Der Neurobiologe Rafael Yuste gibt faszinierende Einblicke in das Gehirn

Rafael Yuste ist ein Neurowissenschaftler, der in die Zukunft blickt. Er ist davon überzeugt, dass neue Erkenntnisse neue Gesetze erfordern. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn andere mit einem Gerät deine Gedanken lesen könnten?
Der Neurobiologe Rafael Yuste gibt faszinierende Einblicke in das Gehirn
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 16. Mai 2023

Rafael Yuste ist ein bahnbrechender Wissenschaftler, der an dem berühmten Human Brain Projects forscht, um das Gehirn zu hacken. Außerdem ist er Professor an der Columbia University in den USA und einer der interessantesten Köpfe unserer Zeit.

In einem seiner Interviews spricht Rafael Yuste über Themen rund um das Gehirn, die von außen betrachtet wie Science-Fiction wirken mögen. Er ist einer der führenden Wissenschaftler, die sich für “Neurorechte” einsetzen, denn er ist davon überzeugt, dass wir nur noch einen Schritt von einer Technologie entfernt sind, die es uns ermöglicht, die Gedanken anderer präzise zu steuern.

Er hat auch auf Entdeckungen hingewiesen, die bis vor wenigen Jahrzehnten undenkbar waren. Zum Beispiel, dass jedes Gehirn seine eigene Realität schafft und dass sich diese Realität von der anderer Gehirne unterscheidet. Es hört sich verrückt an, doch Rafael Yuste weiß besser als alle anderen, dass dies eine solide argumentierte Schlussfolgerung ist und dass es nicht die letzte Überraschung sein wird, die die Wissenschaft für uns bereithält.

“Erinnern wir uns an das Collingridge-Dilemma: Wenn eine neue Technologie auftaucht, weiß man nicht wirklich, wozu sie gut ist, aber es ist sehr einfach, sie zu regulieren; aber wenn man sie dann loslässt und sie sich in der Bevölkerung ausbreitet, weiß man sehr genau, wozu sie gut ist, aber es ist unmöglich, sie zu regulieren”.

Rafael Yuste

Rafael Yuste und die Geheimnisse des Gehirns

Der Neurowissenschaftler wusste schon als Kind, dass er Neurowissenschaftler werden wollte. Die Arbeit von Santiago Ramón y Cajal, dem Vater der Neurowissenschaften, war sein großer Bezugspunkt. Er schlug bereits 2011 bei einem Expertentreffen in London vor, die vollständigste Karte des Gehirns zu erstellen, die je angefertigt wurde.

So entstand das Human Brain Project, das uns regelmäßig mit ihren Ergebnissen überrascht. Die Wissenschaftler konnten unter anderem die Nervenstruktur der Fliegenlarve und einer Fliege kartieren. Das nächste Ziel ist das Gehirn einer Maus mit 100 Millionen Neuronen.

Rafael Yuste erklärt: “Die Kartierung des Gehirns macht es möglich, dieses Organ nicht nur zu lesen, sondern auch in ihm zu schreiben.” Neurowissenschaftler sind bereits in die Gehirne von Mäusen eingedrungen und haben deren Gehirnaktivität und Verhalten verändert. Ob das auch bei Menschen möglich ist, ist nur eine Frage der Zeit.

Gedankenlesende Maschinen

Bislang wurde die Möglichkeit, die Gedanken eines Menschen zu lesen, als paranormal oder fiktiv bezeichnet. Yuste weist darauf hin, dass dies nicht nur eine reale Möglichkeit ist, sondern dass es bereits Maschinen gibt, die Gedanken lesen. “Sie sind noch rudimentär, aber sie haben die Grenze überschritten“, fügt er hinzu.

Diese Maschinen sind nicht nur in der Lage, in den Geist einer Person einzudringen und zu wissen, was sie sieht und hört, sie können auch Vorstellungen erkennen. Er erklärt, dass es in diesem Bereich zwei Arten von Neurotechnologien gibt: Einerseits solche, die die Gehirnaktivität “lesen” und auf ein Gerät übertragen können. Zum anderen solche, die Aktivitäten “schreiben” und ins Gehirn hochladen können.

Erstere sind weiter fortgeschritten als letztere. Seit 2008 verfügt u.a. eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Universität Berkeley über Geräte, die in der Lage sind, Gedanken zu “lesen”. So wird es gemacht: Das Gehirn wird gescannt, während die Versuchsperson ein Bild aus 100 Optionen auswählt.

Dank der Scan-Ergebnisse kann das Forscherteam feststellen, welche Wahl die Teilnehmenden treffen. Das ist an sich schon eine erstaunliche Tatsache, doch das ist noch nicht alles. Wenn sich die Person einen Gegenstand vorstellt, der auf keinem Bild zu sehen ist, kann das Gerät diesen Gegenstand relativ gut erraten. Wie lange wird es dauern, bis wir in der Lage sind, das Gehirn zu hacken? Vermutlich nicht mehr lange…

Eine unvorhersehbare Zukunft

Rafael Yuste glaubt, dass wir in etwa fünf Jahren sehen werden, wie zwei künstliche Gehirne eine intelligente Unterhaltung führen können. Er behauptet auch, dass es schon bald möglich sein wird, Veränderungen am Gehirn vorzunehmen. Für die Neurowissenschaftler und für die Gesellschaft wird dies ein großer Schritt nach vorne sein, denn damit könnten Probleme wie Schizophrenie, schwere Depressionen und Parkinson gelöst werden.

Die Aussichten sind jedoch nicht so ermutigend, wenn man sich die Fortschritte ansieht, die große multinationale Unternehmen in dieser Richtung gemacht haben. Wir vernehmen bereits den begriff “Neurokapitalismus”. Unternehmen wollen mit den neuen Technologien keine Krankheiten heilen, sondern möglichst viel Geld verdienen.

Neue Errungenschaften können vermutlich in Zukunft Blinden das Sehen und Gelähmten das Gehen ermöglichen. Die Gefahr, dass sie missbräuchlich verwendet werden, ist jedoch immens. 

Titelbild “Creative Commons” von Jh4099 lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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  • Salas, J. (2020). Por qué hay que prohibir que nos manipulen el cerebro antes de que sea posible. El País, 12.


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