Critical Incident Stress Management (CISM) in Unternehmen

Unternehmen sind häufig mit unerwarteten Problemen konfrontiert, die die psychische Gesundheit ihrer Belegschaft bedrohen. Erfahre in diesem Artikel, wie das Critical Incident Stress Management in diesen Situationen helfen kann.
Critical Incident Stress Management (CISM) in Unternehmen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 03. August 2023

Das Critical Incident Stress Management oder kurz CISM ist in bestimmten Berufsgruppen besonders relevant, um die Verarbeitung belastender Ereignisse zu erleichtern. Dieses Stressmanagementsystem ist jedoch für jedes Unternehmen interessant, denn kritische Situationen wie Arbeitsunfälle, Massenentlassungen oder auch private Belastungen stellen Herausforderungen dar, die mit entsprechender Hilfe besser bewältigt werden können.

Ein gut integrierter Plan zur Bewältigung schwieriger Situationen hat für ein Unternehmen deutliche Vorteile: Die Mitarbeiter:innen gehen adaptiver und widerstandsfähiger mit schwierigen Umständen um, was sich positiv auf ihre Produktivität auswirkt. Erfahre heute Interessantes über das Stressbewältigungssystem CISM.

Bewältigungsstrategien in kritischen Situationen innerhalb eines Unternehmens kann späteren posttraumatischen Belastungen vorbeugen.

CISM: Programm zur Bewältigung kritischer Zwischenfälle

Viele Organisationen haben Programme zur Bewältigung von Krisen und Notfällen. Es gibt auch spezifische Protokolle für Naturkatastrophen, Unfälle oder Terroranschläge. Speziell für Unternehmen wurde das Programm CISM entwickelt, das bei Bedarf schnelle Hilfestellung leisten kann.

Jeffrey T. Mitchell und George S. Everly entwickelten dieses Programm 1997 mit dem Ziel, eine Reihe von Interventionen zur Verfügung zu stellen, die in widrigen Situationen die psychische Gesundheit der betroffenen Menschen schützen können. Ihr Handbuch Einsatznachsorge: Psychosoziale Notfallversorgung nach der Mitchell-Methode¹ ist eine wichtige Referenz für Unternehmen.

Wir betrachten nachfolgend die wichtigsten Aspekte dieses psychosozialen Notfallprogramms.

Vorbereitende Maßnahmen und Schulungen

Eine in Aggression and Violent Behavior veröffentlichte Arbeit betont, dass dieses Programm eine breite Palette von Interventionen umfasst, wobei das Krisentraining der Schlüssel ist. Folgende Punkte sind dabei entscheidend:

  • Teambildung: Das Unternehmen wählt eine Reihe von Personen aus, die für die Umsetzung des Stressmanagementprogramms in kritischen Situationen verantwortlich sind. Diese Aufgabe kann von der Personalabteilung übernommen werden.
  • Bewertung: Die zuständigen Personen führen eine Analyse möglicher stressiger Ereignisse und kritischer Notfälle durch, die in der Organisation auftreten können.
  • Erstellung des Protokolls: Auf der Grundlage der ermittelten Bedrohungen werden die Handlungsschlüssel entwickelt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass jede Organisation ihre eigenen Besonderheiten hat und diese immer berücksichtigt werden müssen.
  • Externe Unterstützung: Die psychologische Beratung ist bei der Erstellung dieser Programme unerlässlich.

Für ein erfolgreiches CISM müssen auch Führungskräfte und Manager geschult werden.

CISM: Information und Schulung der Belegschaft

Innerhalb des Unternehmens muss jede Person wissen, dass es einen Aktionsplan für belastende Situationen gibt. Auf diese Weise weiß jede Person im Falle eines Zwischenfalls, an wen sie sich wenden und welche Mechanismen sie aktivieren muss.

Andererseits ist die präventive Schulung maßgeblich. Auch wenn sich ungünstige Situationen nicht immer verhindern lassen, ist die psychologische Schulung wichtig, deshalb sollten die Mitarbeiter:innen folgende Techniken lernen:

Individuelles Eingreifen

Jedes Unternehmen, das Stressmanagement in kritischen Situationen umsetzen will, sollte in psychologischer Erster Hilfe geschult sein. Dieses Instrument hilft der Person, die sich in einer Krise befindet und die gerade eine negative Erfahrung gemacht hat.

Das International Journal of Environmental Research and Public Health stellt in einem Artikel fest, dass diese Methode eine angemessene psychosoziale Reaktion in Notfallsituationen bietet. Die Anwendung emotionaler oder psychologischer Erster Hilfe erfordert folgende Schritte:

  • Stabilisiere das Opfer und bringe es an einen sicheren Ort.
  • Sorge für die körperliche Versorgung: Wasser, Essen, Decken usw.
  • Sorge für emotionale Entlastung.
  • Erkläre der Person, dass ihre Gefühle normal sind.
  • Gib ihr auf einfache, aber klare Weise Informationen über die Situation.
  • Ruf ihre Verwandten an.
  • Kontaktiere andere Dienste (Arzt oder Polizei), falls nötig.

Intervention in großen Gruppen

Am Arbeitsplatz können viele Arten von Notfallsituationen auftreten: Chemiekatastrophen, Brände, Stromunfälle usw. BMC Psychology weist darauf hin, dass Unternehmen im Allgemeinen nicht unbedingt ausreichend darin geschult sind, um richtig mit den psychologischen Auswirkungen solcher Erlebnisse umzugehen.

Das Critical Incident Stress Management gibt Führungskräften und Managern Werkzeuge an die Hand, mit denen sie sowohl individuell als auch als Gruppe handeln können. Wenn die Katastrophe eine große Anzahl von Menschen betrifft, gilt dieses Protokoll:

  • Fordere externe Hilfe an, wenn die Situation es erfordert.
  • Informiere nach Notwendigkeit lokale Institutionen.
  • Versammle die gesamte Belegschaft des Unternehmens.
  • Informiere auf einfache Art und Weise über die Situation, in der sich das Unternehmen befindet.
  • Diese Information und Präsentation wird von der Person oder den Personen durchgeführt, die in der Vorbereitungsphase für diesen Zweck geschult wurden.
  • Alle Fragen sollten beantwortet werden.
  • Es ist wichtig, unterstützend, ansprechbar und einfühlsam zu sein.
  • Die verantwortliche Person zeigt die in diesem kritischen Moment nötigen Schritte auf.
  • Logistische Hilfe ist nötig: Fahrten nach Hause oder ins Krankenhaus, Anrufe bei den Angehörigen der Beschäftigten usw.

Regelmäßige Bewertung des durchgeführten Programms

Schließlich ist es – wie bei allen Notfallprogrammen üblich – wichtig, das Programm regelmäßig zu überprüfen. Nur durch eine kritische Analyse der Protokolle kann es tatsächlich effektiv sein.

Ein sinnvolles und praktisches Programm zur Stressbewältigung in Notfällen sorgt für das körperliche und geistige Wohlbefinden der Beschäftigten. Es lohnt sich daher, Folgendes zu beachten:

  • Sitzung und Auswertung: Nach einer kritischen Situation im Unternehmen ist eine gemeinsame Sitzung nötig, um die Ergebnisse zu analysieren. Es geht vorwiegend darum, Verbesserungsstrategien vorzuschlagen.
  • Jährliche Überprüfung: Jedes Jahr wird die Nützlichkeit dieser Leitlinien überprüft. Unternehmen sind Organismen, die sich im Laufe der Zeit verändern, auch Notfallprogramme und CISM müssen aktualisiert werden, um effektiv zu bleiben.

Was ein Mensch in einer Krisen- oder Notsituation am meisten braucht, ist emotionale Unterstützung, Nähe und so viele Informationen wie möglich über das, was passiert.

Was sind kritische Zwischenfälle?

Bei der Einführung des CISM im Unternehmen muss zuerst geklärt werden, welche widrigen Ereignisse auftreten könnten. Zu diesen Herausforderungen, denen sich Organisationen häufig stellen muss, gehören Konflikte und Gewalt.

Eine in der Zeitschrift Occupational & Enviromental Medicine  veröffentlichte Studie zeigt, dass viele Verhaltensweisen, wie z. B. Mobbing am Arbeitsplatz, in diese Kategorie fallen. Das sind Erfahrungen, die einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Beschäftigten haben. Es gibt jedoch noch mehr Umstände, die als kritische Vorfälle bezeichnet werden können. Einige Beispiele:

  • Suizid
  • Entlassungen
  • Diebstähle im Unternehmen
  • Arbeitsunfälle
  • Tod von Kollegen
  • kriminelle oder terroristische Angriffe
  • Zeuge widriger Ereignisse
  • große Gefahrensituationen
  • Autounfall eines Kollegen oder einer Kollegin
  • Naturkatastrophen, die die Organisation betreffen.

Die Herausforderung der Prävention in kritischen Situationen

Jedes Unternehmen muss einen Plan zur Prävention von Arbeitsrisiken haben. Dieser umfasst in einigen Fällen auch Aspekte, die mit der psychischen Gesundheit zu tun haben. Allerdings verfügen Organisationen nicht immer über eine spezielle Strategie, um in kritischen Kontexten mit großer psychischer Belastung richtig zu handeln.

Die meisten Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit am Arbeitsplatz. Deshalb hat alles, was hier passiert, einen großen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Es muss deshalb entsprechende Bewältigungsmechanismen geben, um die stressigen Auswirkungen langfristig zu minimieren.

▶ Lese-Tipp

  1. Handbuch Einsatznachsorge: Psychosoziale Notfallversorgung nach der Mitchell-Methode, Jeffrey T. Mitchell, George S. Everly, Stumpf + Kossendey 2019

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