Das sensomotorische Entwicklungsstadium nach Piaget

Das Thema des heutigen Artikels ist die erste Stufe von Piagets Entwicklungstheorie: das sensomotorische Entwicklungsstadium.
Das sensomotorische Entwicklungsstadium nach Piaget
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 09. April 2023

Eltern, Lehrer und alle, die viel Zeit mit Kindern verbringen, haben deren Entwicklungsprozess in den ersten Jahren ihres Lebens beobachtet. Dieser Prozess ist die Grundlage für Piagets Entwicklungstheorie. Die erste Phase dieses Prozesses, das sensomotorische Entwicklungsstadium, ist Gegenstand unseres heutigen Artikels.

Der Psychologe Jean Piaget war der Autor einer der wichtigsten Theorien zur kindlichen Entwicklung, die jemals entwickelt wurden. Er teilte den Prozess, durch den Kinder ihre kognitiven Fähigkeiten entwickeln, in vier Stadien ein. Das erste, welches bei der Geburt beginnt und bis zum Alter von etwa zwei Jahren dauert, ist aufgrund der beeindruckenden Fortschritte, die Kinder in diesem Alter machen, besonders wichtig: das sensomotorische Entwicklungsstadium.

Das sensomotorische Entwicklungsstadium: Merkmale

das sensomotorische Entwicklungsstadium - Baby

Die Erkundung und Entdeckung der Umwelt

In den ersten zwei Lebensjahren beginnen Kinder, ihre Umgebung mit ihren Sinnen zu erkunden und kennenzulernen. Piaget hebt Assimilation und Akkommodation als primäre Lernprozesse hervor. Um diese Konzepte zu verstehen, ist es jedoch wichtig zu wissen, dass das Gehirn von Kindern auf der Grundlage kognitiver Strukturen funktioniert, welche sich aufgrund der von ihnen gemachten Erfahrungen ändern.

Daher findet eine Assimilation statt, wenn das Kind seine vorhandenen kognitiven Strukturen nutzt, um sich auf ein neues Objekt oder Ereignis zu beziehen. Wenn das Kind beispielsweise zum ersten Mal an einer Flasche saugt, nutzt es dabei den Bewegungsablauf, mit dem es an der Brust seiner Mutter gesaugt hat.

Anpassung hingegen findet statt, wenn die neue Erfahrung nicht in eine der bereits vorhandenen kognitiven Strukturen passt. In diesem Fall müssen sich die Strukturen ändern. Dies geschieht beispielsweise, wenn ein Kind, dessen Familienbegriff Vater, Mutter und Kinder umfasst, eine Familie ohne Vater trifft, weil der Vater verstorben ist.

Egozentrismus

Ein weiteres grundlegendes Element des sensomotorischen Stadiums ist der Egozentrismus. Denn Kinder in diesem Alter sind nicht in der Lage, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu verstehen. Mit anderen Worten, das Kind glaubt, dass jeder auf die gleiche Weise sieht, denkt und fühlt wie es selbst. Das bedeutet, dass es lernen muss, seine Individualität zu verstehen, getrennt von anderen und seiner Umgebung.

Objektpermanenz

Einer der wichtigsten Meilensteine des sensomotorischen Entwicklungsstadiums ist die Objektpermanenz. Das bedeutet, das Verständnis, dass Objekte, Personen und Ereignisse weiterhin existieren, auch wenn das Kind sie in keiner Weise sehen, hören oder wahrnehmen kann.

Am Ende dieser Phase kann das Kind beispielsweise verstehen, dass seine Mutter auch dann noch existiert, wenn sie außer Sichtweite ist. Bevor es diesen Meilenstein erreicht, glaubt ein Kind, dass seine Mutter einfach verschwunden ist.

Das sensomotorische Entwicklungsstadium: Die Unterphasen

Während dieses gesamten Stadiums kannst du die Mechanismen beobachten, die das Kind für die kognitive Entwicklung nutzt.

  • Während des ersten Lebensmonats steht das Baby in erster Linie durch reflexive Handlungen, die automatisch auf Reize reagieren, mit seiner Umwelt in Beziehung.
  • Primäre zirkuläre Reaktionen entwickeln sich zwischen dem ersten und vierten Lebensmonat. Das bedeutet, das Kind wiederholt absichtlich Körperbewegungen, die Vergnügen erzeugen. Ein Beispiel dafür ist das Daumenlutschen.
  • Bis zu einem Alter von 10 Monaten wiederholen Babys stimulierende Aktionen, die möglicherweise mit ihrem eigenen Körper zu tun haben oder nicht. Zum Beispiel absichtlich gegen ein lautes Spielzeug treten, das am Ende der Wiege steht. Diese werden als sekundäre zirkuläre Reaktionen bezeichnet.
  • Im Alter von 10 bis 12 Monaten entwickeln Kinder die Fähigkeit, ihre Fertigkeiten einzusetzen, um ein Ziel zu erreichen. Daher bewegen sie beispielsweise ein Kissen, welches ein Spielzeug verdeckt, mit dem sie spielen möchten.
  • Tertiäre zirkuläre Reaktionen treten zwischen 12 und 18 Monaten auf. Hier beginnt das Baby, sein Verhalten zu variieren und durch Versuch und Irrtum neue Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu entdecken.
  • Schließlich entwickeln Kinder zwischen 18 und 24 Monaten die Fähigkeit, Objekte geistig zu rekonstruieren. Dies ist eine grundlegende Fähigkeit, die sie benötigen, um den Meilenstein der Objektpermanenz zu erreichen.
das sensomotorische Entwicklungsstadium - Baby mit Spielzeug

Das sensomotorische Entwicklungsstadium: Der Beginn einer faszinierenden Reise

Das sensomotorische Entwicklungsstadium ist die erste Entwicklungsphase und sie legt den Grundstein für die zukünftige kognitive Entwicklung des Kindes. Die Lektionen und Fähigkeiten, die es in den ersten zwei Jahren erwirbt, ermöglichen es dem Kind, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Folglich ist dies eine enorm wichtige Phase in der kindlichen Entwicklung. Aber dennoch wartet nach Abschluss dieses ersten Stadiums noch eine lange und faszinierende Reise der kognitiven Entwicklung auf jedes Kind.


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  • Piaget, J. (2003). Part I: Cognitive Development in Children–Piaget Development and Learning. Journal of research in science teaching40.
  • Huitt, W., & Hummel, J. (2003). Piaget’s theory of cognitive development. Educational psychology interactive3(2), 1-5.

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