Die Psychologie der Social-Media-Trolle

Die Psychologie der Social-Media-Trolle
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Sonia Budner

Letzte Aktualisierung: 10. April 2023

Was veranlasst einen Menschen, andere Personen in sozialen Medien anzugreifen? Warum verletzen manche Leute andere, quasi als “Hobby”? Wie wird das Internet zur perfekten Plattform für negative und bösartige Menschen?

Es gibt diejenigen, die wissen, dass ihre Kommentare aggressiv und möglicherweise anstößig sind, aber sie schreiben sie trotzdem, weil es ihnen Spaß macht. Ein Forschungsteam der School of Health and Life Sciences der Federation University in Australien führte eine Studie durch, um die Persönlichkeitsmerkmale dieser Art von Internetbenutzer zu analysieren. Heute kennen wir sie als Social-Media-Trolle.

Die Forscher suchten nach bestimmten Merkmalen und sozialen Fähigkeiten bei Männern und Frauen, die so handelten. Sie stellten fest, dass die Trolle in der Studie bei zwei wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen, nämlich in Psychopathie und kognitiver Empathie, deutlich bessere Ergebnisse erzielten als der Durchschnitt. In diesem Artikel wollen wir sehen, was diese Eigenschaften uns über Trolle erzählen.

Psychopathie: Was sagt uns diese Eigenschaft über Trolle?

Die Psychopathie ist eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Heutzutage ist dieser Begriff in der Klinik nicht mehr sehr gebräuchlich und es wird häufiger von Soziopathie gesprochen.

Der Ursprung dieser Persönlichkeitsstörung ist nicht völlig klar. Es scheint eine genetische Komponente zu geben, die sich je nachdem, wie viel Zuneigung ein Individuum als Kind erhält, manifestieren kann oder nicht. Experten berücksichtigen auch die Hypothese, dass die Ursache in einer Schädigung des Frontallappens aufgrund von Missbildung, Krankheit oder Hirnverletzung gefunden werden könnte.

Ein Troll nutzt die Anonymität im Internet.

Der Psychologe Dr. Robert Hare erforscht seit über drei Jahrzehnten die Psychopathie, die Männer und Frauen betrifft, statistisch gesehen aber häufiger bei Männern auftritt. Hare ist zu dem Schluss gekommen, dass Menschen mit dieser Störung einige Gemeinsamkeiten haben:

  • Psychopathen langweilen sich schnell, sie brauchen ständige Stimulation und können sich keine langfristigen Ziele setzen.
  • Sie sind manipulativ und müssen das Gefühl haben, dass sie Macht und Kontrolle über andere Menschen ausüben können.
  • Psychopathen neigen zu narzisstischen Zügen und schätzen sich selbst hoch ein.
  • Sie haben zudem ernste Probleme mit der Impulskontrolle und reagieren häufig mit Ärger und Wut. Personen mit dieser Störung haben daher Schwierigkeiten, sich sozialen und moralischen Normen anzupassen.
  • Nach außen hin aber scheinen sie charmant und gegenüber anderen Menschen gut eingestellt zu sein.
  • Anderen Schmerzen zuzufügen, macht Psychopathen Freude. Deshalb könnte man meinen, dass Psychopathen kein Einfühlungsvermögen hätten, aber das trifft nicht ganz zu.

Die dunkle Seite der Empathie

Sowohl emotionales Einfühlungsvermögen als auch kognitives Einfühlungsvermögen sind kognitive Prozesse. Es gibt jedoch signifikante Unterschiede zwischen ihnen und sie beinhalten die Aktivierung verschiedener Bereiche des Gehirns.

Heute stehen uns psychometrische Tests zur Verfügung, mit der wir die jeweilige spezifische Art von Empathie messen können, beispielsweise den BES (Basic Empathy Scale). Diese Tests bewerten den Empathietyp und die Ausprägung bei einem Probanden.

Die emotionale Empathie ist weiter in zwei Kategorien unterteilt:

  • Parallele Empathie: die Fähigkeit, zu erkennen, wie jemand anderes fühlt, und die eigene Erfahrung derselben Emotionen
  • Reaktiv: Fähigkeit, auf die Emotionen anderer so zu reagieren, als wären sie selbst betroffen

Beide Arten von Empathie betreffen die Amygdala, das emotionale Zentrum des Gehirns. Man kann sich diese Art von Empathie als “warme” Empathie vorstellen. Es überrascht nicht, dass Social-Media-Trollen diese Art von Empathie völlig fehlt.

Aber da gibt es auch eine andere Art von „kaltem“ Einfühlungsvermögen, die weniger verbreitet und weit weniger bekannt ist. Diese wird kognitive Empathie genannt, und Social-Media-Trolle haben ein hohes Maß an kognitivem Einfühlungsvermögen. Es beschreibt die Fähigkeit, zu wissen, was ein anderer empfindet, ohne dem eine emotionale Komponente hinzuzufügen.

Mit anderen Worten, Menschen mit hohem kognitivem Einfühlungsvermögen können das Leiden einer anderen Person erkennen, fühlen es aber nicht. Dank dieser Art von Empathie können Social-Media-Trolle tatsächlich das emotionale Leiden ihres Opfers vorhersagen und identifizieren. Sie nutzen ihr Wissen, um den größtmöglichen Schaden zu verursachen. Die kognitive Empathie betrifft zwei Bereiche des Gehirns: den präfrontalen Kortex und den hinteren parietalen Kortex. Sie sind beide in Argumentation und Entscheidungsfindung involviert.

Die Verwandlung vom normalen Internet-User zum störenden Troll im Netz

Eine tickende Zeitbombe

Wenn eine Person beide Eigenschaften besitzt, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass sie zu einem Troll werden müsse. Was wir aber mit Sicherheit wissen, ist, dass Social-Media-Trolle toxisch sind. Sie wollen andere mit ihren Worten vergiften und schützen sich in der Anonymität des Internets.

Ähnliche Studien fanden heraus, dass einige Themen für Social-Media-Trolle besonders attraktiv sind. Sie lesen sich oft nicht einmal die Kommentare ihrer “Leser” durch oder überfliegen sie einfach und interpretieren sie neu, um sich ihren Themen anzupassen.

Es gibt keine Studien darüber, wie man Trolle stoppen kann, aber das Ignorieren ihrer Angriffe scheint der beste Weg zu sein, um ihnen nicht mehr Macht zu geben.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.