Das psychische Schmerzthermometer: Wie intensiv ist dein Leid?

Schmerz ist unvermeidlich, doch wir können lernen, damit umzugehen. Die schmerzhaften Emotionen zu identifizieren und ihre Intensität zu bewerten, ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Das psychische Schmerzthermometer: Wie intensiv ist dein Leid?
Gorka Jiménez Pajares

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Gorka Jiménez Pajares.

Letzte Aktualisierung: 21. März 2023

Der berühmte japanische Schriftsteller Haruki Murakami definiert psychische Schmerzen als eine Reihe von unvermeidbaren Emotionen. Sie sind Teil des Lebens, denn manchmal “tut das Leben weh”. Doch vielen Menschen fällt es schwer, ihren Gefühlen einen Namen zu geben und ihre Intensität zu bestimmen. Du kannst nach dem Verlust eines geliebten Menschen traurig sein, oder einfach einen schlechten Tag haben und gereizt sein. Wenn du in der Lage bist, deine Gefühle zu benennen und die Ausprägung zu bewerten, kannst du besser darauf reagieren, anstatt Mechanismen wie Verdrängung oder Vermeidung anzuwenden. In diesem Zusammenhang stellen wir heute ein hilfreiches Instrument vor: das psychische Schmerzthermometer.

“Schmerz kann ein Geschenk sein. Eine seltsame Aussage, aber sie ist wahr. Schmerz kann dich an einen Ort bringen, an dem du dich endlich mit dir selbst auseinandersetzt.”

Byron Katie

Psychische Schmerzen

Psychische Schmerzen sind eine universelle Erfahrung, die jeder von uns irgendwann im Leben macht. Sie entstehen aus der Wechselbeziehung zwischen der menschlichen Biologie, der Psychologie und dem sozialen und kulturellen Kontext. 

Im Buddhismus gehören Schmerzen zum normalen Lauf des Lebens. Wir müssen uns unseren Erfahrungen stellen, auch wenn sie aversiv sind, denn wenn wir sie vermeiden, entsteht tieferes Leid. Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) spricht von Erlebnisvermeidung, die zu verschiedenen pathologischen Kernprozessen führt. Wir müssen psychischen Schmerz akzeptieren und analysieren. Welche Emotionen verbergen sich dahinter? Der Kegel der Emotionen des Psychologen Robert Plutchik ist beispielsweise zum näheren Verständnis sehr hilfreich. Der nächste Schritt besteht darin, die Intensität der Emotionen zu bewerten.

“Schmerz ist die Art des Körpers und des Geistes, uns mitzuteilen, dass sich etwas ändern muss.”

Dr. Travis Bradberry

Besorgter Mann kann das psychische Schmerzthermometer verwenden
Wenn wir wissen, woher der psychische Schmerz kommt, können wir besser damit umgehen.

Ist psychischer Schmerz messbar?

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, psychischen Schmerz zu messen, unter anderem Fragebögen, Bewertungsskalen oder auch das Schmerzthermometer. Das Ziel der Schmerzerfassung ist die Bestimmung der topografischen Parameter (Crespo et al., 2008), die sich auf folgende Elemente beziehen:

  • Wie häufig ist der psychische Schmerz?
  • Wie intensiv erlebt die Person die Schmerzen? Hier kann beispielsweise das psychische Schmerzthermometer verwendet werden.
  • In welchen Bereichen äußert sich der Schmerz (falls zutreffend)? In der Magengegend, im Brustbereich…?
  • Wann tritt der psychische Schmerz auf? In bestimmten Situationen? Bei Stress?

Mit der Bewertung ist es möglich, Dauer, Schwankungen und Zusammenhänge zu erkennen. Wir dürfen nicht vergessen, dass psychischer Schmerz eine reale emotionale Erfahrung von großer Bedeutung ist. Zwar hören wir immer wieder Botschaften, die versuchen uns weiszumachen, dass Glück und Wohlbefinden die Norm sind, doch wir müssen akzeptieren, dass wir auf unserem Lebensweg immer wieder Schmerz und Kummer begegnen.

“Glück ist keine Maske, die du dir aufsetzen kannst, um die Traurigkeit in deinem Herzen zu verbergen.”

Janelle Monáe

Das psychische Schmerzthermometer: Verstehe die Intensität deiner Gefühle

Psychischer Schmerz ist höchst subjektiv. Das psychische Schmerzthermometer kann helfen, die Intensität zwischen 1 (minimal) und 10 (maximal) zu definieren (Delgado, 2018):

  • Auf Stufe 1 geht es dir gut. Deine Gefühle sind ausgeglichen und du fühlst dich wohl.
  • Die zweite Stufe beschreibt einen leicht reizbaren Zustand. Du bist jedoch in der Lage, dich abzulenken und positive Aktivitäten zu finden, die dir ein gutes Gefühl geben.
  • Auf der Stufe 3 gibt es relativ viele Faktoren, die dich ärgern und irritieren. Die Zahl der Elemente, die Unbehagen auslösen, nimmt zu. Doch du kannst diese Situation trotzdem effektiv bewältigen und fühlst dich danach besser.
  • Die vierte Stufe lässt sich mit “schlechten Tagen” beschreiben. Du bist zwar in der Lage, Stressoren mit Resilienz zu bewältigen, beginnst jedoch, dich zu vernachlässigen. In diesem Fall solltest du Aktivitäten ausführen, die dir helfen, unter anderem Sport oder soziale Kontakte.
  • Auf Stufe 5 ist der psychische Schmerz eine Konstante in deinem Alltag. Dein psychisches Wohlbefinden verschlechtert sich allmählich. Professionelle Hilfe könnte ab dieser Stufe vorteilhaft sein.
  • Auf der sechsten Stufe hast du Schwierigkeiten, Aufgaben, Aktivitäten oder Hobbys nachzukommen, die dir früher Freude bereitet haben. Du verlierst das Interesse und bist apathisch.
  • Die siebte Stufe ist durch Unwohlsein und Prokrastination gekennzeichnet. Du verschiebst Aufgaben und Verpflichtungen auf den nächsten Tag und verfängst dich in Gedankenkarussellen. Mit deinem Verhalten festigt sich der Schmerz und kann chronisch werden.
  • Auf den Stufen 8 und 9 treten zahlreiche ängstlich-depressive Symptomatiken auf. Der Schmerz durchdringt verschiedene Bereiche des Lebens und hält dich gefangen. Alle Lebensbereiche (Familie, Ausbildung, Beruf…) sind davon betroffen.
  • Der psychische Schmerz ist auf der Stufe 10 sehr intensiv. Ist dies mehrere Tage der Fall, solltest du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es handelt sich um eine akute Schmerzkrise, die zu einer Depression führen könnte.
Traurige Frau kann mit dem Schmerzthermometer die Intensität ihrer Gefühle messen
Wenn der Schmerz eine Konstante ist, die dich überwältigt, ist es das Beste, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Fazit

Die Bewertung der Schmerzintensität ist hilfreich, um nötige Maßnahmen und Bewältigungsstrategien anzuwenden. Sind die Schmerzen intensiv und über einen längeren Zeitpunkt vorhanden, ist fachkundige Hilfe die beste Option. 

“Das Leben ist wie eine Achterbahn: Es gibt Momente intensiver Gefühle und Momente der Ruhe.”

Kelly Clarkson


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