18 führende Philosophen des Mittelalters

Die Philosophie des Mittelalters umfasst den Zeitraum vom Untergang des Weströmischen Reiches bis nach der italienischen Renaissance. Wir stellen in diesem Artikel die wichtigsten Vertreter vor.
18 führende Philosophen des Mittelalters
Matias Rizzuto

Geschrieben und geprüft von dem Philosophen Matias Rizzuto.

Letzte Aktualisierung: 17. November 2023

Wenn wir in die Zeit des Mittelalters zurückreisen, finden wir interessante Philosophen, die uns auch heute noch zur Reflexion einladen. Vom Untergang des Weströmischen Reiches bis zum Beginn der Renaissance bemühten sich europäische Intellektuelle, die Lehren des Christentums mit der klassischen Philosophie zu verschmelzen, was zu Debatten und neuen Denkschulen führte.

Herausragende Philosophen des Mittelalters

Beeinflusst von griechischen, römischen, islamischen und jüdischen Traditionen setzten sich die mittelalterlichen Gelehrten mit Existenz, Moral und der Beziehung des Menschen zu Gott auseinander. Ihre Beiträge, die noch immer relevant sind, haben die Landschaft des westlichen Denkens maßgeblich geprägt.

1. Augustinus von Hippo (354–430 n. Chr.)

Der Heilige Augustinus war er eine einflussreiche Persönlichkeit des westlichen Christentums. Geboren in Thagaste (dem heutigen Souk Ahras, Algerien), erlebte Augustinus eine turbulente Jugend. Er beschäftigte sich mit verschiedenen philosophischen und spirituellen Strömungen, insbesondere mit dem Manichäismus und dem Neuplatonismus.

Sein Buch Bekenntnisse (398) erzählt von seiner spirituellen Suche und seiner Bekehrung zum Christentum auf einer Reise von beispielloser intellektueller Unruhe. Dieses Buch gilt nicht nur als eines der großen Werke der christlichen Literatur, sondern auch als Inspirationsquelle für Philosophen und Autoren, da es eine aufrichtige Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur und der Beziehung des Einzelnen zu Gott darstellt.

2. Boethius (480–524 n. Chr.)

Dieser römische Philosoph und Politiker bemühte sich darum, das philosophische Denken der klassischen Antike mit den christlichen Lehren in Einklang zu bringen. Er beeinflusste das Mittelalter und die Renaissance nachhaltig.

Boethius kommentierte und übersetzte die Werke von Aristoteles und Platon ins Lateinische. So trugen seine Schriften wesentlich zur Bewahrung des hellenischen Denkens bei.

Vor allem aber ist sein Werk Trost  der Philosophie (524) bis heute ein Begriff. In diesem Dialog zwischen Boethius und der Personifikation der Philosophie, den er während seiner Gefangenschaft kurz vor seiner Hinrichtung schrieb, geht es um Reflexionen über die Vergänglichkeit des irdischen Glücks und die Suche nach dem wahren und ewigen Guten.

3. Johannes Scotus Erigena (810–877 n. Chr.)

Dieser in Irland geborene neuplatonische Theologe und Philosoph spielte eine entscheidende Rolle beim Übergang vom antiken zum mittelalterlichen Denken. Er bildete eine Brücke zwischen den philosophischen Traditionen der griechischen Welt und den aufkommenden theologischen Traditionen des mittelalterlichen Europas.

Sein Meisterwerk, das Über die Einteilung der Natur (867), ist ein Dialog, der die Beziehung zwischen Gott, der Natur und dem Menschen untersucht und die Frage behandelt, wie sich die Göttlichkeit in der Schöpfung manifestiert.

Obwohl seine Ideen als heterodox galten und schließlich von der Kirche verurteilt wurden, ist sein Einfluss auf die mittelalterliche Philosophie und auf spätere Denker wie Meister Eckhart und Nikolaus von Kues unbestreitbar.

4. Al-Farabi (872–950 n. Chr.)

Al-Farabi ist als “zweiter Meister” nach Aristoteles bekannt. Er gilt als einer der bedeutendsten islamischen Philosophen des Mittelalters und ein Pionier im Studium der Logik und der politischen Philosophie. Dieser Philosoph kombinierte und synthetisierte Elemente der griechischen, persischen und islamischen philosophischen Traditionen.

Seine Beiträge umfassten so unterschiedliche Bereiche wie Musik, Mathematik, Kosmologie und Ethik, aber es waren seine Kommentare und Neuinterpretationen der Werke von Aristoteles, die ihm Ansehen verschafften.

Auf dem Gebiet der politischen Philosophie ist sein Werk Die Prinzipien der Ansichten der Bewohner der vortrefflichen Stadt hervorzuheben. Darin beschreibt er seine Vision einer idealen Gesellschaft, die von einem philosophischen Führer regiert wird, ähnlich wie in Platons Republik.

5. Avicenna (Ibn Sina) (980–1037 n. Chr.)

Dieser persische Universalgelehrte erforschte verschiedene Wissensgebiete seiner Zeit: von Medizin und Philosophie bis zu Astronomie und Alchemie. Viele halten ihn für den Vater der modernen Medizin. Sein Einfluss reichte über die islamische Welt hinaus bis ins mittelalterliche Europa.

Sein bekanntestes Werk, Kanon der Medizin (1025), diente jahrhundertelang bedeutendes medizinisches Nachschlagwerk.

Im Bereich der Philosophie versuchte Avicenna, das aristotelische Denken mit den Grundsätzen des Islams zu verbinden und zu versöhnen. Sein Buch der Heilung (1027) ist ein Zeugnis dieser monumentalen Anstrengung.

6. Anselm von Canterbury (1033–1109)

Der heilige Anselm war ein italienischer Benediktinermönch, Theologe und Philosoph, der später Erzbischof von Canterbury wurde. Er ist bekannt für seine Beiträge zur Theologie und Philosophie, insbesondere für seine Argumente über die Existenz Gottes.

Sein rationalistischer Ansatz zum Glauben und seine Betonung der Vernunft, um sich dem Verständnis der göttlichen Geheimnisse zu nähern, machen ihn zu einer Schlüsselfigur in der Entwicklung der Scholastik. Diese philosophische und theologische Bewegung versuchte, den Glauben aus einer vernünftigen und logischen Perspektive zu betrachten.

7. Peter Abelard (1079–1142)

Dieser mittelalterliche Philosoph, Theologe und Logiker war im 12. Jahrhundert in Europa eine Figur von großer intellektueller Bedeutung. Peter Abelard lehrte an der Universität von Paris und war bekannt für seine Fähigkeiten in der Dialektik, einer Form der Debatte, die sich der Logik und der Argumentation bedient.

Während seiner gesamten akademischen Laufbahn zögerte Abelard nicht daran, traditionelle Lehren zu hinterfragen, was häufig zur Konfrontation mit anderen prominenten Denkern und kirchlichen Autoritäten führte.

Sein Werk Sic et Non (1141) ist ein deutliches Beispiel für seinen dialektischen Ansatz. Darin stellte er Widersprüche in den Schriften der Kirchenväter dar und regte zu einer kritischen Analyse und einer tieferen theologischen Debatte an.

8. Averroes (Ibn Rushd) (1126–1198)

Der in Córdoba im muslimischen Spanien geborene Averroes ist für seine umfangreichen Kommentare zu den Werken von Aristoteles in die Geschichte eingegangen. Seine akribische Interpretation belebte nicht nur das Studium von Aristoteles in der islamischen Welt, sondern legte nach seiner Übersetzung ins Lateinische auch den Grundstein für die Wiederbelebung des Aristotelismus im mittelalterlichen Europa.

Averroes vertrat die Idee, dass Philosophie und Religion einander ergänzen und harmonisch nebeneinander bestehen können. Seinen Schriften zufolge bleibt die Wahrheit, egal ob sie durch philosophische Vernunft oder religiöse Offenbarung erlangt wird, eine einheitliche Wahrheit.

9. Maimonides (1135–1204)

Maimonides ist auch unter seinem hebräischen Namen Moses ben Maimon und unter seinem Akronym Rambam bekannt. Dieser jüdische Gelehrte andalusischer Herkunft hat mit seinen Beiträgen zum Judentum, zur Philosophie und zur Medizin ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen. Maimonides kam während der Blütezeit des muslimischen Spaniens in Córdoba zur Welt und war ein prominenter Rabbiner und ein angesehener Arzt.

In seinem philosophischen Werk Führer der Unschlüssigen (1190) versuchte er, die Lehren der aristotelischen Philosophie mit den Prinzipien des Judentums in Einklang zu bringen. Er befasste sich mit komplexen Fragen wie dem Wesen Gottes, der Prophetie und dem Problem des Bösen. Er beabsichtigte, rationale Antworten auf theologische Dilemmata zu geben.

Zeit seines Lebens wurde er sowohl von jüdischen Konservativen, die seine philosophischen Neigungen mit Misstrauen betrachteten, als auch von muslimischen Denkern kritisiert.

10. Albertus Magnus (1200–1280)

Albertus Magnus zählt zu den ersten Philosophen, die die Werke von Aristoteles in Europa bekannt machten und ausführlich kommentierten. Er setzte sich für die Integration des aristotelischen Denkens in die christliche Theologie ein. Für ihn waren Philosophie und Religion keine Gegensätze, sondern eine gegenseitige Bereicherung.

Neben seinem tiefen Interesse an der Philosophie war Albertus auch ein Pionier der empirischen Naturforschung. Seine Forschungen in so unterschiedlichen Bereichen wie Botanik, Zoologie, Chemie und Geologie spiegelten einen beobachtenden und experimentellen Ansatz wider, der einige Aspekte der modernen wissenschaftlichen Methode vorwegnahm.

11. Thomas von Aquin (1225–1274)

Dieser Denker ist zweifelsohne einer der bedeutendsten der Geschichte der Philosophie und Theologie. In einer Zeit, in der die Wiederentdeckung von Aristoteles in Westeuropa zu Spannungen und Debatten in der akademischen Welt führte, verteidigte Thomas von Aquin die Idee, dass Vernunft und Glaube einander ergänzen und die Erkenntnis Gottes mit rationalen Mitteln erlangt werden kann.

Summe der Theologie (1274), sein bekanntestes Werk, ist ein theologisches Kompendium, in dem Thomas von Aquin fast alle grundlegenden Fragen der Theologie und Philosophie erörtert und analysiert: von der Existenz und dem Wesen Gottes bis zur Ethik und der Natur von Gut und Böse. Er zeichnet sich durch profunde seine Gelehrsamkeit und sein argumentatives Geschick aus.

12. Roger Bacon (1214–1294)

Dieser englische Philosoph und Franziskanermönch ist für seine frühe Betonung der empirischen Methode in der Forschung und der Rolle des Experimentierens zum Wissenserwerb bekannt. In einer Zeit, in der die Autorität alter Texte und Traditionen oft Vorrang vor der direkten Beobachtung hatte, trat Roger Bacon für einen systematischen und praktischeren Ansatz ein.

Er betonte auch die Bedeutung der Mathematik für das Verständnis des Universums und vertrat die Idee, dass Wissen nicht nur aus theologischen oder philosophischen Gründen angestrebt werden sollte, sondern insbesondere zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen.

Neben seinen methodischen Beiträgen schrieb Bacon über Optik, Alchemie und Astronomie und sagte zukünftige Erfindungen wie Brillen und selbstfahrende Fahrzeuge voraus.

13. John Duns Scotus (1266–1308)

John Duns Scotus lehrte an den Universitäten von Oxford und Paris. Seine Beiträge zur Theologie und Philosophie machten ihn zu einer zentralen Figur der Spätscholastik. Seine Fähigkeit, theologische Probleme mit subtilen und ausgefeilten Argumenten anzusprechen und zu lösen, brachte ihm zu seiner Zeit großes Ansehen ein.

Einer der herausragendsten Beiträge von Scotus war seine Verteidigung des Konzepts des “freien Willens” im Kontext der Theologie. Er argumentierte, dass der Wille Gottes frei ist und nicht durch eine logische Notwendigkeit bestimmt wird. Dabei betonte er den Vorrang des Willens vor dem Verstand. Diese Position unterschied sich von der anderer Denker seiner Zeit, wie z. B. Thomas von Aquin.

14. Meister Eckhart (1260–1328)

Meister Eckhart war ein deutscher Theologe, Philosoph und Mystiker, der dem Dominikanerorden angehörte. Sein Denken verbindet Elemente der scholastischen Theologie mit tiefen mystischen Einsichten. Seine Predigten und Abhandlungen über die innige Beziehung zwischen der menschlichen Seele und Gott machen ihn zu einem der wichtigsten Philosophen des Mittelalters.

Im Mittelpunkt seiner Lehre steht die Idee des “Seelengrund”, eines immanenten Punktes in der Seele, an dem die göttliche Gegenwart zu finden ist. Der Mensch  kann sich durch diesen Seelengrund direkt mit Gott vereinen. Sein Werk zeichnet sich durch die Betonung der Entmachtung aus, dem Prozess, bei dem sich die Seele von allen Bildern, Konzepten und Wünschen befreit, um dem Göttlichen zu begegnen.

Eckhart plädierte für eine erfahrungsbasierte Beziehung zu Gott, jenseits von Ritualen und Mediation. Seine Ideen, insbesondere die über die Natur der Vereinigung mit Gott und die göttliche Transzendenz, wurden von der Kirche als heterodox verurteilt.

15. Wilhelm von Ockham (1287–1347)

Als Mitglied des Franziskanerordens wird Ockham oft mit der Denkschule in Verbindung gebracht, die als Nominalismus bekannt ist. Er lehnt die Existenz von Universalien (abstrakte Begriffe oder gemeinsame Eigenschaften) außerhalb der einzelnen, konkreten Dinge ab. Er vertrat die Ansicht, dass nur Individuen existieren und dass Universalien Namen oder Bezeichnungen sind, die wir den Dingen geben.

Neben seinen Beiträgen zum Nominalismus ist Ockham auch für das erkenntnistheoretische Prinzip bekannt, das seinen Namen trägt: Ockhams Rasiermesser. Dieser philosophische Grundsatz besagt, dass bei mehreren Hypothesen, die ein und dasselbe Phänomen erklären, die einfachste Erklärung bevorzugt werden sollte, d. h. diejenige, die die geringste Anzahl von Einheiten oder Annahmen voraussetzt.

16. Ramon Llull (1232–1315)

Ramon Llull versuchte, eine logisch-kombinatorische Kunst oder Methode zu schaffen, um die Wahrheiten des Christentums zu demonstrieren und zu verbreiten. Deshalb hat sich dieser Philosoph einen Platz unter den wichtigsten Philosophen des Mittelalters verdient.

Sein System, das er ars magna nannte, bestand aus einer Reihe sich drehender geometrischer Figuren, die theologische und philosophische Konzepte darstellten, um Kombinationen von Argumenten zu finden und damit jede theologische oder philosophische Frage zu beantworten.

Obwohl seine kombinatorische Methode von den Intellektuellen seiner Zeit nicht kaum verwendet wurde, bedeutet das nicht, dass sie keinen Einfluss hatte. Viele betrachten dieses System sogar als Grundlage der Computerlogik. Der mallorquinische Philosoph inspirierte mit seinen Gedanken viele andere Denker.

17. Nikolaus von Kues (1401–1464)

Nikolaus von Kues war ein Theologe, Philosoph, Mathematiker und Kardinal der katholischen Kirche, dessen Denken einen bedeutenden Übergang zwischen der mittelalterlichen Philosophie und den aufkommenden Ideen der Renaissance darstellte.

Sein einflussreichstes Werk, De Docta Ignorantia (1440), befasst sich mit der Idee, dass menschliches Wissen im Vergleich zur Unendlichkeit Gottes immer begrenzt ist. Daher liegt die wahre Weisheit darin, unsere eigene Unwissenheit anzuerkennen.

Nikolaus von Kues führte das Konzept der coincidentia oppositorum (der Koinzidenz der Gegensätze) ein, das besagt, dass die tiefsten Wahrheiten oft in der Vereinigung scheinbar widersprüchlicher Ideen zu finden sind. Er leistete auch wichtige Beiträge auf dem Gebiet der Mathematik, insbesondere in Bezug auf das Konzept der Unendlichkeit.

18. Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494)

Giovanni Pico della Mirandola war ein italienischer Philosoph und Humanist der Renaissance, der versuchte, verschiedene Denktraditionen in Einklang zu bringen und das Potenzial und die Würde des Menschen zu betonen.

Schon in jungen Jahren zeigte er einen unstillbaren Wissensdurst und ließ sich in einer Vielzahl von Disziplinen ausbilden: von der klassischen Philosophie über die jüdische Theologie bis zur Sufi-Mystik. Am bekanntesten ist seine Rede über die Würde des Menschen (1496), das oft als “Manifest der Renaissance” bezeichnet wird.

In dieser Abhandlung argumentiert Pico, dass der Mensch eine einzigartige Position in der Hierarchie des Kosmos einnimmt, denn im Gegensatz zu anderen Lebewesen, die einen festen Platz haben, hat der Mensch die Freiheit und die Wahl, zu den Höhen des Göttlichen aufzusteigen oder in die Tiefen des Bestialischen abzusteigen.

Die Bedeutung der Philosophen des Mittelalters

Die Philosophen des Mittelalters, die wir in diesem Artikel vorstellen, bilden eine der Grundlagen des modernen Denkens. Wir betrachten das Mittelalter als “dunkle” Zeit, doch viele Denker und Philosophen prägen auch heute noch unser Gedankengut. Die zeitgenössische Philosophie kann ohne diese bedeutenden Vordenker nicht verstanden werden.


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