Geistige Privatsphäre und Neurorechte

Was würde passieren, wenn Cyberkriminelle in naher Zukunft Zugang zu unseren Gedanken und Gefühlen hätten? Es ist an der Zeit, darüber zu sprechen, wie wir unsere Neurorechte gesetzlich regeln können.
Geistige Privatsphäre und Neurorechte
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

In nicht allzu ferner Zukunft werden wir alle unsere Neurorechte haben und die geistige Privatsphäre wird ein unumstrittener Grundsatz sein. Das Ziel ist nichts anderes als der Schutz unserer geistigen und zerebralen Identität, das heißt das Recht, dass niemand Zugang zu unseren Gedanken, Emotionen, Erinnerungen usw. hat oder sie manipuliert.

Das Thema klingt wie Science-Fiction, wie das Drehbuch eines Films von Christopher Nolan oder Steven Spielberg. Doch was uns im Moment unmöglich erscheint, geschieht bereits auf sehr subtile Weise. Um das zu verstehen, werfen wir einen Blick auf eine Tatsache, die wir jeden Tag in vielen unserer mobilen Anwendungen experimentieren.

Künstliche Intelligenz und die Algorithmen hinter Instagram oder Facebook zum Beispiel werden immer ausgefeilter. Sie sind so ausgeklügelt, dass sie alles, was wir tun, analysieren und verarbeiten können. Sie können sogar unseren emotionalen Zustand erkennen, indem sie herausfinden, welche Informationen wir uns ansehen oder wie wir in sozialen Netzwerken reagieren.

Wenn sie wissen, ob wir traurig oder gelangweilt sind, können sie uns entsprechende Werbung präsentieren, die auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. Das mag uns merkwürdig und sogar normal erscheinen, aber es überschreitet ein grundlegendes Prinzip: das unserer Neuro-Privatsphäre. Wer hat das Recht zu wissen, wie wir uns gerade fühlen? Sind unsere Gefühle nicht rein persönlich und intim?

Es könnte der Tag kommen, an dem es Mechanismen gibt, mit denen Cyberkriminelle Zugang zu unseren Gedanken haben. In diesem Bereich werden Gesetze benötigt, auch wenn dies wie Science Fiction erscheinen mag.

Geistige Privatsphäre und Neurorechte

Neurotechnologie und ihre Schattenseiten

Rafael Yuste ist ein führender spanischer Neurobiologe, der am Center for NeuroTechnology an der Columbia University in New York lehrt. Er ist auch am BRAIN-Projekt beteiligt, einer Initiative, die darauf abzielt, das menschliche Gehirn zu erforschen. Dr. Yuste macht darauf aufmerksam, dass die Fortschritte der künstlichen Intelligenz unaufhaltsam sind und eine große Gefahr darstellen.

Wir alle sind Zeugen des großen Fortschritts der Neurotechnologie. Die Manipulation des Gehirns durch technologische Geräte wird es uns bald ermöglichen, vielzählige Krankheiten zu behandeln, von Schlaganfällen bis hin zu neurologischen Krankheiten wie Parkinson.

Das BRAIN-Projekt von Dr. Yuste zielt darauf ab, die Aktivität des Gehirns zu verfolgen und zu verstehen, wie wir denken, fühlen, lernen, uns erinnern… Doch wenn in Zukunft diese Technologien gegen uns eingesetzt werden? Welche Folgen hätte das? Könnte es so weit kommen, dass unsere Gedanken von anderen manipuliert werden?

Wenn der Fortschritt der Wissenschaft neue Gesetze erfordert

Die mentale Privatsphäre definiert das unbestreitbare Recht, zu schützen, was wir denken und fühlen. Nichts ist so privat, so intim und so eigen wie unser Gedankengut. Das ist zweifellos die letzte Grenze, die der Mensch noch zu überwinden hat. Die Wissenschaft wird nicht mehr lange brauchen, um dieses Ziel zu erreichen.

Forscher entschlüsseln die Gehirnaktivität, um medizinische Fortschritte zu ermöglichen. Das Ziel ist nichts anderes, als Menschen mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Schlaganfall zu helfen und sie rehabilitieren zu können. Vielleicht können Ärzte damit in Zukunft auch die verlorene Sehkraft wieder herstellen oder Alzheimer heilen. Die Möglichkeiten sind endlos, aber auch die damit verbundenen Herausforderungen sind immens.

So befassen sich Forschungsarbeiten wie die am Departement für Gesundheitswissenschaften und Technologie in Zürich, Schweiz, bereits mit dem Thema Neurorechte und geistige Privatsphäre. Sie betonen die Notwendigkeit, so schnell wie möglich grundlegende Gesetze zum Schutz und zur Erhaltung des menschlichen Gehirns und Geistes zu erlassen.

Der Tag könnte kommen, an dem unsere Gefühle, Erinnerungen und Gedanken dank elektronischer Geräte bekannt sind. Wir müssen anfangen, uns dessen bewusst zu werden, um Schutzmaßnahmen zu ergreifen und ein Gesetzbuch zu schaffen, das auf diese Realität reagiert.

Ob du es glaubst oder nicht, Neurorechte und deine geistige Privatsphäre werden bereits verletzt

Rafael Yuste ist derzeit der wichtigste internationale Verfechter der Notwendigkeit, Neurorechte und die geistige Privatsphäre zu regeln. Zu diesem Zweck hat er die Initiative NeuroRights ins Leben gerufen. Er selbst ist Zeuge und Förderer der Fortschritte zum Verständnis des menschlichen Gehirns und ist sich daher der damit verbundenen Risiken, die in Zukunft auftreten können, durchaus bewusst.

Die Wahrheit ist jedoch, dass unsere geistige Privatsphäre bereits täglich auf vielfältige Weise verletzt wird. Von dem Moment an, in dem wir die Nutzungsbedingungen einer Anwendung akzeptieren, stehen wir ständig unter Beobachtung. Die Betreiber analysieren unser Verhalten, unsere Persönlichkeit, unsere Emotionen, unsere Wünsche und sogar unsere Absichten. Wir sind Versuchskaninchen für die großen Tech-Unternehmen.

Was sind Neurorechte?

Was sind Neurorechte?

Elon Musk entwickelt Schnittstellen, die sich mit dem Gehirn verbinden, um Verletzungen zu behandeln oder bestimmte Funktionen zu verbessern. Neuralink schafft auch Durchbrüche, die zahlreiche medizinische, philosophische und gesetzgeberische Debatten auslösen. Auch wenn das alles wie eine weitere Folge von Black Mirror klingt, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass dies die unmittelbare Realität ist.

Wir müssen unsere geistige Privatsphäre schützen und so schnell wie möglich Gesetze für Neurorechte erlassen. Dabei sollten folgende Rechte berücksichtigt werden:

  • Das Recht, unsere Identität zu schützen. Das bedeutet, dass wir unsere Gedanke und Gefühle schützen müssen, unabhängig von der Neurotechnologie, die zur Anwendung kommt. Es bedeutet auch, unsere Erinnerungen zu schützen, damit niemand Zugang zu ihnen hat.
  • Recht auf freien Willen. Damit ist das Bedürfnis gemeint, weiterhin unsere eigenen Entscheidungen zu treffen, ohne dass uns jemand manipuliert.
  • Die Grenzen des kognitiven Dopings. Das ist ein interessantes Thema. In Zukunft soll Technologie möglich machen, kognitive Funktionen zu verbessern, unter anderem die Lern- oder Erinnerungsfähigkeit. Vielleicht ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, ob es ratsam wäre, Grenzen zu setzen.

Im Moment sind das die wichtigsten Punkte, doch es wird sicherlich weitere Entwicklungen geben, die berücksichtigt werden müssen. Dr. Yuste weist darauf hin, dass die Regierungen die Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie verfolgen müssen, um auf mögliche Risiken reagieren zu können und vorgewarnt zu sein.


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