Was ist Achtsamkeit? Fokussierte Aufmerksamkeit in unserer hektischen Welt
Es ist keine leichte Aufgabe, im Hier und Jetzt achtsam zu sein. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, die ihr Glück für das Wochenende oder die Urlaubszeit einplant. Wir sind von Reizen, Benachrichtigungen und To-Do Listen umgeben. Zum Glück kann dir die Integration der Achtsamkeit in dein Leben viele positive und durchaus verblüffende Veränderungen bringen.
Ein typisches Beispiel: Alberto und die Achtsamkeit
Alberto ist Verkaufsleiter in einer renommierten Firma. Nach fast zwanzig Jahren harter und effizienter Arbeit muss er aufgrund einer Rückenverletzung um eine Freistellung bitten. Er unterzieht sich einer Operation und geht vier Monate in die Rehabilitation. Jedoch leidet er noch immer an sehr starken Schmerzen. Und obwohl er jeden Tag schwimmt, will es ihm nicht besser gehen. Er fühlt sich unsicher.
„Es ist unmöglich, zu jemand anderen zu werden. Unsere einzige Hoffnung liegt darin, zu einer vollkommeneren Version unserer selbst zu werden.“
Jon Kabat-Zinn
Ein Kollege hat ihm empfohlen, Achtsamkeitskurse zu besuchen. Als er das Wort hörte, konnte Alberto nicht anders, als anfangen zu lachen. Er hat diesen Hokuspokus immer als nutzlos und unwissenschaftlich angesehen. Als Trend für diejenigen, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Außerdem kann er sich nicht vorstellen, wie er in der Lotusposition sitzen und mit zusammengeführten Handflächen meditieren soll. Doch sein Freund besteht darauf: „Du verlierst nichts, wenn du es für eine Woche ausprobierst.“
Nun, nach seiner ersten Woche der Achtsamkeit hat Alberto sie zwei weitere Jahre praktiziert. Mit 49 Jahren hat er gelernt, wie er sein Leben ruhiger leben kann. Er hat weniger Stress und leidet seltener an Muskelverspannungen. Aber vor allem spürt er in seinem Rücken weniger Schmerzen und geht deshalb wieder zur Arbeit. Während der Zeit, in der er die Achtsamkeit zu einem Teil seines Alltags gemacht hat, ändert sich seine Art und Weise, das Leben zu betrachten. Er hat das Gefühl, dass er auf „Neustart” gedrückt hat.
Albertos Fall ist kein ungewöhnliches Beispiel. Die meisten Menschen kommen zufällig oder aus Neugier mit der Achtsamkeit in Kontakt. Möglicherweise auch aus einer Notwendigkeit heraus, oder weil Freunde oder Bekannte sie ihnen empfohlen haben. Und viele wissen nicht, was passieren wird, ob sie ihnen nützlich sein wird. Sie wissen nicht, welche Veränderungen durch diese Art der Meditation eingeleitet werden.
Lies weiter, wenn du mehr über die Achtsamkeit erfahren möchtest.
Wer hat die Achtsamkeit „erfunden“? Gibt es wissenschaftliche Belege?
Niemand hat die Achtsamkeit erfunden. Sie entwickelte sich mit den uralten traditionellen Meditationspraktiken Zen und Vipassana. Es lohnt sich hervorzuheben, dass diese Kombination an Techniken und Übungen ursprünglich nicht beabsichtigte, sich eine Person besser fühlen zu lassen. Eher versuchte man damit, die persönliche Befreiung zu fördern, und demnach wohnt ihr eine spirituelle Komponente inne.
„Wenn du dich mit etwas verbindest, wird diese Verbindung deinem Leben sofort eine Bedeutung geben.“
Jon Kabat-Zinn
Und dann kamen die 70er-Jahre, als Jon Kabat-Zinn begann, mit der Achtsamkeit zu werben. Er ist emeritierter Medizinprofessor und Gründer der Stress Reduction Clinic (zu Deutsch: Klinik für Stressreduktion), die Teil der University of Massachusetts (Massachusetts, USA) ist. Er praktiziert die Zen-Meditation, seit er 20 Jahre alt ist. Seither hat er unermüdlich deren gesundheitlichen Vorteile erforscht und wissenschaftlich bewiesen.
Seitdem haben Tausende von Menschen auf der ganzen Welt sein Programm “Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion” absolviert. Es hat ihnen dabei geholfen, chronische Schmerzen zu bekämpfen, Angst und Stress zu reduzieren, sowie Schlafprobleme und Depressionen zu lindern. Seitdem Prof. Kabat-Zinn 1980 seinen ersten wissenschaftlichen Artikel zu diesem Thema veröffentlichte, wurden viele hundert weitere Beiträge publiziert, die die Vorteile der Achtsamkeit belegen.
Aktuell sind die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und die Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie die zwei achtsamkeitsbasierten Therapien für deren Wirkungen die meisten wissenschaftliche Belege existieren.
Die Aufmerksamkeit ist ein Muskel, den wir stärken müssen
Dieser buddhistisch verwurzelte Brauch, der über 2.500 Jahre alt ist, kam nicht zufällig in den Westen. Er kam, weil Wissenschaftler wie Dr. Kabat-Zinn verstehen, dass unsere Gesellschaft anspruchsvoll und aufreibend ist. Sie drängt uns dazu, schneller zu werden und quält uns mit Kopfschmerzen, Angst und endlosen Aufgaben.
Wir nehmen uns selten eine halbe Stunde am Tag Zeit, um zu Mittag zu essen. Und wir gehen nach Mitternacht ins Bett, nachdem wir einen letzten Blick auf unser Handy geworfen haben. Am Ende schlafen wir nur ein paar Stunden. Der Morgen kommt in aller Eile, bringt ein gehetztes Frühstück und wir verpassen beinahe unseren Bus zur Arbeit. Währenddessen kommen uns Gedanken wie „Ich verpasse etwas,“ „Ich fühle mich leer,“ oder, noch schlimmer, „Alles ist sinnlos“.
Das Gegenmittel? Training. Daniel Goleman sagte einmal, dass die Aufmerksamkeit ein Muskel sei. Einer, den wir jeden Tag trainieren müssen, damit wir empfänglicher für die Dinge um und in uns würden. Vor über zweitausend Jahren begannen die Buddhisten damit, regelmäßig zu trainieren, und bis heute kennen wir sie als entspannte Menschen, die unsere Angst und unseren Stress nicht erleiden müssen. Achtsamkeit und volle Aufmerksamkeit machen aufgeschlossener, kreativer und emotional stärker. Zudem haben sie schon immer Menschen geholfen, das zu genießen, was sie tun.
Was ist die Achtsamkeit und was nicht
Wahrscheinlich hast du eine mehr oder weniger vorgefasste Meinung über Achtsamkeit. Bevor du dich auf diese stützt, ist es aber eine gute Idee, dich weiter zu informieren. Vergleiche Informationen aus verschiedenen Quellen, damit du eine realistischere und weitere Perspektive einnehmen kannst. Denn manchmal werden die Dinge, die wir zuerst abgelehnt hatten, schließlich zu wertvollen Werkzeugen, mit denen wir unser Leben verbessern können.
Die Achtsamkeit könnte eines dieser Werkzeuge sein. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, was Achtsamkeit ist und was nicht.
- Meditation, keine Religion. Achtsamkeit ist einfach eine Technik des mentalen Trainings.
- Du musst hier nicht in der klassischen Lotusposition mit überkreuzten Beinen auf dem Boden sitzen. Obwohl die meisten Artikel und Zeitschriften diese Idee verkaufen, kannst du Achtsamkeit tatsächlich an jedem Ort, in jeder Position und jederzeit praktizieren. Du kannst es sogar tun, während du Sport treibst oder isst.
- Das Praktizieren der Achtsamkeit beansprucht nicht deine ganze Zeit. Du musst sie nicht von 5 Uhr morgens bis 19 Uhr abends ausüben. Sobald du die Kontrolle über die Meditationsmuster erlangt hast, kannst du sie zu jeder dir beliebigen Tageszeit abrufen. Und das, ohne Geld für Kurse ausgeben zu müssen. Achtsamkeit ist geradezu eine Gewohnheit, eine Strategie, mit der du dein Leben verbessern kannst.
- Achtsame Meditation ist nicht kompliziert. Außerdem gibt es nicht den einen richtigen Weg, um sie durchzuführen. Es geht wirklich darum, dass du jeden Tag deinen Geist trainierst, damit du dich auf die Gegenwart fokussieren kannst.
- Die Achtsamkeit ist kein Wunder, nicht das Geheimnis zum Glück. Sie macht dich weder über Nacht reich, noch erfüllt sie dich. Die Achtsamkeit ist ein Pfad, eine Strategie. Sie ist ein Weg, um ein tieferes, anteilnehmendes Bewusstsein für die Dinge um uns herum zu entwickeln. Auf diese Weise kannst du über dich und deine Umwelt reflektieren.
Was die Achtsamkeit für dich tun kann
Bei der Achtsamkeit geht es vor allem darum, zu üben. Doch trotzdem solltest du dir über eines im Klaren sein: Du kannst die Achtsamkeit nicht in ein oder zwei Wochen entwickeln. Du wirst Übung und Willensstärke brauchen. Du wirst abgelenkt werden und es kostet dich sicher Mühe, den Ansturm der äußeren Reize und der inneren Gedanken abzuwehren. Deshalb benötigst du Geduld. Doch sobald du deine Strategie gefunden hast, wirst du Erfolge sehen.
„Versuche nicht, deine Gedanken zu drängen. Gib ihnen Raum, beobachte sie und lass sie gehen.“
Jon Kabat-Zinn
Du wirst dir deiner Emotionen bewusst
Wichtige Effekte der Achtsamkeit sind die Verbesserungen von emotionaler Selbstregulierung, Selbsterkenntnis und Selbstkontrolle. Nach und nach wirst du der Herr und Meister deines inneren Universums werden. Und dann wirst du in der Lage sein, in Selbstwahrnehmung, Aufgeschlossenheit, Reflexion und Selbstakzeptanz zu wachsen.
Du verbesserst dein Arbeitsgedächtnis
Das Arbeitsgedächtnis erlaubt es dir, neue Informationen vorübergehend in deinem Gehirn zu speichern, damit du sie kurzfristig abrufen und verarbeiten kannst. Es ist ein grundlegendes System,auf das wir in unserem Alltag bauen, egal, ob es dabei um die Arbeit geht oder darum, uns selbst besser in die Gegenwart zu integrieren.
Achtsamkeit lindert Symptome der Depression
Die Depression führt in negative, kraftraubende Gedankenzyklen, die eine Person in eine dunkle Falle locken. Sie kann sehr zerstörerisch sein. Doch wenn du beginnst, dich in der Achtsamkeit zu üben, werden die Symptome der Depression an Stärke verlieren. Du wirst andere Wege gehen können, auf denen du deine Emotionen besser regulieren und dich vom Chaos der Vergangenheit befreien kannst. Wege, auf denen du aufhörst, Negatives in deiner Zukunft zu erwarten. Und du wirst in der Gegenwart verwurzelt sein, die voller Möglichkeiten ist.
Du wirst belastbarer
Die Belastbarkeit ist eine wundervolle Fähigkeit, um nach einem Rückschlag gestärkt in die Zukunft zu gehen, und du kannst durch Achtsamkeit belastbarer werden. Viele verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Achtsamkeit die Verschaltung und Aktivität in einer bestimmten Region im Gehirn verbessert. Diese Region nennt man den anterioren cingulärer Kortex. Das verbessert deine emotionale Regulierung und hilft dir dabei, aus deiner Vergangenheit zu lernen. Dadurch kannst du in Zukunft bessere Entscheidungen treffen.
Du wirst weniger gestresst sein
Weißt du, welche Gehirnstruktur jedes Mal die Kontrolle übernimmt, sobald du Angst hast oder fliehen möchtest? Es ist die Amygdala. Dieser Bereich unseres Gehirn entscheidet, wie wir auf Stress zu reagieren. Darüber hinaus führt eine Reizüberflutung der Amygdala auch zur Depression oder zu Angststörungen.
Doch die gute Nachricht ist, dass dir das beständige Üben der Achtsamkeit dabei hilft, die Größe deiner Amygdala zu verringern. Zudem kann sie ihre Aktivität senken. Das ist nichts, das du in nur ein oder zwei Monaten wahrnehmen wirst. Doch bei kontinuierlicher, täglicher Übung wird dieser Prozess stattfinden. Irgendwann wird dein Gehirn beginnen, Veränderungen einzuleiten. Mit diesen Veränderungen wird es in der Lage sein, besser auf Stressoren zu reagieren. Zudem wird sich sowohl deine geistige, als auch deine körperliche Gesundheit verbessern.
Vielleicht hast du der Achtsamkeit noch keine Chance gegeben und siehst sie als etwas an, das zu dir und deiner Lebensweise nicht passt. Wie kann ich mich bei all den Dingen, die ich zu tun habe, für eine Stunde hinsetzen und meditieren? Du musst die Achtsamkeit nicht notwendigerweise im Schneidersitz, mit geschlossenen Augen oder gefalteten Händen praktizieren. Du sollst nicht deinen Körper, sondern deinen Geist, dein Gehirn nutzen. Das Ziel ist es, deine Aufmerksamkeit zu trainieren.
Achtsamkeit kann eine solche Auswirkung auf dein Leben haben, dass Jon Kabat-Zinn selbst dafür kämpft, dass die Meditation in der traditionellen Medizin als zusätzlicher Fokus akzeptiert wird. Er sagt, dass sie die Macht besäße, dir Gesundheit zu schenken. Es kostet nichts, es auszuprobieren.