Was Großzügigkeit mit Geld zu tun hat

Wie wirkt sich Reichtum auf unser Mitgefühl mit denjenigen aus, die es am meisten brauchen? Warum sind vermögendere Menschen weniger großzügig als ärmere Personen? Lies weiter, um mehr darüber zu erfahren.
Was Großzügigkeit mit Geld zu tun hat
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2023

Untersuchungen haben ergeben, dass sich weniger bemittelte Menschen durch mehr Großzügigkeit auszeichnen, als vermögende Menschen. Diese Hypothese wurde in Umfragen über mehrere Jahrzehnte hinweg bestätigt. Es scheint definitiv so zu sein, dass Menschen mit geringerem Einkommen mehr Vertrauen, Solidarität und Altruismus gegenüber denen zeigen, die es nötiger haben als sie selbst.

Diese Tatsache mag überraschen, wenn wir an Persönlichkeiten wie Bill Gates, Laurene Powell Jobs (Witwe von Steve Jobs), Leonardo DiCaprio oder Angelina Jolie denken. Diese berühmten Persönlichkeiten sind für ihre astronomischen Spenden bekannt. Können wir diese Aktionen nicht als offensichtliche Zeichen ihrer Großzügigkeit betrachten?

Wir dürfen nicht vergessen, dass manche Menschen große Mengen an Ressourcen spenden können, diese jedoch trotzdem nur einen geringen Bruchteil ihres Vermögens ausmachen. Andererseits geht das Geld, das sie spenden, oft an Institutionen, Organisationen oder Universitäten, von denen schließlich sie selbst und ihre Freunde profitieren.

Altruismus und Mitgefühl entstehen in einem Herz, das auf die Bedürfnisse anderer eingestellt ist und handelt. Das gilt sowohl für die emotionalen als auch für die kognitiven Aspekte der Empathie. Mit anderen Worten: Großzügige Menschen versetzen sich in die Lage der anderen Person und reagieren aktiv darauf. Die Untersuchungen, die wir besprechen werden, zeigen, dass Milliardäre diese Eigenschaft seltener aufweisen. Oft sind diejenigen, die am meisten haben, am weitesten davon entfernt, das zu empfinden, was die bedürftige Person fühlt, sodass es ihnen sehr schwerfällt, sich in die Lage der anderen Person zu versetzen.

Von allen Tugenden ist die Großzügigkeit die am meisten geschätzte.

Aristoteles

Was Großzügigkeit mit Geld zu tun hat
Mitgefühl und Empathie sind die Wurzeln pro-sozialen und großzügigen Handelns.

Die Ärmsten sind großzügiger als die Reichsten: Warum ist das so?

Vor etwa 10 Jahren erlangte Paul Piff, ein junger Professor an der Universität von Kalifornien, einige Berühmtheit durch Forschungen, die er in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS ) veröffentlichte. Er zeigte, dass reiche Menschen in der Regel weniger ethisch handeln als ärmere. 

In verschiedenen experimentellen Versuchen konnte er beobachten, dass wohlhabendere Menschen oft weniger mitfühlendes Verhalten zeigen. Das führte ihn zu dem Schluss, dass diejenigen, die mehr haben, ihre eigenen Interessen vor die anderer stellen. Und das führt seiner Meinung nach zu einem zunehmend entmenschlichten Lebensstil.

Dr. Piff referiert über dieses Thema und trat auch in dem Dokumentarfilm “The Social Divide” auf, in dem er darüber nachdenkt, ob uns Geld wirklich zu weniger empathischen Menschen macht. Er erklärt auch, welche Faktoren bewirken, dass ärmere Menschen großzügiger sind. Wir analysieren sie im Folgenden.

Paul Piff konnte mit seinen Forschungen zeigen, dass Reiche, die sich vorstellen, arm zu sein, großzügiger zu Bedürftigen und Kranken sind.

Empathie und Mitgefühl sind der Schlüssel

Professor Yaojun Li vom Institute for Social Change der Universität Manchester hat die Spendenbereitschaft in Großbritannien über ein Jahrzehnt hinweg analysiert. Die Daten stimmen mit den Ergebnissen von Dr. Piff überein. Das heißt, die Armen sind großzügiger als diejenigen, die mehr haben.

Er fand heraus, dass die vermögendsten Menschen im Verhältnis zu ihrem Vermögen weniger spenden als Personen mit einem geringen Einkommen. Im Durchschnitt spenden ärmere Personen 3,2 % ihres Bruttoeinkommens, während es bei Reichen nur 0,9 % sind. Woran könnte das liegen?

Die Antwort liegt in Empathie und Mitgefühl. Diejenigen, die am wenigsten haben, identifizieren sich mit denjenigen, die am meisten Hilfe brauchen, verstehen sie und versetzen sich in ihre Lage. Manche von denen, die ein großes Vermögen anhäufen, erleben dagegen nicht das gleiche Mitgefühl. Sie zeigen zum Teil sogar Toleranz gegenüber sozialer Ungleichheit, da sie diese Situation normalisieren, indem sie die Leistungsgesellschaft verteidigen.

Einige Experten argumentieren, dass die Armen mehr geben, weil sie weniger brauchen, um glücklich zu sein. Auch wenn es nur wenig ist, sind sie dankbar für das, was sie haben.

Kinder aus weniger wohlhabenden Familien verhalten sich altruistischer

Die Psychologieabteilung der Universität von Kalifornien hat 2015 eine interessante Untersuchung durchgeführt. Die Forscher fanden heraus, dass Kinder aus ärmeren Familien mehr altruistisches Verhalten zeigten als Kinder aus wohlhabenderen Familien. Sie argumentierten, dass Altruismus aus einem biopsychosozialen Blickwinkel betrachtet werden sollte. Gehirnprozesse spielen eine Rolle, aber auch die Bildung.

Wenn die Armen großzügiger sind, liegt das vielleicht auch an den Vorbildern, mit denen sie aufgewachsen sind. Wer in einem bescheidenen familiären Umfeld aufwächst,  sieht von klein auf, dass Nachbarschaftshilfe wichtig ist. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass diese Person das einfühlsame Verhalten integriert und Großzügigkeit entwickelt.

Frau zeigt ihre Großzügigkeit
Menschen mit geringem Einkommen haben mehr Mitgefühl für Hilfsbedürftige als wohlhabendere Menschen.

Abschließende Bemerkung über Großzügigkeit und Geld

Jamie Johnson, Erbe des Vermögens von Johnson & Johnson, drehte 2003 einen Dokumentarfilm mit dem Titel “Born Rich”. Darin zeigte er das Leben mehrerer Erben großer Vermögen. Er sprach von einer Angst: Viele Eltern von Millionären wollen, dass ihre Kinder in der Gesellschaft zwar ihre Stellung haben, jedoch nicht elitär oder arrogant sind.

Es ist möglich, dass die Reichen ihre eigenen Interessen über die Interessen anderer stellen. Aber es gibt wie immer Ausnahmen, genauso wie es Menschen mit geringen Mitteln gibt, die unethisches Verhalten an den Tag legen. Verallgemeinerungen sind nicht gut, aber wir müssen verhindern, dass der Erfolg unseren Geist vernebelt und wir von der Macht korrumpiert werden.

Das Mitgefühl ist vom Aussterben bedroht, was sehr gefährlich ist. Altruismus, Großzügigkeit, Zusammenhalt und die Unterstützung Bedürftiger macht uns zu besseren Menschen. Wir sollten dies fördern.


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  •  Miller JG, Kahle S, Hastings PD. Roots and Benefits of Costly Giving: Children Who Are More Altruistic Have Greater Autonomic Flexibility and Less Family Wealth. Psychological Science. 2015;26(7):1038-1045. doi:10.1177/0956797615578476
  • Piff PK, Stancato DM, Côté S, Mendoza-Denton R, Keltner D. Higher social class predicts increased unethical behavior. Proc Natl Acad Sci U S A. 2012 Mar 13;109(11):4086-91. doi: 10.1073/pnas.1118373109. Epub 2012 Feb 27. Erratum in: Proc Natl Acad Sci U S A. 2017 Oct 24;114(43):E9181. PMID: 22371585; PMCID: PMC3306667.

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