Wie Macht Menschen verändert
Macht verändert nicht nur die Mächtigen, sie hat auch tiefgehende Auswirkungen auf die Machtlosen. Je mächtiger die Person, desto selbstverständlicher und unbedachter nutzt sie ihre Privilegien aus. Viele schrecken nicht davor zurück, anderen zu schaden, um eine Machtposition zu erreichen oder sie auszuweiten. Doch warum verändert Macht unseren Charakter und unser Verhalten? Gibt es auch Ausnahmen oder liegt es in der Natur der Macht, dass wir damit unser Einfühlungsvermögen verlieren?
“Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.”
Abraham Lincoln
Macht verändert unseren Charakter und unser Verhalten
Bereits kleine Anzeichen von Macht sind in der Lage, uns zu verändern. Der Psychologe Dacher Keltner erklärt, dass wir alle Opfer des Macht-Paradoxes sind: “Niemand ist davon verschont.” Er zeigt in seinem Buch Das Macht-Paradox: Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren¹ auf, dass dies in allen Lebensbereichen zu beobachten ist: in der Familie, im beruflichen Umfeld und auch innerhalb von Freundschaften. Macht bestimmt das Leben aller Menschen.
Das Paradox ist, dass wir nach Mächtigkeit streben, um positive Veränderungen zu erzielen. Sobald wir sie jedoch erlangen, verlieren wir den Boden unter den Füßen und nutzen die Macht, um unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Wir rechtfertigen unser Handeln durch die überlegene Position, verlieren die Macht jedoch durch dieses Verhalten früher oder später wieder.
Auch ein in der Zeitschrift Journal of Management veröffentlichter Artikel verdeutlicht, dass Führung und Macht die ausübende Person in jedem organisatorischen Kontext verändert. Allerdings ist noch nicht vollständig geklärt, welche Auswirkungen dies auf ihre Interaktion mit der Umwelt und auf ihre Entscheidungen hat. Und wir dürfen nicht vergessen, dass das Verhalten der mächtigen Person nicht immer negativ oder bedrohlich sein muss.
In seinem Buch Leadership That Gets Results² erwähnt Daniel Goleman sechs Führungsstile, die alle, mit Ausnahme der befehlenden Führung, positiv sind:
- Visionäre Führung
- Gefühlsorientierte Führung
- Demokratische Führung
- Leistungsorientierte Führung
- Beratende Führung
- Befehlende Führung
Wir wissen, dass Macht Menschen verändert. Dies ermöglicht es uns jedoch, diese Veränderungen so auszurichten, dass sie für das gesamte Umfeld bereichernd sind und die Verwirklichung gemeinsamer Ziele fördern.
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Wie Macht Menschen verändert
Wie verändern sich Menschen, wenn sie mächtig sind? Sind es ihre Werte, Ziele, Bedürfnisse oder Gefühle? Die Veränderungen sind vielfältig und durch das Bedürfnis motiviert, die Machtposition zu bewahren, Ziele zu erreichen und sozialen Einfluss auszuüben.
Macht verdrängt Emotionen
Haben mächtige Menschen kein Einfühlungsvermögen? Die Universität Liaoning in China hat in einer Studie herausgefunden, dass mächtige Personen oft nicht auf die emotionalen Reize anderer reagieren. Sie erkennen ihre Emotionen, beachten sie jedoch nicht. Deshalb sind sie in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die sich auf andere negativ auswirken können.
Impulsivität
Idealerweise sollte eine Führungskraft eine gute analytische Fähigkeiten sowie Reflexion, kritisches Denken und kognitive Geduld aufweisen, um bestmögliche Entscheidungen treffen zu können. Sie handeln jedoch manchmal impulsiv, was zu Fehltritten oder unerwünschten Kosten führt.
Egoistische Sichtweise
Macht nährt instrumentelle und egoistische Sichtweisen. Menschen in Machtpositionen nutzen ihre Vorteile oft für sich selbst, auch wenn sie anderen damit schaden.
Ein häufiges Merkmal der Mächtigen ist, dass sie nicht auf die Bedürfnisse, Emotionen und das Verhalten anderer reagieren.
Umdeutung von Werten
Auch dieses Phänomen ist häufig zu beobachten. Menschen, für die Werte wie Freundschaft, Respekt, Solidarität, Dankbarkeit oder Vergebung wichtig sind, verändern sich mit zunehmender Mächtigkeit. Ihre ethischen Grundsätze und ihr Wertesystem orientieren sich an ihrer neuen Position. Jetzt sind unter anderem Unabhängigkeit, Mut, Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg entscheidend.
Arroganz
Macht kann Menschen negativ verändern. So manch mächtige Person ist arrogant und entwickelt überhebliche Verhaltensweisen. Folgende Anzeichen sind immer wieder zu beobachten:
- Gewalttätige Kommunikation
- Übertriebenes Selbstvertrauen
- Überheblichkeit gegenüber Arbeitsteams oder anderen Personen
- Verzerrte Wahrnehmung der Realität: Sie leben in einer Parallelwelt, in der nur ihre eigenen persönlichen Bedürfnisse und Ziele zählen.
Persönlichkeitsprofile, denen die Macht zu Kopf steigt
Die Neurowissenschaft bietet eine Erklärung dafür, warum Macht Menschen verändert. Eine in der Fachzeitschrift Journal of Experimental Psychology veröffentlichten Studie weist darauf hin, dass der Macht unser Gehirn verändert. Die Forscher führten eine Reihe von MRT-Scans bei mächtigen und machtlosen Menschen durch. Dabei entdeckten sie ein auffälliges Ergebnis: Mächtige Menschen haben eine niedrigere motorische Resonanz.
Dieser neurologische Mechanismus wird bei der Interaktion mit anderen aktiv. Es scheint, dass mächtige Personen nicht mehr auf die Bedürfnisse, Gefühle und das Verhalten anderer reagieren. Dies könnte ein wiederkehrendes Merkmal sein und durch die instrumentelle Sichtweise erklärt werden, Ziele um jeden Preis zu erreichen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Hüte dich vor Narzissten!
Wie bereits erwähnt, verändert Macht jeden Menschen. Die Auswirkungen müssen jedoch nicht unbedingt negativ oder unethisch sein. Personen mit starken menschlichen Werten, edlen Prinzipien, starkem Einfühlungsvermögen und emotionaler Intelligenz sind gute Führungskräfte. Sie verändern sich in einigen Bereichen und werden zielorientierter, doch ihr Wesen bleibt unverändert.
Es gibt jedoch auch Menschen, die in Machtpositionen bestimmte Persönlichkeitszüge intensivieren, die für andere schädlich sind. Dazu gehören Narzissten, die wachsen und andere zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen.
Narzissten zeigen bestimmte Eigenschaften, die ihnen den Zugang zu relevanten Positionen erleichtern. Sobald sie eine Machtposition innehaben, nutzen sie ihre manipulierenden Techniken, ohne jede Rücksicht auf andere.
Was tun, um die Macht nicht zu bemächtigen?
Was kannst du tun, um in einer Machtposition deine beste Seite zu zeigen und negative Veränderungen zu vermeiden?
- Erinnere dich an deine Herkunft und kehre regelmäßig zu deinen Wurzeln zurück.
- Betrachte dich jeden Abend im Spiegel und frage dich, welche gute Tat du heute vollbracht hast. Beurteile dich selbst: Bist du so, wie du gerne sein möchtest?
- Übe dich in emotionaler Intelligenz und erinnere dich an die wichtigen Dinge im Leben.
- Eine Vertrauensperson kann dir helfen und dich auf den Boden zurückholen, wenn du abhebst.
Erinnerst du dich an den Schauspieler Christian Bale in der Rolle des Patrick Bateman in American Psycho? Er zeigt, was Macht aus Menschen machen kann. Wir sollten uns gut überlegen, wem wir Macht verleihen und uns selbst immer wieder vor Augen halten, was dieses mächtige Instrument aus uns macht.
▶ Lese-Tipps
- Das Macht-Paradox: Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren, Dacher Keltner, Campus 2016
- Leadership that Gets Results, Daniel Goleman, Harvard Business Review Press 2017
Alle zitierten Quellen wurden von unserem Team gründlich geprüft, um deren Qualität, Verlässlichkeit, Aktualität und Gültigkeit zu gewährleisten. Die Bibliographie dieses Artikels wurde als zuverlässig und akademisch oder wissenschaftlich präzise angesehen.
- Avelino, F. (2021). Theories of power and social change. Power contestations and their implications for research on social change and innovation. Journal of political power, 14(3), 425-448. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/2158379X.2021.1875307
- Goleman, D. (2017). Leadership that gets results (Harvard Business Review Classics). Harvard Business Press. https://books.google.es/books?id=CG9GDgAAQBAJ
- Hogeveen, J., Inzlicht, M., & Obhi, S. S. (2014). Power changes how the brain responds to others. Journal of experimental psychology. General, 143(2), 755–762. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23815455/
- Ma, X., & Zhang, E. (2021). The influence of social power on neural responses to emotional conflict. PeerJ, 9, e11267. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8048403/
- Sturm, R. E., & Antonakis, J. (2015). Interpersonal Power. Journal of Management, 41(1), 136-163. https://serval.unil.ch/resource/serval:BIB_1F6C29A616C0.P001/REF.pdf