Führen negative Gedanken zum Abbau kognitiver Fähigkeiten?

Negativität, chronischer Stress und mangelnde Motivation wirken sich negativ auf unsere kognitiven Fähigkeiten aus und können Demenzkrankheiten begünstigen.
Führen negative Gedanken zum Abbau kognitiver Fähigkeiten?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 24. April 2023

Negative Gedanken stehen mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten in Verbindung. Verschiedene Studien zeigen auf, dass sich durch die Negativität das Risiko erhöht, im fortgeschrittenen Alter an Gedächtnisverlust, Sprach-, Aufmerksamkeits- oder Orientierungsproblemen zu leiden.

Wir wissen, dass unsere Gedanken Einfluss auf unsere Lebensqualität haben. Unsere Einstellungen und die Interpretation der Welt begünstigen unser Wohlbefinden oder verstärken unser Leid, so wie sich auch Emotionen und Gefühle auf viele neurologische Prozesse auswirken.

Wir dürfen zum Beispiel nicht vergessen, wie sich chronischer Stress auf Bereiche wie den Hippocampus auswirkt, der für das Gedächtnis zuständig ist. Ständige Sorgen, Negativität und Angst schränken die Neubildung von Neuronen ein. Dadurch wird es im Laufe der Jahre nicht nur immer schwieriger, neue Dinge zu lernen, auch die Verbindung zwischen den Nervenzellen verliert an Qualität.

Führen negative Gedanken zum Abbau kognitiver Fähigkeiten?

Negative Gedanken und der Abbau kognitiver Fähigkeiten

Wir alle machen Zeiten durch, in denen uns Sorgen begleiten wie eine Gewitterwolke im Sommer. Sie ist intensiv, verzieht sich jedoch schnell wieder. Nach einer Weile ändern sich die Dinge, wir finden Strategien, um diese Probleme zu lösen, und wir gewinnen die Stabilität und Ruhe zurück. Solche Situationen zu erleben, ist völlig normal und hat keine neurologischen Auswirkungen.

Tatsächlich wirkt sich allein die Tatsache, dass wir uns bemühen, nach Antworten zu suchen, kreativ zu sein und Ressourcen einzusetzen, um Schwierigkeiten zu bewältigen, positiv auf die Gesundheit unseres Gehirns aus: Wir gewinnen an Flexibilität und bauen unsere kognitive Reserve auf. Problematisch sind jedoch chronische Sorgen und Probleme. Unser geistiger Fokus gerät in den Strudel chronischer Negativität, ohne dass das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Wenn diese Negativität zur Konstante wird, steigt das Risiko, kognitive Defizite zu erleiden. Außerdem erhöht diese Tatsache zusammen mit anderen Faktoren die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken.

Die Hypothese der kognitiven Schuld

Robert Howard und Natalie Marchant, Professoren für Psychiatrie am University College London, schlugen 2015 im Anschluss an eine Studie ein inzwischen anerkanntes und akzeptiertes Konzept vor: “Cognitive Debt” (kognitive Schuld). Sie gehen davon aus, dass chronisch negative Gedanken dem Gehirn schaden und es dadurch in einem bestimmten Alter zu kognitiven Ausfällen (Cognitive Debt) kommt.

Vor wenigen Wochen veröffentlichte Dr. Natalie Marchant eine weitere Studie, in der sie 292 älter Menschen über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtete, um die Hypothese der kognitiven Schuld zu belegen. Die in der Zeitschrift Alzheimer’s & Dementia veröffentlichen Resultate können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Negative Gedanken und der Abbau kognitiver Fähigkeiten hängen zusammen. Menschen mit  grüblerischen, zwanghaften und ungünstigen Denkmustern zeigen Probleme in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache und räumliche Orientierung.
  • Des Weiteren ist ein nicht weniger schwerwiegender Faktor zu beobachten: MRT-Scans zeigten eine Zunahme der Ablagerungen von Beta-Amyloid und Tau-Proteinen, die die klassischen Plaques in den Neuronen bilden und die Kommunikation verhindern. Dies ist ein Hinweis auf einen Marker für die Alzheimer-Krankheit.
Negative Gedanken und der Abbau kognitiver Fähigkeiten

Angst und Depression im späteren Leben

Wenn es an Optimismus, Flexibilität, Hoffnung und Kreativität mangelt, entstehen häufig Angst und Depressionen. Dr. Amy Gimson weist in einer an der Universität Southampton (Großbritannien) durchgeführten Studie zudem darauf hin, dass insbesondere Menschen ab dem 55. Lebensjahr häufig an Einsamkeit leiden.

In unserer vernetzten Welt fehlt es uns an Mechanismen, Menschen jedes Alters zu integrieren, um Einsamkeit zu verhindern und Hoffnungen und Träume zu nähren. Dies wäre unter anderem wichtig, um Demenzerkrankungen entgegenzuwirken oder sie zumindest hinauszuzögern und die Lebensqualität älterer Menschen möglichst lange zu erhalten.

Da negative Gedanken eng mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten verbunden sind, müssen wir die richtigen Szenarien schaffen, um die Sozialisierung zu begünstigen und die psychische und kognitive Gesundheit zu fördern.


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    • Natalie L. Marchant, Lise R. Lovland, Rebecca Jones, Alexa Pichet Binette, Julie Gonneaud, Eider M. Arenaza‐Urquijo, Gael Chételat, and Sylvia Villeneuve for the PREVENT‐AD Research Group. “Repetitive Negative Thinking Is Associated With Amyloid, Tau, and Cognitive Decline.” Alzheimer’s & Dementia (First published: June 07, 2020) DOI: 10.1002/alz.12116
    • Natalie L. Marchant and Robert J. Howard. “Cognitive Debt and Alzheimer’s Disease” Journal of Alzheimer’s Disease (First published: February 6, 2015) DOI: 10.3233/jad-141515

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