Funktionale oder positive Abhängigkeit: Was ist das?

In einer sicheren Bindung entwickelt sich eine gesunde emotionale Abhängigkeit, die bereichernd ist und die Beziehung festigt.
Funktionale oder positive Abhängigkeit: Was ist das?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 29. Juli 2023

Wir sprechen heute über die positive Abhängigkeit, die notwendig ist, um eine gesunde Bindung aufzubauen. Aufmerksamkeit, Zuwendung, Gegenseitigkeit und Respekt sind in jeder Beziehung wesentliche Säulen. Wir müssen uns auf die andere Person verlassen können, was zu einer gewissen Dependenz führt. Erfahre anschließend, was das bedeutet und wo die Grenzen zu einer schädlichen Abhängigkeit liegen.

Die Grundlage für glückliche und dauerhafte Beziehungen ist eine sichere Bindung, die auf einer gesunden Abhängigkeit beruht.

Positive Abhängigkeit in einer Beziehung

Das Paradox der Abhängigkeit besteht darin, dass die Unabhängigkeit in einer Beziehung durch die positive Abhängigkeit verstärkt wird (Feeney, 2007). Dieser Gedanke scheint widersprüchlich zu sein, wenn wir ihn jedoch analysieren, bietet er einen neuen Ansatz für gesunde Beziehungen.

Gegenseitige Unterstützung und Fürsorge geben Sicherheit und Beständigkeit. In einer gesunden Beziehung gibt es deshalb keine Ängste und Unsicherheiten, was zur persönlichen Erfüllung und Freiheit beiträgt. Gegenseitigkeit und Stabilität begünstigen die Selbstständigkeit und stärken die Liebe. Wir sehen uns diese positive Abhängigkeit etwas genauer an.

Sichere Bindung

Wir übersehen oft, welche Auswirkungen unsere frühkindlichen Erfahrungen auf Beziehungen haben. So zeigen eine in Frontiers in Psychology veröffentlichte Studie sowie andere Forschungsarbeiten auf, dass ein sicherer Bindungsstil eine größere Intimität in emotionalen Bindungen fördert. Außerdem ist er an folgenden Merkmalen zu erkennen:

Gesundes Selbstwertgefühl

Dieses Konstrukt stärkt jede Beziehung: Es geht darum, eine andere Person zu lieben, ohne sich selbst zu vergessen.

Vertrauen

Diese Dimension ermöglicht Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in einer Beziehung. Dadurch kann die sichere Bindung aufgebaut werden.

Aufrichtige und einfühlsame Kommunikation

Diese Kompetenz ermöglicht es, jederzeit Bedürfnisse auszudrücken, ohne darauf zu warten, dass der Partner oder die Partnerin errät, was du gerne hättest.

Unterstützung

Erfolgreiche Beziehungen basieren auf emotionaler Unterstützung und gegenseitiger Fürsorge. Zu wissen, dass du dich in jeder Hinsicht auf deinen Partner oder deine Partnerin verlassen kannst, gibt dir Zufriedenheit und Sicherheit.

Unabhängigkeit und Autonomie

Das Kernelement einer sicheren Bindung ist, dass sich jeder Partner als unabhängige, sichere und reife Person wahrnimmt. Dies ermöglicht es, die Identität und den Freiraum des geliebten Menschen zu respektieren. Eine reife Bindung und respektvolle Liebe benötigt keine Kontrolle und keine Zäune, im Gegenteil: Sie ermöglicht dem Partner oder der Partnerin persönliche und berufliche Entwicklung. In einer gesunden Beziehung gibt es individuelle Ziele innerhalb eines gemeinsamen Projektes.

Gesundes Emotionsmanagement

Eine in der Fachzeitschrift Journal of personality veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass das Verschweigen von Gefühlen und eine schlechte Emotionsregulierung gravierende Auswirkungen auf Beziehungen haben. Wenn Gefühle nicht zum Ausdruck kommen und die Kommunikation ineffektiv ist, entstehen Streit, Missverständnisse und Konflikte.

Folgende Aspekte spielen dabei eine wesentliche Rolle:

  • Emotionale Selbstregulierung: Eine positive Abhängigkeit setzt eine gute Kenntnis der eigenen Gefühle sowie ein effektives emotionales Management voraus.
  • Emotionale und kognitive Empathie: Eine gesunde Beziehung verlangt Einfühlungsvermögen, um die Realität der Partnerin oder des Partners zu verstehen.
  • Die Fähigkeit, die Emotionen des Partners zu regulieren: Wir alle haben emotionale Bedürfnisse. Wenn dein Partner Angst, Kummer oder Stress empfindet, musst du wissen, wie du ihn unterstützen kannst.

Diese Fähigkeiten begünstigen eine angemessene Regulierung im emotionalen Bereich, die eine gesunde und funktionierende Abhängigkeit stärkt. Zu wissen, dass die andere Person dein Verbündeter ist, wenn du ein Bedürfnis hast, bringt große Sicherheit und Wohlbefinden.

Paare, die sich durch eine positive emotionale Abhängigkeit auszeichnen, fühlen sich in ihrer Beziehung sicher, weil ihre emotionalen Bedürfnisse jeden Tag befriedigt werden. Das wiederum begünstigt ihre eigene Unabhängigkeit.

Komplizenschaft

Wenn du ein Anliegen, einen Traum oder eine Sorge hast, teilst du sie mit deinem Partner. Dieses Bedürfnis macht dich nicht emotional abhängig. Der Wunsch, dich mitzuteilen, deine Gedanken und Wünsche zu teilen, ist in einer Beziehung notwendig und positiv. Folgende Aspekte sind dabei entscheidend:

  • Die Macht der guten Kommunikation. Wie ein in Frontiers in Psychology veröffentlichter Artikel erwähnt, ist Kommunikation das beste Werkzeug, um mit Differenzen umzugehen. Sie bereichert die Beziehung und schafft eine positive Bindung.
  • Interesse an den Vorlieben, Sorgen und Zielen des geliebten Menschen. Zu lieben bedeutet, sich zu kümmern und Träume und Projekte zu teilen. Die Vorlieben der anderen Person zu kennen und Gedanken auszutauschen, sind wichtige Säulen für eine positive Abhängigkeit.

Positive Abhängigkeit und ihre Grenzen

Wie lange ist Abhängigkeit gesund und wann wird sie schädlich? Eine toxische Abhängigkeit führt zu negativen Gefühlen und innerlicher Leere. Folgende Merkmale weisen darauf hin, dass die Abhängigkeit nicht mehr gesund ist:

  • Bedürfnis nach Kontrolle und Eifersucht
  • Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung
  • Übermäßige Angst vor dem Verlassenwerden
  • Ein weiteres Anzeichen ist, dass du all deine Träume, Projekte und Hobbys aufgibst, um immer an der Seite deines geliebten Menschen zu sein.
  • Die Abhängigkeit kann negativ werden, wenn du die Bedürfnisse deines geliebten Menschen über deine eigenen stellst.
  • Wenn dein Selbstwertgefühl geschwächt ist, benötigst du häufig die Bestätigung der anderen Person. Das sind Situationen, in denen du erwartest, dass die andere Person dir die Liebe gibt, die du selbst nicht mehr geben kannst.
  • Wenn du aufhörst, deine eigenen Gefühle zu regulieren und diese Aufgabe der anderen Person überträgst, gerätst du in eine dysfunktionale Abhängigkeit. Der Partner sollte nicht immer die Figur sein, die alle deine Ängste und Sorgen lindert. Jeder sollte in dieser Aufgabe reif und selbstständig sein.

Liebe ist ein gesundes Gleichgewicht zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit

Eine positive Abhängigkeit ist ein Spiegelbild einer reifen und bewussten Liebe. Glückliche Paare sind diejenigen, die sich um die Bedürfnisse des anderen kümmern, ohne ihre eigenen zu vernachlässigen. Zögere nicht daran, die Fürsorge, Bestätigung und Komplizenschaft deines geliebten Menschen zu genießen, ohne dabei deine eigene Unabhängigkeit zu vernachlässigen.

Ein gemeinsames Projekt erfordert Engagement, Respekt, Gegenseitigkeit und eine ausgezeichnete Kommunikation. Auch wenn du oft hörst, dass “Abhängigkeit gefährlich ist”, solltest du bedenken, dass es auch eine positive Variante gibt, die dir dein Glück vermittelt. Wir alle benötigen gesunde Bindungen, um glücklich zu sein.


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