Deshalb sind introvertierte Führungspersönlichkeiten so beliebt

Ein Gastbeitrag von Jennifer Häuser. "In der Gesellschaft hält sich hartnäckig das Gerücht, dass introvertierte Menschen einfach ruhig und unscheinbar sind. Allerdings ist das eine Fehlannahme."
Deshalb sind introvertierte Führungspersönlichkeiten so beliebt

Geschrieben von Jennifer Häuser

Letzte Aktualisierung: 12. Oktober 2022

Die Diskussionen darüber, was einen guten Vorgesetzten ausmacht, gibt es schon seit Jahrtausenden. Sicherlich haben schon unsere Vorfahren hinter dem Rücken des Vorzeigejägers gelästert. Zu kontrollierend, zu wenig vor Ort, ein bisschen zu arrogant – typische Eigenschaften, mit denen ein Chef beschrieben wird. Doch du könntest unter Umständen auch gerade verwundert sein. Denn ja, über Führungspersönlichkeiten wird viel gesprochen. Aber nein, nicht alle sind Ziel von Lästerei oder harscher Kritik. Stattdessen gibt es auch gute Vorgesetzte, die auf die Bedürfnisse anderer eingehen, Ziele klar formulieren und die Arbeitsleistung honorieren. Die Chancen stehen gut, dass eine solche Führungskraft introvertiert ist.

Introversion einfach erklärt

In der Gesellschaft hält sich hartnäckig das Gerücht, dass introvertierte Menschen einfach ruhig und unscheinbar sind. Allerdings ist das eine Fehlannahme. Denn Introversion definiert sich durch eine innere Ausrichtung. Das heißt, introvertierte Personen verbringen viel Zeit mit Nachdenken und Reflexion.

Hinzu kommt, dass sie durch soziale Kontakte stärker belastet werden als extrovertierte Menschen. Aufgrund von äußerst durchlässigen Reizfiltern, sind Introvertierte durch Gespräche, Menschenansammlungen und Unruhe schneller erschöpft. Extrovertierte Menschen ziehen aus solchen Situationen eher ihre Energie – dafür werden sie aber unruhig, wenn sie für sich sind.

Dadurch, dass Reize schneller zum Problem werden, haushalten Introvertierte einfach anders mit ihrer Energie. Das äußert sich dann auf verschiedenste Weisen. Einige introvertierte Personen sind wirklich unscheinbar und meiden das Rampenlicht. Andere nehmen sich bewusst ihre Ruhepausen, sind aber ansonsten nicht als introvertiert zu erkennen. Wieder andere besinnen sich auf ihre Stärken und werden daher zu unglaublich effektiven und beliebten Führungskräften.

introvertierte Menschen sind oft Führungspersönlichkeiten

Diese Qualitäten sollte eine Führungskraft haben

Es gibt nicht die eine perfekte Führungskraft. Denn was genau jemanden ideal für eine leitende Stelle macht, hängt logischerweise von der Branche und der spezifischen Firma ab. Trotzdem wirst du wahrscheinlich selbst eine Idee davon haben, welche Menschen Führung übernehmen können.

Typischerweise ist eine Führungskraft in der Lage, Mitarbeiter zu mehr Leistung zu motivieren. Das funktioniert allerdings nur, wenn auch Eigenleistung dahintersteht. Du wirst jemanden, der viel fordert, aber selbst wenig leistet, wohl kaum als motivierend empfinden. Da spielt auch hinein, dass Führungskräfte erfahren sein sollten: Denn nur so sind sie in der Lage, berufliche und persönliche Herausforderungen zu meistern.

Ohnehin ist die persönliche Ebene etwas, was Führungskräfte entweder außergewöhnlich gut oder leider auch ziemlich schlecht meistern. Emotionale Intelligenz ist hier das Stichwort. Eine emotional intelligente Führungskraft kann durch Zuhören und Empathie auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen. Daraus erwachsen auch direkt Handlungen. Es gibt Zeiten, in denen muss ein Mitarbeiter wiederholt motiviert und angetrieben werden. Gleichzeitig gibt es Phasen, in denen zu viel Kritik oder Kontrolle eher hinderlich sind.

Die Potentiale introvertierter Führungskräfte

Introvertierte Menschen denken gemeinhin erst nach, bevor sie sprechen. Sie beobachten gerne und wollen ihre Umwelt verstehen. Übertriebene Selbstdarstellung missfällt ihnen, da sie ihre Energie lieber auf die Sache richten und nicht auf die Präsentation. Daraus entwächst: eine beliebte Führungskraft.

Denn eine der häufigsten Kritiken an schwierigen Chefs ist wohl, dass sie viel reden und wenig machen. Introvertierte Führungskräfte sind dagegen gewappnet. Sie wollen Projekte gut durchdenken, sauber ausführen und zufriedenstellend abgeschlossen sehen. Für Mitarbeiter, die das Gefühl von Zielstrebigkeit und Bestätigung schätzen, ist das besonders wertvoll.

Chaotische Unternehmen, in denen jeder sein Ding macht und viel aus dem Stegreif beschlossen wird, haben durchaus ihren Platz in der freien Wirtschaft. Sie strotzen nur so vor Kreativität und die kumpelhafte Atmosphäre gefällt meist vor allem jungen Mitarbeitern. Doch Effektivität und Zielstrebigkeit sind hier eher selten zu finden.

Du wirst bei einer introvertierten Führungskraft wahrscheinlich jederzeit in der Lage sein, ein Einzelgespräch zu vereinbaren. Fühlst du dich überfordert (oder unterfordert), stehen die Chancen gut, dass dir alternative Arbeitsweisen angeboten werden. Denn Introvertierte wissen, wie es ist, in einer suboptimalen Umgebung zu leben und zu arbeiten. Jede introvertierte Führungskraft war einmal ein introvertierter Schüler in einem lauten Klassenraum. Auch die Erfahrung mit Selbstdarstellern kennen sie gut. Umso wichtiger wird es ihnen sein, dir die Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, in denen du am meisten Leistung bringen kannst und dich wohlfühlst.

Daran scheitern introvertierte Führungspersönlichkeiten

Leider bedeutet eine introvertierte Persönlichkeitsstruktur noch nicht, dass alles von allein funktioniert. Auch introvertierte Menschen scheitern an ihren Aufgaben. Besonders anfällig sind sie für zu viel Eigenständigkeit oder zu hohe Ansprüche. Damit ist gemeint, dass sie keine Arbeiten abgeben können und von allen die gleiche Leistung erwarten.

Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Introvertierte die Präsentation ihrer Arbeit vernachlässigen. Da sie sehr auf tatsächliche Leistung bedacht sind, fehlt es ihnen manchmal an einem Bewusstsein dafür, dass Außendarstellung wichtig ist. Werbung, das Pflegen von Kontakten und auch ein wenig Angeberei sind in vielen Branchen sehr wichtig.

Frau denkt über Führungspersönlichkeiten nach

Clevere Introvertierte nutzen ihre extrovertierten Mitarbeiter

Abschließend muss gesagt werden, dass introvertierte Chefs häufig beliebter sind, weil sie nun mal nicht in die klassischen Fallen tappen. Sie machen sich selten bis nie größer, als sie tatsächlich sind. Außerdem sind sie häufig empathischer, weshalb sie auf die Probleme ihrer Angestellten eingehen können.

Solltest du als introvertierter Mensch selbst eine leitende Position anstreben, dann kannst du die extrovertierten Mitarbeiter bewusst nutzen. Ihre kommunikative Art ist belebend für das Büro. Häufig entstehen aus wilderen Arbeitsweisen auch kreativere Lösungen. Zusätzlich kannst du ihnen die Aufgaben übertragen, die für dich selbst eher nicht geeignet sind. Während du für die Qualitätssicherung und Zukunftsorientierung zuständig bist, können andere die Werbetrommel rühren und Begeisterung für ein neues Projekt auslösen. Besinne dich auf deine zuverlässige und ruhigere Art – das macht dich bei vielen Menschen sehr beliebt.

 

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