Dopamin und Schizophrenie: kausale Zusammenhänge

Neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Schizophrenie und Dopamin könnten die Grundlage für bessere Behandlungen sein.
Dopamin und Schizophrenie: kausale Zusammenhänge
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 03. Dezember 2022

Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Denkstörungen, Niedergeschlagenheit, Planungsprobleme, Selbstmordgedanken… Nur wenige Krankheiten sind so verheerend wie Schizophrenie. Sie betrifft fast 1 % der Bevölkerung und es ranken sich dramatische Geschichten um sie. Nicht nur die Betroffenen, auch ihr familiäres Umfeld leidet enorm.

Es handelt sich um eine schwere psychische Erkrankung mit chronischem Verlauf, die oft von anderen Krankheiten begleitet wird. Es gibt viele Erklärungen für den Ursprung dieser Krankheit, trotzdem sind weitere Forschungen nötig. Wir wissen, dass Schizophrenie eine genetische Komponente hat und dass der Drogenkonsum in der Jugend ein Auslöser sein kann.

Es gibt jedoch eine Variable, die seit Jahrzehnten diskutiert wird und inzwischen bestätigt werden konnte: der direkte Zusammenhang zwischen Dopamin und Schizophrenie. Personen mit Schizophrenie weisen einen erhöhten Dopaminspiegel auf. Dies ist bewiesen, doch es fehlen noch die Kenntnisse über die genauen Zusammenhänge und Ursachen.

Bisher hat sich gezeigt, dass die Wirkung von Antipsychotika darauf beruht, dass sie den Dopaminspiegel senken. Könnte eine Behandlung, die den Dopaminspiegel normalisiert, wirksam sein? Damit könnte sich das Leben vieler Menschen sehr positiv verändern.

Schizophrenie ist mit einem großen Stigma behaftet. Wir stellen uns diese Patienten als aggressive und gefährliche Menschen vor, obwohl es sich in Wirklichkeit um Personen handelt, die stark leiden und oft Suizidgedanken entwickeln, da sie ihrem Schmerz und ihrer Zerrissenheit entkommen möchten.

Dopamin und Schizophrenie: kausale Zusammenhänge
Weltweit sind mehr als 21 Millionen Menschen von Schizophrenie betroffen. Männer leiden häufiger daran.

Schizophrenie, ein Gehirn, das anders funktioniert

Schizophrenie ist eine chronische, degenerative psychische Erkrankung. Faktoren wie eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene psychopharmakologische Behandlung machen es den Betroffenen jedoch leichter, sich an den Alltag anzupassen, während sie mit der Realität der Schizophrenie leben. Die Beherrschung von Stressoren und eine wirksame soziale und klinische Unterstützung sind zweifellos entscheidende Faktoren.

In vielen Fällen liegt das Problem in der Stigmatisierung durch die Gesellschaft und dem Mangel an Ressourcen für die psychische Gesundheit. Es stimmt zwar, dass jeder Fall einzigartig und komplex ist, aber die Familien haben nicht immer Zugang zu angemessenen Ressourcen für die Pflege ihrer Angehörigen. Dann beginnt das Drama, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon seit einiger Zeit anprangert.

Die größte Hoffnung, die wir haben, ist eine wirksame Behandlung, die die Krankheit umkehrt und heilt, ohne Nebenwirkungen zu hinterlassen. Bedenke zum Beispiel, dass die Behandlung mit Antipsychotika oft zahlreiche Restsymptome hinterlässt. Glücklicherweise scheint diese Zukunft dank der Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Dopamin und Schizophrenie näher gerückt zu sein.

Die Postmortem-Analyse von Patienten mit Schizophrenie zeigt den Zusammenhang zwischen einem Dopaminüberschuss und der Entwicklung von Schizophrenie.

Der Ursprung liegt im Nucleus caudatus des Striatums

Die Hypothese, dass Menschen mit Schizophrenie einen Überschuss an Dopamin im Gehirn aufweisen, tauchte bereits in den 1950er-Jahren auf. Wir können auf eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur zurückblicken, die dies untermauert. Die Fortschritte in der Computertomografie ermöglichen uns heute jedoch neue Einblicke.

Die Universität Johns Hopkins in Baltimore hat erst vor wenigen Tagen eine Studie veröffentlicht, die aktuelle Daten liefert. In dieser Arbeit wurden Postmortem-Analysen an 443 Personen durchgeführt, von denen 154 die Diagnose Schizophrenie hatten. Die restlichen Personen waren gesund oder hatten die Diagnose bipolare Störung. Alle Patienten mit Schizophrenie wiesen Anzeichen für eine übermäßige Dopaminansammlung auf.

Diese Studie weist darauf hin, dass der Ursprung dieser Krankheit im Nucleus caudatus des Striatums liegt. In dieser Region sind D2-Autorezeptoren verteilt, die den Dopaminfluss bei Schizophrenie-Patienten nicht mehr regulieren.

Welche Auswirkungen hat die Dopaminanhäufung im Gehirn?

Wir kennen jetzt den Zusammenhang zwischen Dopamin und Schizophrenie, doch welche Auswirkungen hat die mangelnde Regulierung des Dopaminflusses im  Nucleus caudatus des Striatums?

  • Mit der Anhäufung von Dopamin kommt das, was wir als positive Symptome bei Schizophrenie definieren: Störungen bei der Planung, der Aufmerksamkeit und dem Denken im Allgemeinen. Außerdem treten Wahnvorstellungen, Halluzinationen, körperliche Unruhe usw. auf.
  • Zudem entwickeln sich die sogenannten negativen Symptome: Motivationsmangel, emotionale Verflachung, Lustlosigkeit usw.

Im Allgemeinen führt der veränderte Dopaminspiegel zu einer allgemeinen Überstimulation der Neuronen im präfrontalen Kortex und im limbischen System. Das Denken und die Gefühle sind völlig verändert.

In Zukunft werden wir vielleicht eine Behandlung für Schizophrenie haben, die auf genetische Kenntnisse aufbaut.

Mann leidet an Schizophrenie
Patienten mit Schizophrenie benötigen neben der Einnahme von Antipsychotika auch psychosoziale Unterstützung. Sie haben oft große Probleme, soziale Kontakte zu knüpfen und einen Arbeitsplatz zu finden.

Dopamin und Schizophrenie: Gibt es Aussichten auf eine bessere Behandlung?

Medikamente zur Regulierung des Dopaminspiegels könnten in Zukunft in der Behandlung von Schizophrenie sehr vorteilhaft sein. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass auch Antipsychotika die Dopaminwerte reduzieren. Leider haben sie oft schwerwiegende Nebenwirkungen, unter anderem extrapyramidale Symptome (Zittern, Unruhe, Muskelzuckungen, schwache Atmung, Sabbern, Gesichtsausdruck usw.). Es stimmt, dass die Antipsychotika der zweiten Generation viel besser sind, aber keines ist perfekt.

Das Ziel ist deshalb, eine Behandlung zu entwickeln, die die Krankheit von einem genetischen Standpunkt aus betrachtet. Das würde es uns ermöglichen, das Gehirn so zu “formen”, dass es die Anomalien, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dieser schweren Krankheit führen können, nicht entwickelt. In der Zwischenzeit betonen wir die Notwendigkeit einer größeren klinischen und psychosozialen Unterstützung für Patienten mit Schizophrenie und ihre Familien.


Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.


  • Brisch R, Saniotis A, Wolf R, Bielau H, Bernstein HG, Steiner J, Bogerts B, Braun K, Jankowski Z, Kumaratilake J, Henneberg M, Gos T. The role of dopamine in schizophrenia from a neurobiological and evolutionary perspective: old fashioned, but still in vogue. Front Psychiatry. 2014 May 19;5:47. doi: 10.3389/fpsyt.2014.00047. Erratum in: Front Psychiatry. 2014;5:110. Braun, Anna Katharina [corrected to Braun, Katharina]; Kumaritlake, Jaliya [corrected to Kumaratilake, Jaliya]. PMID: 24904434; PMCID: PMC4032934.
  • Davis KL, Kahn RS, Ko G, Davidson M. Dopamine in schizophrenia: a review and reconceptualization. Am J Psychiatry. 1991 Nov;148(11):1474-86. doi: 10.1176/ajp.148.11.1474. PMID: 1681750.
  • Kynon J. M. Benjamin, Qiang Chen, Andrew E. Jaffe, Joshua M. Stolz, Leonardo Collado-Torres, Louise A. Huuki-Myers, Emily E. Burke, Ria Arora, Arthur S. Feltrin, André Rocha Barbosa, Eugenia Radulescu, Giulio Pergola, Joo Heon Shin, William S. Ulrich, Amy Deep-Soboslay, Ran Tao, the BrainSeq Consortium, Thomas M. Hyde, Joel E. Kleinman, Jennifer A. Erwin, Daniel R. Weinberger & Apuã C. M. Paquola. “Analysis of the Caudate Nucleus Transcriptome in Individuals With Schizophrenia Highlights Effects of Antipsychotics and New Risk Genes.” Nature Neuroscience (First published: November 01, 2022) DOI: 10.1038/s41593-022-01182-7

Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.