Wenn wir Angst davor haben, zu strahlen

Wenn wir Angst davor haben, zu strahlen
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Einer der größten Widersprüche der Menschheit ist, besonders sein zu wollen, aber gleichzeitig Angst davor zu haben, zu strahlen. Wer möchte nicht gern anerkannt und bewundert werden? Wir alle haben das Bedürfnis, dass andere unsere Stärken sehen. Und noch schöner ist es, wenn sie nicht nur gesehen, sondern hervorgehoben werden.

Viele schüchtert es allerdings ein, aus der Masse herauszustechen. Fast alle eigentlich. Denn um herauszustechen, muss man sich auch ein wenig von der Gruppe lösen und die Herde verlassen. Mit anderen Worten, sich als „anders“ definieren. Daher kommt diese Angst davor, zu strahlen.

„Dein Licht überschattet andere nicht nur, sondern lässt sie selbst noch mehr strahlen.“

Amparo Millán

Deshalb sollte man als erstes eine Unterscheidung zwischen „bestätigt werden“ und „herausstechen“ vornehmen. Wir erfahren Bestätigung, wenn uns jemand beispielsweise sanft auf die Schulter klopft oder wir gelobt werden, was uns das Gefühl gibt, dass wir von einer Gruppe akzeptiert und wertgeschätzt werden. Wenn wir hingegen herausstechen und mit unserem inneren Licht strahlen, müssen wir nicht zwangsläufig akzeptiert werden. Es kann sogar sein, dass wir auf Ablehnung stoßen.

Manchmal ist die Situation nicht ganz so extrem. Die Angst davor, zu strahlen, kann auch mit einem geringen Selbstwertgefühl einhergehen. Unter diesen Umständen schüchtert einen die Anerkennung der anderen ein. Man möchte lieber anonym bleiben, obwohl man sich insgeheim Anerkennung wünscht und auch braucht.

Schuldgefühle und die Angst davor, zu strahlen

Der eigene Erfolg stößt anderen oft sauer auf. Das ist unvermeidbar und gehört einfach dazu. Ein außergewöhnlicher Erfolg löst bei anderen zwangsläufig Emotionen aus und viele fühlen sich deshalb sogar minderwertig, auch wenn das nicht unsere Absicht ist. Ein unsicherer Mensch sieht im Erfolg anderer eine Bedrohung. Es scheint ihm so, als würde er die Tatsache in den Vordergrund rücken, dass dieser Mensch nicht derjenige war, dem dieses oder jenes gelungen ist.

Mann steht auf einem Gebäude und schaut auf eine Stadt hinunter

Das alles wissen wir intuitiv. Wir ahnen bereits voraus, dass unser Erfolg leichte oder starke Feindseligkeit auslöst. Die Erwartung dieser Reaktionen verstärkt unsere Angst davor, zu strahlen. Wir wollen nicht, dass die Stimmung zwischen uns und anderen angespannt ist. Besonders dann nicht, wenn es sich um Menschen handelt, die uns am Herzen liegen.

Es gibt unbewusste Mechanismen, die häufig dazu führen, dass ein Mensch, der aus der Masse heraussticht, mehr Macht besitzt oder mehr strahlt als andere, bestraft wird.

Die Familie und die Angst davor, zu strahlen

Die Familie ist das erste soziale Umfeld, in dem wir leben, und oftmals entsteht dort diese Angst davor, zu strahlen. Das ist vor allem der Fall, wenn die Familie dysfunktional ist oder in ihr eine fehlende Wertschätzung des Individuums, Neid oder Minderwertigkeitsgefühle vorherrschen. Wenn eines der Familienmitglieder unter diesen Umständen einen Erfolg erzielt, wird das beinahe wie ein Verrat aufgefasst.

Natürlich passiert das nicht bewusst. Das zeigt sich durch Verhaltensweisen, wie zum Beispiel, dass es verboten wird, sich mit seinen Leistungen zu rühmen, oder ein Familienmitglied gezwungen wird, sein Talent für andere einzusetzen, gerade, weil derjenige „es besser kann“. Somit wird der Gedanke vermittelt, dass ein Erfolg negative Konsequenzen nach sich zöge.

Auch können Eltern ihren Kindern unterschwellig einen Gedanken einbläuen. Ein häufig anzutreffendes Beispiel ist, dass Kinder leiden sollen, weil ihre Eltern leiden. Wer solche Eltern hat, wird sich unglaublich schlecht fühlen, wenn er etwas erreicht hat, das ihn sehr glücklich macht. Wie soll man sich denn gut fühlen, wenn man doch weiß, dass die eigenen Eltern leiden? Auch dadurch kann die Angst davor, zu strahlen, kommen.

Wenn wir aus der Masse herausstechen, müssen wir mit den Reaktionen anderer leben

Zu den zuvor erklärten Fällen können sich noch weitere gesellen, in denen man es vermeidet, zu strahlen, weil man eine enorme Angst davor hat, anders zu sein. Es macht einem Angst, hervorgehoben, hinterfragt oder zurückgewiesen zu werden. Aus der Masse herauszustechen, bedeutet auch, mit den Reaktionen anderer umgehen zu müssen. Und mit den Reaktionen anderer umzugehen, bedeutet, sich den Meinungen seiner Mitmenschen zu stellen, die nicht immer konstruktiv gegenüber Neuem oder Anderem sind.

Lachende Frau hält einen leuchtenden Schirm

Dieser Fall tritt normalerweise ein, weil wir zu viel Wert auf die Meinung anderer legen. Dann sind für uns die Aspekte wesentlich wichtiger, die andere bestätigen, anstatt mehr Wert auf die Merkmale zu legen, die uns einzigartig machen. Aus diesem Grund wird nach Zielen gesucht, die die Meinung der Allgemeinheit bestätigen, und nicht nach Zielen, die uns glücklicher machen würden.

Die Angst davor, zu strahlen, geht immer Hand in Hand mit Schuldgefühlen und der Angst vor Ablehnung. Viele Menschen wollen erst gar nicht aus der Masse herausstechen, nur um weiterhin Zuneigung von ihrer Familie, ihren Freunden oder ihrem Partner zu bekommen. Um andere nicht „zu verraten“, verraten sie sich selbst. Dadurch sind sie ständig unglücklich und schränken ihre Entwicklung ein. Das ist ein großer Fehler! Wenn wir über uns hinauswachsen, können wir auch anderen helfen, ihre Grenzen zu überwinden.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.