Dissoziation: Ein faszinierendes Phänomen des Geistes
Die Dissoziation ist ein Phänomen, das sich auf die Trennung einiger Menschen von ihren Gedanken, Emotionen, Erinnerungen und sogar ihrer eigenen Identität bezieht. Eine leichte Form der Dissoziation erleben wir, wenn wir so sehr in einen Film oder ein Gespräch vertieft sind, dass wir das, was um uns herum passiert, nicht mitbekommen. Manche Menschen erleben allerdings eine wesentlich stärkere Dissoziation. Diese Leute wissen nicht, ob das, was sie erleben, real ist oder nicht. Diese Art von Phänomenen ist häufig bei Menschen, die psychische Traumata erlitten haben, von sexuellem Missbrauch bis hin zu psychischer oder physischer Gewalt. Andere Beispiele für schwere Fälle der Dissoziation sind Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung oder dissoziativer Identitätsstörung.
Wir können alle irgendwann einmal Symptome von Entfremdung und Realitätsferne erfahren, aber hier geht es darum, ob diese Symptome unser tägliches Leben beeinflussen. Das Verständnis der verschiedenen Ebenen der Dissoziation ist entscheidend. Es ist besonders wichtig zu erkennen, ob wir professionelle Hilfe benötigen.
Dissoziation bei Mangel an emotionaler Bindung
Einige Psychologen definieren die Dissoziation als einen Abwehrmechanismus des Unterbewusstseins. Wir setzen den Mechanismus in Gang, um emotionale Schmerzen zu vermeiden. Das gilt besonders, wenn wir uns in einem Konflikt oder einer Stresssituation befinden. Das Problem entsteht, wenn diese Dissoziation über längere Zeit andauert, obwohl das traumatische Ereignis bereits abgeschlossen ist.
Eines der Hauptmerkmale der Dissoziation ist, dass es das Bewusstsein, das Gedächtnis und die Art und Weise, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, verändern kann. Sagen wir, ein Junge war in einen sehr schweren Autounfall verwickelt. Um sich selbst zu schützen, hat sein Gedächtnis diese Erinnerung eingefroren. Wenn er an den Unfall zurückdenkt, fühlt er deshalb nichts.
Die Dissoziation ist ein Zustand der psychischen Störung, der bei vielen psychischen Erkrankungen als Begleitsymptom auftreten kann. Dazu gehören unter anderem posttraumatische Belastungsstörungen, Angstzustände, Depressionen, Borderline-Persönlichkeitsstörung und die oben bereits erwähnten dissoziativen Störungen.
Häufige Symptome der Dissoziation
Dissoziative Störungen sind durch verschiedene Symptome gekennzeichnet, die jedoch nicht alle gleichzeitig auftreten müssen.
- Normalerweise ist die Aufmerksamkeit Betroffener eingeschränkt. Es kann zu Desorientierung in Zeit und Raum kommen und dass Verhalten des Einzelnen folgt in der Regel Automatismen wie dem Autofahren, Lesen oder anderen Beschäftigungen, denen wir ohne Nachdenken nachgehen können. Hinzu kommt, dass sich die Person vielleicht nicht mehr daran erinnern kann, was vor wenigen Minuten passiert ist. Das impliziert weiterhin Probleme damit, neue Erinnerungen zu schaffen.
- Das Gedächtnis ist auch in Form einer dissoziativen Amnesie betroffen. Dabei geht es um die Unfähigkeit, sich relevante autobiografische Informationen zu merken. Es kann sein, dass der Mensch seinen eigenen Geburtstag, das Datum seiner Hochzeit oder sogar ganze Teile seines Lebens vergisst.
- Die Depersonalisierung kann beobachtet werden, wenn der Patient sich selbst in seinem eigenen Körper oder Geist nicht erkennt. Sie vermittelt ein Gefühl der Distanz und der Mensch lebt, als wäre er ein externer Beobachter seiner selbst. Zum Beispiel könnte er in einen Spiegel schauen und sich selbst nicht erkennen. Tatsächlich fühlt er sich vielleicht nicht einmal mehr mit seinem eigenen Körper verbunden.
- Damit verbunden sind Zweifel an der eigenen Identität. Der Patient kann einer Verzerrung zum Opfer fallen und beispielsweise annehmen, er ist zehn Jahre jünger wäre, als er tatsächlich ist. Wenn eine Person eine Identitätsänderung erfährt, kann sie ihren Tonfall ändern oder ihr sonst uneigene Gesichtsausdrücke zeigen.
- Das Individuum erlebt die Welt, als wäre sie nicht real oder als wäre sie ein Traum. Das nennt sich Derealisierung. Diese Person ist verwirrt, weil es ihr schwerfällt zu unterscheiden, ob etwas wirklich passiert oder ob es nur in ihrer Vorstellung existiert. Sie nimmt die Welt verzerrt und distanziert war, ohne sie beeinflussen zu können. Sie nimmt die Stimmen anderer mitunter nur weit entfernt wahr.
Warum kommt es zur Dissoziation?
Ein leichter Grad an Dissoziation, wie z. B. so sehr in den Gedanken versunken zu sein, dass wir am Zielort ankommen, ohne uns wirklich daran zu erinnern, wie wir hierher gekommen sind, ist bis zu einem gewissen Punkt normal. Diese Dissoziation muss nicht pathologisch sein. Sie wird jedoch pathologisch, wenn sie ernsthafte Beschwerden verursacht.
Wenn wir von einer stärkeren Dissoziation sprechen, müssen wir mehrere mögliche Ursachen betrachten. Forscher erklären dieses Phänomen als eine Kombination aus persönlichen und Umweltfaktoren. Traumatische Ereignisse wie Kindesmissbrauch, Vergewaltigung und wiederholte körperliche Bestrafung sind häufige Ursachen. Es wird spekuliert, dass besonders prädisponierte Kinder in solchen Situationen die Dissoziation als adaptiven Mechanismus nutzen, um ihre emotionalen Schmerzen zu reduzieren, aber Belege für eine solche Prädisposition konnten noch nicht erbracht werden.
Was tun, um die Dissoziation zu überwinden?
Erstens, keine Sorge. Die Erkenntnis, dass wir nicht gehört haben, was uns unser Gesprächspartner sagte, oder dass wir uns nicht an eine U-Bahnfahrt erinnern, bedeutet nicht unbedingt, dass wir eine psychologische Behandlung benötigen. Andererseits kann es notwendig sein, psychologische Hilfe einzuholen, wenn derartige Symptome häufiger auftreten oder unser tägliches Leben stören.
Wenn Symptome wie Desorientierung, dissoziative Amnesie, Depersonalisierung, Identitätsverlust und Derealisierung auftreten, wird eine psychologische Behandlung notwendig, um die dissoziierten Komponenten der Persönlichkeit wieder zusammenzubringen.
In der Therapie wird das anfängliche Trauma aufgearbeitet und die dissoziierten Teile unserer selbst werden identifiziert. Selbstverwaltungsstrategien und neue Ressourcen werden vermittelt, damit wir ein stabileres und gesünderes Leben führen können. Dazu wird der Therapeut uns beibringen, wie wir unsere Emotionen besser regulieren können. Wir sollten Entspannungstechniken praktizieren, wenn unsere Emotionen die Überhand zu gewinnen drohen.
Es geht darum, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als gesunde Form des Schutzes und der Selbstpflege wiederherzustellen.
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