Wie Superprognostiker die Welt von morgen vorhersehen

Superprognostiker entwerfen Zukunftsszenarien, die nicht präzise sein müssen, jedoch der Realität nahe kommen. Wie machen sie das?
Wie Superprognostiker die Welt von morgen vorhersehen
Gema Sánchez Cuevas

Geprüft und freigegeben von der Psychologe Gema Sánchez Cuevas.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2023

Wenn wir Nachrichten über eine bessere Zukunft hören, freuen wir uns, denn sie machen uns Mut und Hoffnung in einer Welt, die von Ungewissheit und Sorgen geprägt ist. Manche verlassen sich auf ihren gesunden Menschenverstand, wenn sie in die Zukunft blicken, andere lesen das Horoskop und viele warten einfach ab und vertrauen. Superprognostiker analysieren die Vergangenheit und Gegenwart, um möglichst genaue Vorhersagen über kommende Zeiten machen zu können.

Wir sprechen nicht von Wahrsagern oder Menschen mit unerklärlichen Kräften. Zukunftsprognostiker vertiefen sich in verschiedene Phänomene, um vorausschauende Aussagen treffen zu können, die sich in der Zukunft bestätigen oder auch anders kommen können. Wie machen sie das?

Das war die Frage, die sich Philip Tetlock, ein kanadischer Psychologe, 1987 stellte. Damals sah es so aus, als ob jeden Moment ein Atomkrieg ausbrechen würde. Also machte sich Tetlock auf den Weg, um Prognosen von Experten zu analysieren und schließlich festzustellen, dass sie gescheitert waren. Im Gegensatz dazu konnten viele anonyme Personen vorhersehen, was passieren würde: die Superprognostiker. In seinem Buch “Superforecasting – Die Kunst der richtigen Prognose” erklärt Tetlock, wie treffsichere Prognosen gestellt werden. 

Möchtest du wissen, was es damit auf sich hat? Dann lies weiter.

“Für Superprognostiker sind Überzeugungen Hypothesen, die getestet werden müssen, und keine Schätze, die man hüten muss.”

Philip Tetlock

Superprognostiker: Frau denkt an Zukunft
Superprognostiker haben die besondere Fähigkeit, Phänomene zu erforschen, zu analysieren und vorherzusagen, was in der Zukunft passieren wird.

Eine aufschlussreiche Fortsetzung

Im Jahr 1987 begann Phillip Tetlock mit der nicht einfachen Aufgabe, die Prognosen von 300 Experten zu analysieren. Es handelte sich unter anderem um bekannte Personen aus dem Fernsehen, um Autoren und Intellektuelle. Tetlock sammelte schließlich 27.500 Prognosen und ließ 18 Jahre verstreichen. Diese Zeit nutzte er, um die Prognosen mit der Realität zu vergleichen.

Seine Befürchtungen und Erwartungen bestätigten sich: Nur wenige Prognosen entsprachen der Wirklichkeit, doch die Fehlprognosen hatten einen gemeinsamen Nenner. Am auffälligsten war, dass sich die Trefferquote mit zunehmender Bekanntheit der Zukunftsprognostiker reduzierte. Bedeutete dies, dass die Zukunft nicht vorhersagbar ist?

Ein weiteres Experiment über Zukunftsprognostiker

2011 war Tetlock bereit, ein ehrgeizigeres Experiment durchzuführen. Dieses Mal versammelte er insgesamt 20.000 Analysten. Einige erhielten Informationen über die verfügbaren Methoden zur Erstellung von Prognosen. Andere schulte er in Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Einige mussten alleine arbeiten, andere in Gruppen.

Allen wurden Fragen zu geopolitischen Ereignissen gestellt, die sie interessierten. Zum Beispiel ein möglicher bewaffneter Überfall auf den Irak oder die wirtschaftliche Zukunft Griechenlands. Die Gruppenarbeit erhielt den Namen “Good Judgment”

Der Forscher stellte fest, dass die Schulung und das Coaching die Prognosen verbesserten. Außerdem brachte die Teamarbeit deutlich bessere Ergebnisse als die Einzelarbeit. Doch die Konstante blieb: Die großen Experten waren nicht in der Lage, die Ereignisse ausreichend vorherzusagen.

Diesmal kamen jedoch auch “Superprognostiker” ins Spiel. Tetlock und andere Gelehrte stellten sich die Frage: Wie machen sie ihre Prognosen? Die bisherige Antwort hat mit dem Denkstil zu tun, den diese Personen anwenden.

Superprognostiker beim Nachdenken
Superprognostiker sehen ein Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Superprognostiker oder die alten Füchse

Der Philosoph Isaiah Berlin schrieb im 19. Jahrhundert einen Aufsatz, in dem er die Intellektuellen in zwei Gruppen einteilte: Igel und Füchse. Erstere sahen die Welt durch eine Theorie oder eine Doktrin. Beispiele dafür sind Platon, Marx und Hegel. Die Füchse hingegen sind eklektisch und betrachten gerne verschiedene Perspektiven , um ein Phänomen zu analysieren. Bekannte Vorbilder sind Shakespeare, Aristoteles und Balzac.

Die Superprognostiker schienen Netzfüchse zu sein. Sie setzten nicht auf eine einzige Karte, sondern schauten sich gerne mehrere Modelle an, um das Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Sie waren skeptisch, vorsichtig und skrupellos in ihren Behauptungen. Genauso wenig waren sie berühmt. Was hatten sie alle gemeinsam?

  • Sie waren beherrschten Statistiken und Wahrscheinlichkeitsrechnungen.
  • Die Zukunftsprognostiker hatten ein großes Reflexionsvermögen. Das heißt: Sie analysierten ihre eigene Analyse und brauchten etwas länger, um Schlussfolgerungen zu ziehen.
  • Außerdem überprüften sie ihre eigenen Erkenntnisse immer wieder, um nach Fehlern zu suchen.
  • Superprognostiker vertieften sich lange in ein Thema und recherchierten vor jeder Prognose gründlich.
  • Sie waren nicht an Theorien, Doktrinen oder Schlussfolgerungen gebunden. Aber sie waren in der Lage, neue Tendenzen zu erkennen, die die Landschaft verändern. Sie konnten sich von herkömmlichen Modellen lösen, die nicht effizient waren.

Es ist also klar, dass Superprognostiker Menschen sind, die ihre intellektuellen Fähigkeiten intensiv und umfassend nutzen. Sie sind auch sehr methodische Menschen. Zu dieser Gruppe gehörte auch Roger Babson, der Intellektuelle, der den Crash von 1929 in den Vereinigten Staaten entgegen den Aussagen der großen Ökonomen seiner Zeit ankündigte.


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  • Tetlock, P. E. (2003). Thinking the unthinkable: Sacred values and taboo cognitions. Trends in cognitive sciences, 7(7), 320-324.

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