Wir müssen weder verletzend sein, um zu lehren, noch leiden, um zu lernen

Wir müssen weder verletzend sein, um zu lehren, noch leiden, um zu lernen

Letzte Aktualisierung: 27. August 2016

Um die schönen Seiten des Lebens kennenzulernen, sind Schreie, böse Worte oder eine strenge Hand nicht von Nöten. Wir müssen auch nicht leiden, um zu wissen, was Freude bedeutet. Doch im Gegenteil dazu, erscheint uns das Glück in noch weiterer Ferne zu liegen als ein unerreichbarer Stern.

Vielleicht musstest ja auch du in deiner Kindheit eine autoritäre und strenge Erziehung über dich ergehen lassen. Wenn dem so ist, weißt du am besten, dass du aus deiner Kindheit anstatt einer guten Erziehung etwas anderes mitgenommen hast, und zwar hinterließ die fehlende Liebe und Anerkennung bei dir eine große Leere.

Erziehen ist eine Kunst, die sich durch Zuneigung, Gefühle und eine subtile Intelligenz gestaltet und die versteht, dass Lehren bedeutet, zweimal zu lernen, und dass Lernen immer Freude machen sollte.

Es gibt Menschen, die nur allzu gern sagen: „Schmerz ist der beste Lehrmeister.“  Doch in Wahrheit ist dieses Sinnbild weit hergeholt und es fällt schwer, diese Worte nachzuvollziehen. Wenn wir Schreckliches erleben mussten, lehrt uns das zweifellos den Wert bestimmter Aspekte im Leben, es ermöglicht uns, Überlebensstrategien zu entwickeln und zeigt uns oftmals auf, welchen Weg wir einschlagen und von welchem wir uns fernhalten sollten.

Zusammengefasst können wir sagen, dass die Zeit und die Erfahrungen uns die Lektionen des Lebens lehren. Wenn wir aber über eine stabile Grundlage verfügen – also eine gesunde Kindheit hatten – in der wir lernten, was es heißt, starke und glückliche Bindungen aufzubauen, haben wir bereits den richtigen Weg gefunden. Kindern etwas beizubringen bedeutet nicht nur, Kenntnisse und Regeln zu vermitteln. Um etwas zu lernen, ist es nicht notwendig, zu leiden, angeschrien und unterdrückt zu werden – zu lehren heißt, gefühlvoll zu erziehen, um für das spätere Leben gewappnet zu sein.

Lehren: von der Kunst, die Neugierde zu wecken

Energie

Wir wissen natürlich alle, dass niemand von uns einen Zauberstab besitzt, mit dem wir unsere Kinder berühren und ihnen damit das wahre und immer fortwährende Glück bescheren können. Daher sollten wir nicht vergessen, dass man verstehen, intuitiv handeln und vor allen Dingen etwas erschaffen muss, um erziehen zu können.

Glück, Respekt und Freude spielen ebenfalls bei den Lektionen des Lebens eine entscheidende Rolle, weil sie uns beibringen, stark zu sein. Denn erst dadurch begreifen wir, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und noch wichtiger, wie wir daran festhalten.

Wer keine glückliche Kindheit hatte, steht dem Leben misstrauisch und ängstlich gegenüber. Schlechte Erfahrungen, die in den ersten Lebensjahren gemacht werden, beeinträchtigen Lernprozesse negativ und schränken die Kindesentwicklung ein. Das sollten wir uns immer vor Augen führen, denn:

  • Wer mit Angst aufwächst, kämpft tagtäglich mit einem erhöhten Stresslevel und dem Gefühl von Angst. Ein Gehirn, das einen erhöhten Cortisolspiegel aufweist, kann sich nicht angemessen entwickeln und Lektionen nicht optimal verinnerlichen.
  • Eine sehr strenge Erziehung hat nicht den gewünschten Effekt, sondern hinterlässt nur eine Narbe, die niemals verschwinden wird. Und jedes negative Gefühlserlebnis ist eine Brandmarke im Verstand und im Herzen eines Kindes, was sich im Erwachsenenalter durch eine Leere und eine offene Wunde zeigt.
  • Um einem Kind etwas zu beizubringen, müssen wir ihm nichts aufzwingen, die Stimme erheben oder Verbote aussprechen – wir müssen lediglich die Neugierde wecken. Der brasilianische Pädagoge und Autor Paulo Freire sagte einmal, dass es beim Lehren nicht darum gehe, Wissen zu vermitteln, sondern darum, Möglichkeiten für die Entstehung dieses Wissens zu erschaffen. Und das kann nur erreicht werden, wenn die emotionale Intelligenz mit Hilfe eines respektvollen Umgangs und einer ehrlichen Liebe, die das Kind immer begleiten wird, angemessen gefördert wird.
Schlafendes Kind

Wenn wir lehren wollen, müssen wir das Herz erziehen

Oftmals bemühen wir uns darum, Kindern Konzepte zu lehren, die sie selbst in Büchern, im Internet, etc. finden können und die ihnen sicherlich in der Zukunft nicht sehr nützlich sein werden. Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, ihnen beizubringen, zu lieben, frei zu sein, kritische Überlegungen anzustellen, sich selbst kennenzulernen, etc.

Es bringt häufig nicht viel, einem Kind Mathematik oder Geographie näherzubringen, wenn wir ihm nicht vorher gezeigt haben, wie es glücklich sein kann, was Mitgefühl heißt oder wie es Situationen, in denen es Wut oder Traurigkeit empfindet, handhaben solle.

Auch wenn es selbstverständlich einfacher erscheint, Kindern zu erklären, wie man multipliziert, als sie dabei zu unterstützen, ihr Selbstwertgefühl zu festigen, sollten wir dennoch jeden Tag die folgenden Strategien bei der Erziehung beherzigen:

  • Du solltest zu Hause stets einen demokratischen Erziehungsstil pflegen, so oft es dir möglich ist Gespräche mit deinen Kindern führen und die Kommunikation fördern und kindgerecht erziehen. Es geht im Allgemeinen nicht darum, ihnen etwas zu verbieten. Du solltest ihnen lediglich zu verstehen geben, dass es nicht nur in den eigenen vier Wänden Grenzen gibt und sie dort Verantwortung übernehmen müssen, sondern auch in der Gesellschaft und in ihrem eigenen Leben.
  • Denke bitte immer daran, dass die ersten Lebensjahre für die Entwicklung eines Kindes und ihre Art, die Welt in Zukunft zu verstehen, entscheidend sind. Wenn es angeschrien wird, Angst ausgesetzt ist und sich nicht verstanden fühlt, wird es zu einem Erwachsenen heranreifen, der gegen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes ankämpfen muss.
  • Bringe deinen Kindern bei, wie sie ihre Gefühle richtig zum Ausdruck bringen, wie sie ihrer Wut in ihrer Traurigkeit Luft machen können und wie sie mit ihren Mitmenschen umzugehen haben. Erschaffe ein Umfeld voller Vertrauen, wo willkürliche Bestrafungen, Spott oder Ironie keinen Platz haben.

Bei deiner Erziehung sollte die Lebensfreude immer im Vordergrund stehen. Unterstütze deine Kinder und stehe ihnen zur Seite, beschütze sie und fördere gleichzeitig ihre Unabhängigkeit, ihren Reifeprozess und ihr Glück.

Mutter und Tochter

Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung von Marie Descombs, Art Graphic Estele


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.