Wie eine Depression dein Denken, dein Handeln und deine Gefühle verändert

Depressionen sind wie ein grauer Nebel, der alles verdunkelt und verwischt. Ihr Einfluss ist so groß, dass sie dein Wesen und deine Reaktionen verändern. Erfahre mehr darüber.
Wie eine Depression dein Denken, dein Handeln und deine Gefühle verändert
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 12. August 2023

Das Bedürfnis nach dem Alleinsein, schlechte Laune, die Neigung zum Aufschieben… Bei einer Depression verändern sich dein Denken, dein Handeln und deine Gefühle immens. Am Anfang merkst du es kaum, doch allmählich baust du soziale Kontakte ab, dein Schlafrhythmus verändert sich und du bist schlechter Laune.

Dieser lähmende Zustand macht dich zu einem Gefangenen des stillen Leidens. Doch es gibt Therapien, die dir helfen, dein Wohlbefinden und deine Lebensfreude wiederherzustellen. Wir sprechen jedoch heute über die Veränderungen, die eine Depression zur Folge hat, denn sich darüber bewusst zu werden, ist der erste Schritt, um das Leid zu überwinden.

“Depressionen auf Charakterschwäche oder mangelnde Willenskraft zu schieben, ist ein großer Mythos.”

Luís Gutiérrez Rojas, Psychiater

Eine Depression verändert dein Denken, dein Handeln und deine Gefühle

Winston Churchill verwendete für seine depressiven Phasen die Metapher des schwarzen Hundes, der sein ganzes Leben veränderte. Tatsächlich inszeniert unser Gehirn das Leid und die neurologischen Veränderungen, die dadurch entstehen, sind sehr einschränkend und auffällig. Die Wissenschaft untersucht sie schon seit Jahren.

Eine in der Zeitschrift Human Brain Mapping veröffentlichte Studie berichtet von Veränderungen in zahlreichen Regionen, wie dem dorsolateralen präfrontalen Kortex, der Insula, dem Gyrus temporalis superior, den Basalganglien oder dem Kleinhirn. All diese Besonderheiten führen zu kognitiven, emotionalen und Verhaltensänderungen, die wir im Folgenden beschreiben.

1. Es fällt dir schwer, klar zu denken

In einer depressiven Phase fällt das Denken schwer: Es kommt zu Gedächtnisproblemen und Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung. Eine in Psychological Medicine veröffentlichte Studie berichtet, dass dieser Zustand die Exekutivfunktionen des Gehirns völlig verändert.

Das Denken verlangsamt sich, die Aufmerksamkeit lässt nach und es ist schwer, Informationen zu analysieren, um Probleme zu lösen. Die Schwächung der kognitiven Flexibilität ist ein wiederkehrendes Phänomen.

2. Reizbarkeit

Traurigkeit ist ständig präsent, doch das Spektrum der Emotionen ist deutlich breiter. Depressionen äußern sich unter anderem durch Reizbarkeit und Launenhaftigkeit, was sich auf die sozialen Beziehungen auswirkt.

Alles stört dich, dir fehlt die Geduld, du siehst nur das Negative und zeigst für nichts Interesse. Du fühlst dich oft wütend auf alle, ohne zu wissen, warum.

3. Soziale Isolation

Die Art und Weise, wie Depressionen dein Denken und Handeln verändern, kann deine Lebensweise völlig durcheinander bringen. Du hast den Wunsch, alleine zu sein und niemanden zu sehen. Ein in PLOS ONE veröffentlichter Artikel macht deutlich, dass es dadurch sogar oft zu einer Trennung von der eigenen Familie und den Freunden kommt.

Grund dafür ist unter anderem, dass du keine Freude und keinen Spaß empfindest. Dein Gehirn verlangt die Abwesenheit von Reizen, Einsamkeit und Stille. Das Alleinsein ist jedoch in dieser Situation kontraproduktiv und verstärkt die Symptome.

4. Prokrastination

Die Tage vergehen und die anstehenden Aufgaben stapeln sich. Was du vorgestern hättest lösen sollen, liegt morgen noch immer unerledigt herum. Da du keine Lust hast, prokrastinierst du ständig, wobei dies nicht auf Faulheit oder Schwäche zurückzuführen ist, sondern auf deinen depressiven Zustand. Du bist nicht in der Lage, deine Aufmerksamkeit zu fokussieren, Probleme zu lösen oder nachzudenken. Die ständige Müdigkeit gibt dir das Gefühl, unfähig zu sein.

Eines der auffälligsten Merkmale der Depression ist die Anhedonie, also die Unfähigkeit, Freude zu empfinden. Es handelt sich um eine neurologische Störung, die die Belohnungs- und Wohlfühlzentren reduziert. Nichts reizt dich oder gibt dir ein gutes Gefühl. Viele Menschen beschreiben dies als “Betäubung”.

5. Unfähigkeit zu genießen und sich zu freuen

Vielleicht liebst du die Natur, gehst gerne Radfahren oder siehst dir in der Nacht gerne Sternbilder an. Eine Depression kann dein Denken und Handeln jedoch so sehr verändern, dass du unfähig bist, jene Aktivitäten zu genießen, denen du früher viele Stunden widmen konntest. Die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, nennt sich Anhedonie. Sie beeinträchtigt alle Lebensbereiche.

6. Du kritisierst dich übermäßig

Depressionen sind wie eine Autofahrt mit einem Beifahrer, der ständig deine Fahrweise und jeden Weg, den du nimmst, kritisiert. Selbstkritik und negative innere Dialoge verstärken das Leid. Sie lassen dich nicht nur deine Realität in einem schlechten Licht sehen, sondern geben dir auch die Schuld, beschämen dich und zerstören täglich dein Selbstwertgefühl.

Eine Psychotherapie zielt darauf ab, den inneren Dialog zu verbessern und eine gesündere, mitfühlendere Einstellung zu fördern.

7. Deine Ernährung ändert sich komplett

Du hast vielleicht schon gehört, dass Menschen mit Depressionen deutlich weniger essen. Das stimmt nicht ganz, denn bei dieser psychischen Erkrankung ändert sich das Essverhalten. Manche Menschen haben das ständige Bedürfnis nach Essen, denn sie versuchen damit, ihre Seele zu trösten.

8. Veränderte Schlafgewohnheiten

Depressionen verändern auch den Schlafzyklus. Viele leiden an Schlaflosigkeit, andere an Hypersomnie, das heißt, sie haben ein erhöhtes Schlafbedürfnis. Ein im Journal of Cellular and Molecular Medicine veröffentlichter Artikel macht deutlich, dass Schlafstörungen zu den häufigen Symptomen einer Depression gehören.

9. Du verlierst das Vertrauen in dich und andere

Depressionen verändern dein Denken und Handeln so sehr, dass sie deine Hoffnung zerstören. Diese Wahrnehmung ist vernichtend und äußert sich auch in Schwierigkeiten beim Setzen von Zielen und Vorsätzen. “Wozu etwas tun, wenn nichts funktionieren wird”, sagt dir dein Verstand. Du verlierst das Vertrauen in dich selbst, in andere und auch in die Zukunft.

Das Gehirn ist in Negativität und Hoffnungslosigkeit verankert. Es ist nicht einfach, dieser Denkweise zu entkommen. Gut gemeinte Ratschläge wie “du musst das Leben positiver sehen” helfen in diesem Fall nicht weiter. Eine viel tiefer gehende psychologische Arbeit ist nötig.

Wie du Veränderungen erzielen kannst

Um aus dem schwarzen Tunnel der Depression auszubrechen, ist psychologische Hilfe erforderlich. Zusätzlich geben dir die Routine und Selbstfürsorge Halt und ermöglichen dir, Veränderungen zu erzielen. Berücksichtige folgende Strategien:

  • Ausgewogene Ernährung: Mit gesunden und ausgewogenen Essgewohnheiten kannst du deine Lebensqualität verbessern.
  • Tägliche Routine: Feste Gewohnheiten in deinem Alltag geben dir in schwierigen Zeiten Stabilität und Sinn. Zögere deshalb nicht, dir einen regelmäßigen Zeitplan für Ruhe, Essen, Arbeit, Sport usw. zu erstellen.
  • Psychologische Therapie: Derzeit gibt es evidenzbasierte Ansätze, die bei der Behandlung von Depressionen recht wirksam sind. Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) sind zwei gute Optionen.
  • Regelmäßige körperliche Betätigung: Das Verhalten von Menschen mit Depressionen ist komplex und es ist nicht leicht für sie, die Kraft und Ermutigung zu finden, Sport zu treiben. Doch bereits der tägliche Spaziergang kann den Unterschied machen.
  • Neue Praktiken und Hobbys: Kleine Veränderungen sind neue Anreize für den Geist, die Betroffenen helfen, die innere Negativität zurückzulassen. Neue Kurse, Malen, Schreiben, Musik, Lesen und andere Hobbys können einen täglichen Rettungsanker darstellen.
  • Soziale Kontakte: Fordere dein Gehirn heraus. Höre nicht auf es, wenn es nach Einsamkeit verlangt, denn damit verstärkt sich der emotionale Schmerz. Verabrede dich mit einem Freund oder lerne neue Menschen kennen.
  • Stimuliere deine Sinne: Diese Strategie ermöglicht es dir, dich mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden, damit dein Geist aufmerksamer und aufnahmefähiger ist. Gehe hinaus in die Natur, höre deine Lieblingsmusik, genieße Körperkontakt, das Essen, Gerüche…
  • Kläre deine Werte und Ziele: Depressionen verändern Betroffene, doch du kannst diese Realität verändern. Setze dir neue Ziele und arbeite daran.

Depressionen verändern dich, aber du kannst lernen, damit umzugehen

Depressionen können dich komplett verändern, doch es stehen dir Werkzeuge zur Verfügung, die dir helfen, zu dir zurückzufinden. Eine Psychotherapie ist der beste Weg, um die Kontrolle über dein Leben zurückzugewinnen. Akzeptiere Hilfe und praktiziere gesunde Selbstfürsorge.


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