Die kognitive Entwicklung von Kindern aus der Sichtweise von Piaget
Jean Piaget ist eine entscheidende Referenzgröße, wenn es um die kognitive Entwicklung von Kindern beziehungsweise deren Erforschung geht. Er widmete sein ganzes Leben dem Studium der Kindheit (auch seine eigenen Kinder waren Teil seiner Forschung), um die Geheimnisse der Entwicklung aufzudecken und zu entschlüsseln. Darüber hinaus ist er gemeinsam mit Lev Vygotsky auch als einer der Väter des Konstruktivismus bekannt.
Eine der bekanntesten Theorien von Jean Piaget ist sein Entwicklungsmodell, in welchem er die kognitive Entwicklung von Kindern in vier verschiedene Stadien unterteilte. Er entwickelte dieses Modell auf der Suche nach einer Theorie, mit der sich die allgemeine Entwicklung eines Kindes erklären lassen konnte.
Allerdings wissen wir heute, dass sie zu viele Aspekte unbewertet lässt, als dass sie als Theorie der allgemeinen Entwicklung akzeptiert werden könnte. Dennoch ist diese Klassifizierung ein nützlicher Leitfaden, um zu verstehen, wie wir unsere logisch-arithmetische Fähigkeit in der Kindheit entwickeln.
Kognitive Entwicklung von Kindern: Die einzelnen Stadien
Viele Psychologen dachten, die kognitive Entwicklung von Kindern sei ein akkumulatives Phänomen, bei dem neue Verhaltensweisen und kognitive Prozesse erzeugt werden.
Aber Piaget stellte aufgrund seiner Studien eine Entwicklungstheorie auf, die im Gegensatz dazu auf qualitativen Sprüngen basiert. Nach dieser Theorie erwirbt ein Kind verschiedene Fähigkeiten. Allerdings führt diese Anhäufung von Fähigkeiten früher oder später zu einer qualitativen Veränderung der Denkweise des Kindes.
Piaget teilte die kognitive Entwicklung des Kindes in drei Stadien mit einer Reihe von Unterstadien ein und vervollständigte diese Theorie später, indem er sie auf vier Stadien erweiterte. Diese vier Stadien sind folgende: (1) sensomotorische Intelligenz, (2) präoperationale Intelligenz, (3) konkret-operationale Intelligenz und (4) formal-operationale Intelligenz.
1. Stadium der sensomotorischen Intelligenz
Dieses Stadium liegt vor der Entwicklung der Sprachfähigkeit. Sie beginnt mit der Geburt und dauert bis zum Alter von ungefähr zwei Jahren an. Dieser Zeitraum ist durch die Reflexfähigkeit des Kindes gekennzeichnet.
Das Leben eines Kindes in diesem Stadium basiert auf der Verknüpfung seiner Wahrnehmungsfähigkeit mit der Motorik. In seinem Kopf gibt es nur praktische Konzepte, wie zum Beispiel das Wissen, was zu tun ist, was es zu essen gibt oder wie es die Aufmerksamkeit seiner Mutter bekommen kann.
Nach und nach verallgemeinert das Kind in dieser Phase die Ereignisse in seiner Umgebung und entwickelt Vorstellungen davon, wie die Welt funktioniert.
Wenn sich diese Ideen überschneiden, entwickelt das Kind die Vorstellung der Beständigkeit von Objekten, die sogenannte Objektpermanenz, und versteht, dass Objekte als Entitäten existieren, die ihm fremd sind.
Bevor es diese Vorstellung entwickelt, existiert alles, was ein Kind nicht sehen, hören oder berühren kann, aus seiner Sicht auch nicht.
Das Ende dieses Stadiums ist durch die Entwicklung der Sprache gekennzeichnet. Das Erlernen der Sprache bedeutet eine tiefgreifende Veränderung der kognitiven Fähigkeiten eines Kindes.
In der Regel geht dieser Prozess mit der semiotischen Funktion einher: der Fähigkeit, Konzepte durch Gedanken zu repräsentieren. Das Kind entwickelt daher den rein praktischen Verstand weiter und bildet einen Verstand aus, der auch auf einer repräsentativen Ebene agiert.
2. Kognitive Entwicklung von Kindern: Stadium der präoperationalen Intelligenz
Dieses Stadium erfolgt bei Kindern im Alter zwischen zwei und sieben Jahren. Es handelt sich um eine Übergangsphase, in der das Kind beginnt, mit seinen semiotischen Fähigkeiten zu arbeiten.
Obwohl der kindliche Verstand bereits eine Repräsentationsebene erreicht hat, unterscheidet er sich noch stark von dem eines Erwachsenen. In dieser Phase tritt die kindliche “Egozentrik” auf.
Das Kind verhält sich “egozentrisch”, weil sein Denken vollkommen egozentriert erfolgt. Daher ist das Kind nicht in der Lage, das Physische vom Psychischen zu unterscheiden und auch nicht das Objektive vom Subjektiven.
Stattdessen ist die eigene subjektive Erfahrung gleichbedeutend mit der objektiven Realität, welche für alle Individuen in gleicher Weise existiert. Hier findet sich ein Aspekt, der in der Theorie des Geistes nach wie vor fehlt. Ab dem Alter von 4 Jahren beginnt ein Mensch, diese Egozentrik abzulegen und eine Theorie des Geistes zu entwickeln.
In diesem Stadium können auch Probleme auftreten. Das Kind muss in der Lage sein zu verstehen, dass sich das Universum verändert. Es ist in der Lage, Zustände zu verstehen, aber nicht die Umwandlung von Materie.
Wir wollen dies an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn man einem Kind in diesem Entwicklungsstadium ein volles Glas Wasser zeigt und dieses Wasser anschließend in ein schmaleres, aber höheres Glas gießt, geschieht Folgendes. Das Kind wird denken, dass sich im zweiten Glas mehr Wasser befindet als im ersten. Denn es ist noch nicht dazu in der Lage zu verstehen, dass die Umwandlung von etwas nicht die Menge des vorhandenen Materials verändert.
3. Stadium der konkret-operationalen Intelligenz
Dieses Stadium erfolgt im Alter zwischen 7 und 11 oder 12 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt ist es dem Kind bereits gelungen, sich nicht mehr ausschließlich nur auf seine eigenen Sinneswahrnehmungen zu verlassen. In dieser Phase beginnen Kinder damit, Konzepte zu entwickeln, und sie erkennen, dass die Umwandlung der Form nicht die vorhandene Menge eines Objektes verändert.
Das Kind beginnt, eine Logik von Klassen und Beziehungen zu konstruieren, die nichts mit Wahrnehmungsdaten und Sinneseindrücken zu tun haben. Außerdem versteht es Transformationen und ebenso die Tatsache, dass diese auch in umgekehrter Richtung stattfinden können (zum Beispiel etwas hinzufügen anstatt zu entfernen).
Darüber hinaus besteht ein weiterer wichtiger Aspekt darin, dass das Kind nun in der Lage ist, diese Operationen durchzuführen, indem es sie im Kopf repräsentiert, ohne diese mit tatsächlichen Objekten durchführen zu müssen.
Obwohl das Kind die Operationen und die Logik beherrscht, kann es sie allerdings nur mit bestimmten, ihm vertrauten Objekten durchführen. Es ist noch nicht dazu in der Lage, über Dinge zu theoretisieren, die es nicht kennt oder die außerhalb seines Wahrnehmungswissens liegen. Diese Fähigkeit wird das Kind erst im nächsten Entwicklungsstadium erwerben.
4. Kognitive Entwicklung von Kindern: Stadium der formal-operationalen Intelligenz
Dies ist das letzte Entwicklungsstadium. Das Kind wird auf kognitiver Ebene zum Erwachsenen. Dieses Stadium ist durch den Erwerb des wissenschaftlichen Denkens gekennzeichnet. Das Kind kann nun nicht mehr nur über reale Dinge nachdenken, sondern auch über das Mögliche.
Diese Phase ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit, Hypothesen aufzustellen und die möglichen Konsequenzen dieser hypothetischen Möglichkeiten zu untersuchen. Das Kind hat seine Prüfverfahren perfektioniert und akzeptiert keine Meinungen, ohne sie zu hinterfragen oder zu überprüfen.
Außerdem beginnt das Kind, sich neues Wissen und intellektuelle Werkzeuge anzueignen. Diese werden es ihm ermöglichen, sich als kompetenter Erwachsener innerhalb der Gesellschaft zu entwickeln.
Von diesem Punkt an wird es jedoch keinen weiteren qualitativen Sprung erleben.
Es wird zwar schneller oder präziser bei seinen geistigen Operationen werden, aber es wird immer noch auf dieselbe Weise denken.
Abschließende Gedanken
Jetzt weißt du, wie Piaget die kognitive Entwicklung von Kindern gesehen hat. Glaubst du, dass Kinder sich tatsächlich so entwickeln? Oder ist diese Theorie unzureichend, um die menschliche Entwicklung in ihrer Gesamtheit zu erklären?