Depression und Unordnung: Wenn der physische Raum den Zustand des Geistes widerspiegelt

Manche Studien verbinden Unordnung mit Intelligenz, andere glauben, dass sie von Kreativität zeugt. Es könnte sich jedoch auch eine Depression dahinter verbergen.
Depression und Unordnung: Wenn der physische Raum den Zustand des Geistes widerspiegelt
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 31. Januar 2023

Manche Studien verbinden Unordnung mit Intelligenz. Räume, die in Chaos und Anarchie versinken, sind für viele ein Zeichen von Kreativität. Ein Schreibtisch, auf dem sich Dokumente, Schreibutensilien und Bücher türmen, Kleidung auf den Stühlen oder in allen Ecken und vielleicht noch leere Teller oder Gläser zeugen jedoch oft von einer anderen Realität: der Depression. Der physische Raum spiegelt in vielen Fällen den mentalen Zustand einer Person wider.

Oft finden wir nicht die Kraft oder Zeit, im Haushalt für Ordnung zu sorgen. Doch der Anblick des Durcheinanders sorgt für zusätzlichen Stress.

Unordnung spiegelt oft eine Depression wider
Wenn das Chaos zu groß wird, fühlen wir uns überwältigt und gestresst.

Depression und Unordnung

Aufräumen und Putzen steht vielleicht nicht auf der Liste deiner Lieblingsbeschäftigungen, außerdem fehlt es dir an Zeit und Energie, deshalb neigst du zur Prokrastination. Das kann vorkommen, problematisch wird es jedoch, wenn Wochen oder sogar Monate vergehen und die Unordnung überwältigende Dimensionen annimmt. Du fühlst dich nicht mehr wohl in deinen eigenen vier Wänden, es fehlt dir jedoch an Kraft, um Ordnung zu schaffen und du siehst keinen Ausweg.

Manche Menschen sind an Chaos und Anarchie gewohnt, doch wenn du normalerweise ordnungsliebend bist, könnte die Unordnung deinen depressiven Gemütszustand widerspiegeln. 

Depressionen führen nicht nur zu einer Vernachlässigung der Sauberkeit in der Wohnung, sondern oft auch zu einer Vernachlässigung der eigenen Hygiene.

Wenn du grundlegende Aufgaben vernachlässigst

Natürlich ist ein Netflix-Marathon ansprechender als Wäsche waschen oder Badezimmer reinigen. Du fühlst dich vielleicht schon beim Aufstehen erschöpft und hast kaum Lust, dich zu duschen oder anzukleiden. In manchen Zeiten ist die Hoffnungslosigkeit so groß, dass jeder Schritt eine Belastung bedeutet. 

Depressionen und Unordnung stehen in direktem Zusammenhang: Diese Gemütsstörung führt zu fehlender Motivation, zu einem Mangel an Energie und zur Entmutigung. Die Vernachlässigung der psychischen Gesundheit kann die Unordnung im Haus erklären, doch überdimensionale Unordnung belastet auch den Geist.

Wenn sich nutzlose Gegenstände oder sogar Müll in der Wohnung ansammeln, könnte dies auf das Diogenes-Syndrom oder auf eine Hortungsstörung hinweisen. Das Zuhause ist das Spiegelbild, das uns viel über den psychischen Zustand einer Person verrät. Wenn eine Depression vorliegt, sind Müdigkeit und Anhedonie die Symptome, die zur Vernachlässigung führen. Eine Studie der Universität Cambridge zeigt auf, dass viele Menschen, die aufgrund von anhaltender Müdigkeit in die Hausarztpraxis kommen, an einer latenten Depression leiden. Diese Stimmungsstörung hindert sie daran, sich um so grundlegende Dinge wie ihren Haushalt zu kümmern.

“Nur aus Unordnung kann etwas Vernünftiges entstehen.”

Jean Monnet

Wann ist Unordnung ein Anzeichen für eine Depression?

Nicht alle unordentlichen Menschen leiden an einer depressiven Störung. Doch es gibt verschiedene Hinweise, die eine Stimmungsstörung vermuten lassen:

  • Veränderte Lebensgewohnheiten führen zu fortschreitender Unordnung. Früher legte die Person Wert auf Sauberkeit und Ordnung, doch jetzt vernachlässigt sie diese Aspekte.
  • Die Person verliert immer mehr das Interesse an Aktivitäten, die sie früher motivierten.
  • Ihr einziges Bedürfnis ist es, abzuschalten und nicht zu denken. Das führt zu einer fortschreitenden Selbstisolierung.
  • Außerdem vernachlässigt die betroffene Person auch häufig grundlegende Aspekte wie ihre eigene Hygiene.
  • Jede Aufgabe überfordert sie, auch einfache Tätigkeiten stellen eine Belastung dar.

Depressionen lassen manche Menschen glauben, dass sie keine Zeit zum Aufräumen haben oder dass sie es nicht verdienen, in einer sauberen Umgebung zu leben. Viele sind sich über die Unordnung in ihrem Haus gar nicht bewusst.

Frau spricht mit Psychologin über Unordnung
Die Wahrnehmung, dass es uns immer schwerer fällt, unser Zuhause ordentlich zu halten und sogar unsere Hygiene zu verbessern, ist ein Grund, einen Fachmann zu konsultieren.

Ordnung trotz Depression

Depressionen machen Betroffene hilflos und hoffnungslos, alles scheint sich ihrer Kontrolle zu entziehen. Jede kleinste Aufgabe kostet enorme Kraft. Professionelle Hilfe ist in dieser Situation dringend notwendig. Eine Psychotherapie ist der beste Weg, um dem Chaos zu entkommen und neue Motivation zu finden. Die Umgebung hat großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden, deshalb ist es wichtig, trotz oder gerade aufgrund der Depression, Ordnung zu schaffen.

Folgende Tipps können dir helfen:

  • Beginne mit einfachen Aufgaben. Setze dir keine Ziele, die du nicht erreichen kannst. Es reicht anfangs schon, aufzustehen und das Bett zu machen; das Frühstücksgeschirr wegzuräumen und schrittweise mit einzelnen Räumen zu beginnen.
  • Wertschätze deine kleinen Erfolge. Ein Bett gemacht, die Waschmaschine gewaschen, eine Dusche genommen und angezogen…. Ob du es glaubst oder nicht, das sind große Leistungen, sei stolz auf dich.
  • Stütze dich auf nahestehende Menschen. Es ist klar, dass du nicht alles allein bewältigen kannst, wenn du mitten in einer Depression steckst. Die Unterstützung deiner Liebsten ist unverzichtbar, lass sie dir beim Aufräumen (und bei anderen Tätigkeiten) helfen.

Wenn du gerade auf das Chaos in deinem Haus oder Zimmer schaust und dieses Bild dich überwältigt, musst du wissen, dass du nicht die einzige Person bist, der es so geht. Bitte um Hilfe und konzentriere dich auf kleine, realisierbare Ziele, um Ordnung in dein Leben zu bringen.


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