Ganzheitliche Psychologie zum Verständnis von Verhalten

Im Gegensatz zum Reduktionismus sieht die ganzheitliche Psychologie den Menschen nicht nur als die Summe seiner Teile. Diese Perspektive führt zu komplexeren Patientenevaluationen und Interventionen. Häufig ergeben sich positive Veränderungen für Patienten, wenn andere Ansätze fehlgeschlagen sind.
Ganzheitliche Psychologie zum Verständnis von Verhalten
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Sonia Budner

Letzte Aktualisierung: 25. April 2023

Holismus oder Ganzheitlichkeit ist in der Psychologie ein Begriff, der darauf hindeutet, dass Menschen viel mehr sind als nur die Summe ihrer Teile. Die ganzheitliche Psychologie beobachtet dabei besonders, wie die verschiedenen Teile eines Individuums zusammenwirken, ohne sie dabei in bestimmte Prozesse zu unterteilen.

Um zu verstehen, was Menschen dazu veranlasst, auf eine bestimmte Art und Weise zu denken oder sich zu verhalten, untersucht die ganzheitliche Psychologie den Menschen in seiner Gesamtheit und greift nicht nur einzelne Aspekte heraus.

Letztendlich beeinflussen viele verschiedene Faktoren, die permanent miteinander interagieren, wer du bist und was du tust. Daher untersucht der Holismus dieses umfassende Bild, um die Situation oder das Problem zu verstehen.

Ein wunderbares Beispiel hierfür findet sich im menschlichen Gehirn. Wir alle wissen, dass unser Gehirn aus vielen Millionen Neuronen besteht. Wenn du verstehen willst, wozu das Gehirn als Ganzes in der Lage ist, ist es völlig sinnlos, nur einzelne Neuronen zu untersuchen.

Ganzheitliche Psychologie - erleuchtetes Gehirn

Ganzheitliche Psychologie und ihre Anwendung

Wenn ein Psychologe analysiert, wie verschiedene Faktoren interagieren und das Verhalten und den emotionalen Zustand eines Individuums beeinflussen, dann wendet er ganzheitliche Psychologie an. Daher zieht er bei jedem einzelnen Patienten auch unterschiedliche Elemente in Betracht.

Einige dieser Aspekte sind das häusliche Umfeld eines Patienten, die Menschen mit denen er zusammenlebt, der ausgeübte Beruf, der berufliche Hintergrund und der Ausbildungsstand, soziale Kontakte, das Verhalten in Gruppensituationen, der Gesundheitszustand und seine Wahrnehmung von Wohlbefinden und Stress. Wie du bereits erkennen kannst, umfasst die Patientenevaluation weitaus mehr als nur die Untersuchung der Symptome der Erkrankung.

Die Vorteile dieses Ansatzes

Ein ganzheitlicher psychologischer Ansatz ist eine der effektivsten Behandlungsmöglichkeiten. Da viele unterschiedliche Aspekte in die Evaluation einfließen, besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, die wirklichen Ursachen des Problems zu identifizieren.

Außerdem ermöglicht die ganzheitliche Psychologe dem Psychologen, für seine Patienten präzisere und möglicherweise auch bessere Lösungswege zu finden. Obwohl dieser Ansatz viel zeitaufwendiger ist als herkömmliche Methoden, ist dieser Mehraufwand auf jeden Fall gerechtfertigt. Denn er ermöglicht es, den Patienten substanziellere und relevantere Interventionen anzubieten, die zu langfristigen Veränderungen führen.

Wenn du einen Patienten holistisch untersuchst, wirst du die einzelnen Aspekte, die Einfluss darauf haben, wie er sich mental, physisch und sozial fühlt, besser verstehen können. Wenn du ein Foto betrachtest, das du sehr nahe vor deinen Augen hältst, kannst du nicht viel erkennen.

Obwohl du dich auf einzelne Details konzentrieren kannst, wirst du dennoch nicht das ganze Bild erfassen können. Daher musst du erst einige Schritte zurücktreten und dir das gesamte Foto betrachten. Ganzheitliche Psychologie möchte den ganzen Patienten behandeln. Daher besteht der einzige Weg, dies zu tun, darin, zu verstehen, wer der Patient wirklich ist.

Ganzheitliche Psychologie: Nachteile

Allerdings hat die ganzheitliche Psychologie auch einige Nachteile. Einige Probleme erfordern einen ganz spezifischen Fokus, um eine Lösung zu finden.

Wenn du diese Probleme mit einem holistischen Ansatz lösen willst, ist es sehr schwer, diese Präzision und Fokussierung zu erreichen. Dieser Aspekt trifft besonders auf die Forschung zu. Zur Durchführung wissenschaftlicher Studien sind klar definierte Variablen erforderlich. Daher ist die holistische Psychologie nicht immer kompatibel mit den klassischen wissenschaftlichen Methoden.

Holismus in der Psychologie ist ein komplexes Thema. Es ist eine große Herausforderung, geeignete Evaluationen und Interventionen zu entwickeln, die zu diesem Ansatz passen. Daher können viele Psychologen diesen Ansatz auch nicht in ihrer klinischen Praxis anwenden.

Ganzheitliche Psychologie - Frau mit geschlossenen Augen

Holistische Denkschulen

Schon immer gab es in der Psychologie verschiedenen Denkschulen, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgten. Darunter findet sich beispielsweise die Gestaltpsychologie, die argumentiert, dass das menschliche Verhalten als Gesamtheit beobachtet werden sollte.

Auch die humanistische Psychologie ist eine holistische Denkschule. Tatsächlich entstand sie teilweise auch als Antwort auf den Reduktionismus der psychoanalytischen und behavioristischen Schulen. Darüber hinaus verfolgt auch die Sozialpsychologie einen ganzheitlichen Ansatz, da sie die Dynamik der Umwelt, Gesellschaft, Emotionen und Gruppen berücksichtigt.

Ganzheitliche Psychologie ist besonders interessant und attraktiv, da sie häufig Lösungsansätze findet, die bei anderen reduktionistischen Ansätzen fehlen. Sie bewertet den Einfluss der Vergangenheit einer Person, wie sie gegenwärtig lebt und welche Einstellung sie zu ihrer Zukunft hat.


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