Wo ist mein altes Ich?

Diese Frage bringt uns dazu, über unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nachzudenken und unseren Lebensweg zu betrachten.
Wo ist mein altes Ich?
Cristina Roda Rivera

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Cristina Roda Rivera.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Du erkennst dich plötzlich selbst nicht mehr und zweifelst an deiner Identität? Deine Träume haben sich verändert und auch deine Referenzen. Du stellst dir in diesem Augenblick die Frage, wo dein altes Ich geblieben ist? 

Es ist keine Frage des Alters, Selbstentfremdung ist auch in jungen Jahren möglich. Sie ist unter anderem häufig in der Pubertät zu beobachten, denn der Übergang ins Erwachsenenalter ist nicht einfach. Du kennst dich selbst nicht mehr, du verlierst auf dem Weg zur Reife deine Spontanität und lässt dein kindliches Ich zurück.

Wo ist mein altes Ich?
In manchen Lebensabschnitten oder Situationen entfernst du dich von deinem wahren Ich.

Wo ist mein altes Ich? Das Bedürfnis nach Selbstkenntnis

Wir alle brauchen Referenzen: In der Kindheit sind dies unsere Eltern, Geschwister, Freunde, Klassenkameraden… Doch wir analysieren auch andere Welten, indem wir unter anderem das Leben von Persönlichkeiten oder Vorbildern betrachten, die uns attraktiv erscheinen.

Die Neugier auf die soziale Welt kann uns manchmal von unserer Innenwelt distanzieren. In der Adoleszenz lernen viele durch die Konstruktion ihres “sozialen Avatars”, was für andere und für sie selbst interessant ist. In dieser Zeit treten bestimmte Störungen vermehrt auf, weil sich ihr Körperbild von dem gesellschaftlich anerkannten Schönheitsideal entfernt.

Andere haben das Gefühl, zu wenig männlich oder weiblich zu sein, den Erwartungen oder Wünschen anderer nicht zu entsprechen. Jugendliche müssen die Welt erkunden, um sich als von der Familie unabhängiges Individuum zu behaupten.

Auf der Suche der persönlichen Identität müssen wir uns auch mit der sozialen Akzeptanz innerhalb einer gesellschaftlichen Bezugsgruppe auseinandersetzen. Je nachdem, wie wir bei dieser wechselseitigen Konstruktion vorgehen, kommen wir zu einer mehr oder weniger gefestigten Darstellung des “Selbst”.

Die Motivation zur Selbstfindung kann sich auflösen, wenn wir Situationen begegnen, mit denen wir uns noch nie auseinandersetzen mussten. Andererseits haben wir das Gefühl, unser Selbst zu stärken, wenn wir Dinge tun, die unseren Werten entsprechen und unserer Identität nicht fremd sind.

Die Identität: eine lebenslange Reise

Sich selbst zu finden mag egozentrisch klingen, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen selbstlosen Prozess, der allem zugrunde liegt, was wir im Leben tun. Um uns wertvoll zu fühlen, müssen wir wissen, was uns wertvoll  ist und was wir zu bieten haben.

Bei diesem Prozess geht es darum, Schichten abzubauen, die uns in unserem Leben nicht dienen und nicht widerspiegeln, wer wir wirklich sind. Es ist aber auch ein gewaltiger Akt des Aufbaus: Wir müssen erkennen, wer wir sein wollen, und uns leidenschaftlich auf den Weg machen, um unsere einzigartige Bestimmung zu erfüllen, was auch immer das sein mag.

Es geht darum, unsere persönliche Macht zu erkennen, aber auch offen und verletzlich für unsere Erfahrungen zu sein. Wir dürfen auf diesem Weg keine Angst haben, sondern sollten neugierig und mitfühlend sein.

Wo ist mein altes Ich? Das Gefühl, eine andere Person zu sein

Manchmal haben wir das Gefühl, unser altes Ich verloren zu haben, uns nicht wiederzuerkennen. Veränderungen oder ein Richtungswechsel sind meistens dafür verantwortlich. Diese Momente sind kompliziert, da sie zu Episoden der Depersonalisierung und der Abkopplung von der Realität führen können. Es gibt zahlreiche Ursachen, die das Gefühl wecken können, einen Teil der Identität verloren zu haben.

Es gibt sensorische, soziale oder ökologische Erfahrungen, die dazu führen, dass sich eine Person in Bezug auf ihr Gefühls-, Sozial- und Arbeitsleben unwohl und entwurzelt fühlt. Einige der Erfahrungen, die an der eigenen Identität zweifeln lassen, sind folgende:

  • Ein Foto aus der Vergangenheit: Ein Foto ermöglicht den Blick auf dich selbst und liefert gleichzeitig einen spezifischen Kontext. Es zeigt dir deine Vergangenheit, eine Erfahrung, dein früheres Leben. Du kannst beim Anblick das Gefühl haben, dich von dir selbst entfernt zu haben, eine andere Person zu sein, dein altes Ich nicht mehr zu erkennen. Dies kann Hoffnungslosigkeit auslösen oder das Gefühl, versagt zu haben.
  • Ein Stück Papier, das eine Zeit in deinem Leben zusammenfasst: ein Flugticket, ein Dokument über eine Operation oder Notizen in einem Terminkalender. Du erinnerst dich an spezifische Momente deines Lebens und hast das Gefühl, weit weg zu sein und dich kaum wiederzuerkennen.
  • Das Treffen mit einer Person, die du schon lange nicht mehr gesehen hast: Es handelt sich um eine der schönsten oder schmerzhaftesten Erfahrungen, die wir machen können. Wir sind einer kurzen “visuellen Prüfung” ausgesetzt, auf die wir vielleicht nicht vorbereitet sind.

Dies sind nur ein paar Beispiele von Situationen, die dir das Gefühl geben können, dein altes Ich nicht zu erkennen oder dich stark verändert zu haben. Große Lebensprojekte sind inspirierend, können jedoch auch zu einem Problem für die persönliche Identität werden. Sie können dir helfen, deine Persönlichkeit zu entwickeln, aber du kannst auch zu viel von dem projizieren, was du zu sein glaubst, und dabei Umstände ignorieren, die für das Verständnis dessen, was du tust und warum, entscheidend sind.

Frau denkt darüber nach, wo ihr altes Ich geblieben ist.
Das Gefühl, einen Teil der Identität verloren zu haben, kann zur Verzweiflung führen.

Eine Reise oder ein Halt

Die Frage “Wo ist mein altes Ich?” kann der erste Schritt sein, um dir selbst zu begegnen, deine Vergangenheit zu akzeptieren und dich neu zu definieren. Sie kann jedoch auch Selbstvorwürfe auslösen, die dich nicht weiterbringen. Damit die Identitätsreise kreativ und nicht repressiv verläuft, brauchst du die richtigen Werkzeuge. Ein guter Psychologe hilft dir, damit deinen täglichen Erfahrungen wieder einen Sinn zu geben, anstatt einem Ideal nachzujagen, das der Realität, in der du lebst, völlig fremd ist.


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