Geschlechterstereotype: Der starke Mann kennt keine Emotionalität
Sensibel, einfühlsam, verletzlich und sogar sentimental: Tatsächlich sind Männer genauso emotional wie Frauen, auch wenn dies lange Zeit ausgeblendet wurde. Geschlechterstereotypen waren schon immer ein Grund für Diskriminierung, was unter anderem an der Verknüpfung von männlicher Emotionalität mit Schwäche zu erkennen ist. Das klassische Bild eines Mannes zeigt Entschlossenheit, Mut und Stärke, während der weibliche Charakter mit Zerbrechlichkeit und Empfindsamkeit assoziiert wurde.
Die Wissenschaft zeigt uns, wie veraltet und fehlerhaft dieser Ansatz ist. Eine in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie liefert uns interessante und aufschlussreiche Daten zu diesem Thema. Wir schauen uns die Ergebnisse etwas genauer an.
Männer können bei Trennungen sogar viel mehr leiden als Frauen.
Jenseits der Hormone
In einer Studie an den Universitäten von Michigan und Purdue analysierte ein Forschungsteam 75 Tage lang die Emotionalität von 142 Männern und 142 Frauen. Die Teilnehmenden erhielten Online-Fragebögen, um ihre Gefühle zu überwachen. Dieses tägliche Tracking, bei dem alle ihre Stimmungen aufzeichneten, lieferte Daten über die emotionale Stabilität und Schwankungen beider Geschlechter. Die Ergebnisse waren sehr aufschlussreich.
Weibliche Hormone und Emotionalität
Das Forschungsteam wählte eine Gruppe von Frauen und unterteilte diese in zwei Untergruppen: eine Gruppe, die orale Verhütungsmittel verwendete und eine andere, die dies nicht tat. Die Ergebnisse zeigten, dass die Eierstockhormone die Stimmungsschwankungen nicht wesentlich beeinflussen. Das prämenstruelle Syndrom und die Menstruation führten nicht systematisch zu einer größeren emotionalen Variabilität. Die Emotionalität war in der Regel unter Kontrolle.
Das ist wichtiger, als es auf den ersten Blick scheint. Ein Beispiel: Im gesamten 20. Jahrhundert wurden Frauen von vielen Forschungsprozessen ausgeschlossen, da sie aufgrund von Hormonschwankungen als unberechenbar eingestuft wurden. Dies ist wissenschaftlich nicht vertretbar, was diese und andere Studien deutlich machen.
Die Wissenschaft bietet keine biologische Grundlage für emotionale Stereotypen.
Die Emotionalität von Männern
Wissenschaftlich kann der Mythos, dass Frauen sensibler als Männer sind, nicht belegt werden. Die erwähnte Studie unter der Leitung von Dr. Adriene Beltz kommt zu der Schlussfolgerung, dass Männer genauso emotional wie Frauen sind. Es gibt keine signifikanten Unterschiede.
Außerdem zeigen uns Untersuchungen, wie die der Lancaster University, dass Männer im Durchschnitt schlechter mit Trennungen umgehen und Trauer und Kummer intensiver erleben. Diese tiefere Emotionalität führt oft zu einem schlechteren Umgang mit diesen Zuständen und einem höheren Risiko für Angstzustände, Depressionen usw.
Männer werden in der Regel dazu erzogen, ihre Gefühle zu unterdrücken, und das macht sie weniger fähig, negativ bewertete Emotionen zu regulieren.
Patriarchalische Gesellschaften und die emotionale Unterdrückung bei Männern
“Jungs weinen nicht.” Diese Botschaft ist für viele Männer ein mentales Echo. Tränen und Emotionalität gehören dem schwachen Geschlecht, das heißt den Frauen, die ihre Gefühle ausdrücken dürfen, jedoch auch akzeptieren müssen, dass sie als “weich” oder sogar “hysterisch” abgestempelt werden.
Tatsächlich haben geschlechtsspezifische Vorurteile, die so tief in der patriarchalischen Gesellschaft verwurzelt sind, das männliche Geschlecht traditionell in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Auch heute glauben noch viele Männer, dass sie nicht berechtigt sind, ihre Gefühle auszudrücken oder Verletzlichkeit zu zeigen. Die emotionale Unterdrückung hat jedoch ihre Folgen. Es ist offensichtlich, dass Männer Traurigkeit, Glück, Angst, Hoffnung und Freude auf dieselbe Weise erleben wie Frauen. Aber sie sind gezwungen, sich zurückzuhalten, ihren Schmerz zu verbergen und ihre Gefühle zu kontrollieren.
Die Normalisierung der Emotionalität
Weder ist emotionale Stabilität eine männliche Eigenschaft, noch sind Stimmungsschwankungen dem weiblichen Geschlecht vorbehalten. Wir alle sind emotionale Wesen und erleben Höhen und Tiefen. Emotionen machen uns menschlich, haben jedoch kein Geschlecht. Der Zwang zur Unterdrückung bedeutet nicht, dass keine Emotionen vorhanden sind. Wir müssen Geschlechterstereotypen, die uns nach wie vor prägen, neu überdenken, falsche Überzeugungen ablegen und lernen, unsere Emotionen zuzulassen, unabhängig vom Geschlecht. Wer die Kunst der Gefühle versteht, beherrscht auch den Weg seines Lebens.
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- Weigard, A., Loviska, A.M. & Beltz, A.M. Little evidence for sex or ovarian hormone influences on affective variability. Sci Rep 11, 20925 (2021). https://doi.org/10.1038/s41598-021-00143-7