verloren, die Kinder sind außer Haus und auch kein Grund mehr, die Ehe aufrechtzuerhalten. Personen über 50 oder 60 sind vielfach mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Liebe für immer dauern muss, doch plötzlich werden sie sich bewusst, dass sie sich verändert haben und ihr Glück verblasst ist. 

Früher waren die meisten Frauen finanziell abhängig und hatten keine Wahl, doch die Zeiten haben sich geändert und eine Scheidung ist zur Normalität geworden. Trotzdem ist ein Neustart in diesem Alter eine besondere Herausforderung. 

Das Phänomen der “grauen Scheidung” lässt sich nicht durch Faktoren wie das “leere Nest“, die “Midlife-Crisis” oder den “nahenden Ruhestand” erklären. Ganz und gar nicht. Der wahre Grund ist, dass die Liebe verblasst ist. Es handelt sich auf jeden Fall um einen mutigen Schritt, der nicht einfach ist.

Der Bedarf an Unterstützung durch das Umfeld

Eine in der Zeitschrift The Journals of Gerontology veröffentlichte Studie weist auf zwei interessante Aspekte hin: Die sogenannte graue Scheidungsrevolution nahm im Jahr 1990 ihren Anfang. Inzwischen trennt sich ein Viertel der Paare über 50.

Der zweite Aspekt ist, dass wir weder die genauen Prädiktoren für dieses Phänomen noch die Folgen kennen. Wir wissen jedoch, dass es sich um einen komplizierten Prozess handelt und dass er sich stark von Scheidungen in jüngeren Altersgruppen unterscheidet.

Das geschiedene Paar benötigt unbedingt Unterstützung von seinem Umfeld. Familie und Freunde, mit denen sie reden können, sind grundlegend, um ein neues Leben aufzubauen.

Die Bewältigung einer grauen Scheidung bedeutet, die Beziehungen zur Großfamilie des Partners oder der Partnerin und gemeinsame Freundschaften aufzugeben, bestimmte Träume zu verlieren und das gesamte Erbe an gemeinsamen Erinnerungen und Erfahrungen neu zu ordnen.

“Graue Scheidung”: die Lebensgeschichte neu gestalten

Nach 20, 30 oder 40 Ehejahren ist alles auf die Beziehung abgestimmt, nach einer Scheidung gilt es deshalb, ein neues Leben aufzubauen. Manche bereuen ihr gesamtes Leben und stellen sich die Frage, warum sie diesen Schritt nicht schon früher gewagt haben. In anderen Fällen spielen Untreue oder Missbrauch eine ausschlaggebende Rolle.

Die gemeinsame Zeit bleibt zurück, ist jedoch Teil der persönlichen Geschichte. Betroffene müssen lernen, dies zu akzeptieren, auch wenn die vergangenen Jahre nicht einfach waren. Nur so können sie sich auf die Zukunft konzentrieren und sich ein neues Leben aufbauen.

Die finanzielle Frage

Der Start ins Leben nach der “grauen Scheidung” ist oft schwindelerregend. Vor allem, wenn ein Ehepartner nur eine Mindestrente hat oder sich in einer finanziell sehr schwierigen Lage befindet. Viele Frauen haben ihr Leben der Pflege und Betreuung ihrer Kinder gewidmet und haben kaum eigene finanzielle Mittel.

In anderen Fällen führt die Aufteilung der Besitztümer zu Konflikten, die sehr unangenehm sein können. Diese Situationen bereiten vielen Sorgen und können sich auf die gesamte Familie auswirken.

Mutter und Tochter sprechen über "graue Scheidung"
Kommunikation und Einfühlungsvermögen zwischen Eltern und Kindern sind entscheidend, um die Auswirkungen der “grauen Scheidung” zu bewältigen.

Der Start ins Leben: Wie wirkt sich die “graue Scheidung” das auf die erwachsenen Kinder aus?

Die meisten Eltern glauben, dass die Scheidung wenig Einfluss auf ihre erwachsenen Kinder hat. Sie führen bereits ihr eigenes Leben, doch trotzdem ist es für sie schwierig, diese Situation zu verstehen und zu bewältigen. Sie erleben Widersprüche, Fremdheit, Enttäuschung und Traurigkeit.

Gespräche mit den erwachsenen Kindern sind deshalb grundlegend. Sie müssen die neue Realität akzeptieren und das ist nicht einfach. Außerdem benötigen die Eltern in dieser Situation die Unterstützung ihrer Kinder. Eine “graue Scheidung” kann sehr kompliziert und schmerzhaft sein, ist jedoch trotzdem manchmal der einzig mögliche Schritt.


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