Das sensorische Profil: Was ist das?

Das sensorische Profil hilft, die Empfindlichkeit auf Umgebungsreize zu erkennen und sich besser anzupassen oder optimale Voraussetzungen für gute Leistung zu schaffen.
Das sensorische Profil: Was ist das?
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 11. April 2023

In Schulen, in der Arbeitswelt und im täglichen Leben wird traditionell eine Homogenisierung des sozialen Gefüges angestrebt. Wer anders ist, wird unter Druck gesetzt, um sich zu verändern. Zwar hat sich das Bewusstsein für Vielfalt in den vergangenen Jahren positiv verändert, doch es gibt noch immer viele Vorurteile und unflexible Haltungen. Im Rahmen dieses Paradigmas fragen wir uns in diesem Artikel, was das sensorische Profil ist. Du möchtest wissen, was das ist? Dann lies weiter…

Jede Person reagiert unterschiedlich auf Reize wie Licht, Geräusche, Gerüche, Texturen oder andere Sinneseindrücke, die sich im Alltag auf unser Wohlbefinden und unsere Produktivität auswirken. Wenn du dein sensorisches Profil kennst, kannst du produktiver und erfolgreicher sein.

Das sensorische Profil nach Winnie Dunn

Winnie Dunn ist auf dem Gebiet der Verarbeitung von sinnlichen Wahrnehmungsmustern eine führende Persönlichkeit. In ihrem Buch Leben mit den Sinnen¹ beschreibt sie verschiedene sensorische Typen, die auf bestimmte Sinnesreize unterschiedlich reagieren.

Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Empfindlichkeitsschwelle. So kann ein Geruch, der für eine Person kaum wahrnehmbar ist, für eine andere Person sehr störend sein. Du genießt vielleicht eine Achterbahnfahrt, während sich deine Mutter dabei unwohl fühlt und überwältigt ist.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Aufnahme von Reizen zu regulieren. Manche Menschen sind passiv und lassen die Dinge geschehen, während andere sich aktiv für Veränderungen einsetzen, um den Grad der Stimulation zu erreichen, den sie benötigen.

Wenn beide Variablen (neurologische Schwelle und Selbstregulierung) kombiniert werden, ergeben sich nach Dunns Modell der sensorischen Verarbeitung vier verschiedene Muster der sensorischen Verarbeitung. Wir sehen uns diese sensorischen Profile anschließend etwas genauer an.

Sensory Profile: Mädchen reagiert gestresst auf Schreie ihrer Schwester.
Menschen mit einer hohen Reizschwelle und aktiver Selbstregulierung zeigen Reaktionen wie lautes Reden und Impulsivität.

1. Suche nach Reizen (hohe Reizschwelle, aktive Reaktion)

Dieses Profil beschreibt Menschen mit einer hohen Reizschwelle und aktiver Selbstregulierung. Sie benötigen eine intensive, anhaltende Stimulation und suchen bewusst danach. Bei einem Kind kann sich das durch folgendes Verhalten zeigen:

  • Impulsivität
  • Grobes Spiel
  • Lautes Sprechen oder Schreien
  • Es fasst alles um sich herum an.
  • Das Bedürfnis, ständig zu rennen, zu klettern oder sich zu bewegen
  • Übertriebene Zuneigung, ohne den Raum der anderen zu respektieren
  • Sie bevorzugen intensive Geschmäcker oder laute Musik.

2. Vermeidung von Reizen (niedrige Reizschwelle, aktive Reaktion)

Diese Menschen vermeiden Reize, da sie sich schnell überwältigt fühlen. Kinder halten sich zum Beispiel bei lauten Geräuschen die Ohren zu oder gehen an einen anderen Ort. Sie weigern sich, neue Lebensmittel zu probieren oder lehnen Körperkontakt ab. Sie reagieren unter anderem auch sensibel auf bestimmte Stoffe und Texturen von Kleidung. Dieses sensorische Profil ist sehr vorsichtig.

3. Sensorische Sensibilität (niedrige Reizschwelle, passive Reaktion)

Personen mit diesem Profil gehen Reizen nicht aus dem Weg, reagieren jedoch empfindlich und übertrieben. Diese Kinder fühlen sich in verschiedenen Situationen oft überwältigt und sind deshalb reizbar und launisch. Außerdem brauchen sie mehr Zeit, um Informationen zu verarbeiten. Sie sind deshalb langsam und oft gehemmt.

4. Niedrige Reizregistrierung (hohe Reizschwelle, passive Reaktion)

Schließlich gibt es Menschen mit einer hohen Reizschwelle, die mehr Stimulation benötigen, jedoch auf passive Weise reagieren. Sie neigen dazu, sich ablenken zu lassen und verpassen einen Großteil der Informationen in ihrer Umgebung. Es scheint ihnen gleichgültig zu sein, was vor sich geht. Ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, ist sehr schwierig.

Wie erkennt man das sensorische Profil?

Es gibt ein standardisiertes Instrument, um das sensorische Profil einer Person zu messen: das Sensory Profile. Es handelt sich um einen Fragebogen, den es für verschiedene Altersstufen gibt. Sollen Kinder zwischen drei und 14 Jahren beurteilt werden, beantworten die Eltern, Betreuer oder Lehrkräfte die Fragen. Jugendliche und Erwachsene füllen den Fragebogen selbst aus.

Wie erkennt man das sensorische Profil?
Das Sensory Profile ist bei Kindern mit Neurodivergenz hilfreich.

Das sensorische Profil: Vorteile der Bewertung

Studien zeigen, dass die Erstellung des sensorischen Profils für Kinder mit Neurodivergenz (Autismus-Spektrum-Störung, ADHS…), Entwicklungs- oder Lernstörungen besonders nützlich ist, da sie sehr empfindlich auf Reize reagieren. Die Bewertung hat unter anderem folgende Vorteile:

  • Besseres Verständnis der Bedürfnisse und der Art und Weise, wie die Person die Realität erlebt.
  • Informationen über Stärken und Potenziale der Person, Erkenntnisse über Schwierigkeiten in der sensorischen Verarbeitung.
  • Diese Informationen helfen bei der Planung einer Interventionsstrategie oder bei Anpassungen im Alltag, in der Schule, im Beruf oder in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Das sensorische Profil hilft uns, Verhaltensweisen besser zu verstehen, die nicht auf Ungehorsam zurückzuführen sind, sondern auf eine Diskrepanz zwischen Bedürfnissen und der Realität. Ein sehr sensibles Kind benötigt unter anderem eine ruhige Umgebung, um leistungsfähig zu sein und sich wohlzufühlen. Ein Kind mit einer niedrigen Reizregistrierung hingegen benötigt Motivation, um aufmerksam und produktiv zu sein.

Konkret deutet eine im American Journal of Occupational Therapy veröffentlichte Studie darauf hin, dass die Verwendung von Medizinbällen als Sitzgelegenheit die Produktivität von Kindern mit ADHS begünstigt (da sie ein gewisses Maß an Bewegung benötigen). Ebenso fördert die Verwendung von Gewichtswesten die Leistung von Kindern mit tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (aufgrund der propriozeptiven Stimulation). Das sind nur einige Beispiele für Anpassungen, die vorgenommen werden können.

Sensorische Profilerstellung als Instrument zur Selbsterfahrung

Der Sensory Profile-Fragebogen unter der Anleitung einer Fachkraft durchgeführt werden. Die Eltern oder andere Bezugspersonen können daraus die Bedürfnisse ihres Kindes erkennen. Wenn ein Kind zum Beispiel sehr sensibel auf Licht oder auf Geräusche reagiert, können sie entsprechende Maßnahmen treffen. Das Kind fühlt sich dadurch wohler, kann leistungsfähiger sein und sich besser entwickeln.

Auch für Erwachsene ist das sensorische Profil interessant: Sie lernen sich durch die Bewertung besser kennen und können zum Beispiel ihre Arbeitsumgebung an ihre konkreten Bedürfnisse anpassen, um leistungsfähiger zu sein.

▶ Literturempfehlung

  1. Leben mit den Sinnen. Wie Wahrnehmungsmutster unser Leben bestimmen, Winnie Dunn, Huber 2009

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