Warum lästern wir so gerne über andere? Was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema?

Wissenschaftler verraten, dass wir täglich im Durchschnitt 52 Minuten verwenden, um Klatsch zu verbreiten. Warum ist das so?
Warum lästern wir so gerne über andere? Was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 15. November 2021

Klatsch ist wie erstickender Rauch, der soziale Beziehungen vergiftet. Gerüchte, Kritik, irreführende Kommentare über Menschen, die wir kaum kennen oder nicht anwesend sind… Warum lästern wir trotzdem so gerne über andere? Was bewegt uns dazu, schlecht über die Nachbarn, den Erzfeind oder die Chefin zu sprechen?

Es handelt sich um eine sehr menschliche Eigenschaft: Wir sprechen gerne über andere und beurteilen ihr Verhalten. Jeder von uns hat schon einmal über andere gelästert. Manche treiben dieses Verhalten jedoch auf die Spitze und erfinden sich Geschichten, um andere absichtlich zu belasten und ein falsches Bild zu verbreiten. Oft geht es dabei um die eigene Position innerhalb einer Gruppe.

Wir alle wissen, dass das Lästern keine schöne Angewohnheit ist. Vielmehr kommen damit Respektlosigkeit und fehlendes Verständnis zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang erinnern wir an die drei Filter von Sokrates: Es ist ratsam, sicher zu sein, dass wir nur die Wahrheit verbreiten, danach stellt sich die Frage, ob die Geschichten, die wir erzählen gut und für andere hilfreich sind. Kurz gesagt, sollten wir im Gespräch mit anderen nur Dinge erwähnen, die wahr, gut und notwendig sind. Wir wissen jedoch, dass dies in vielen Fällen nicht so ist.

Doch was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema? Können Forscher erklären, warum wir so gerne lästern?

Wo Informationen fehlen, wachsen die Gerüchte.

Alberto Moravia
Warum lästern wir so gerne über andere?

Warum wir so gerne über andere lästern

Bevor wir uns näher damit befassen, warum wir so gerne über andere lästern und Gerüchte verbreiten, müssen wir  zugeben: Wir haben es alle schon einmal getan. Klatsch bedeutet nicht immer negatives Verhalten. Wissenschaftler haben festgestellt, dass diese Gewohnheit in vielen Fällen gutartig ist und unseren Vorfahren sogar beim Überleben geholfen hat.

In der Schule, am Arbeitsplatz, innerhalb der Familie und in WhatsApp-Gruppen ist Klatsch an der Tagesordnung. Zu entdecken, dass ein Kollege im Büro seine Freundin betrügt, dass sich die Lehrerin tätowieren lässt oder sich der Nachbar einen Sportwagen gekauft hat, weckt zweifelsohne unser Interesse. Es gibt viele Anlässe, die uns über andere lästern lassen. Im Normalfall geht es allerdings nur darum, Informationen auszutauschen. 

Eine Studie der University of California (USA) sowie andere wissenschaftliche Arbeiten weisen darauf hin, dass Männer und Frauen gleichermaßen lästern und klatschen. Allerdings beteiligen sich Frauen an einem neutralen Informationsaustausch mehr, während Männer eher dazu neigen, Klatsch mit negativer Wertigkeit zu nutzen.

Was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema?

Lästern ist vorprogrammiert

Studien im Bereich der Evolutionspsychologie weisen darauf hin, dass wir die Vorliebe für Gerüchte von unseren prähistorischen Vorfahren geerbt haben. Die Sorge oder Neugier auf das Leben anderer ist in unseren Gehirnen vorprogrammiert. 

Wie der Anthropologe Robin Dunbar in seinem Buch “Grooming, Gossip, and the Evolution of Language” erklärt, erleichterten Klatsch und Gerüchte den Zusammenhalt der Gruppe. Zusätzlich zur Bindung war das Lästern auch wichtig, um Informationen anderer sozialer Gruppen zu erhalten.

Darüber hinaus konnte dieser Informationsaustausch die Sprachentwicklung begünstigen. Er war also für das Überleben vorteilhaft und hat die psychosoziale Entwicklung ermöglicht.

Für unsere Vorfahren war Klatsch eine Möglichkeit zu beurteilen, wem vertraut werden konnte und wer eine Bedrohung für die Gruppe darstellen könnte.

Macht in einer Gruppe erreichen

In der oben zitierten Studie der University of California, die unter der Leitung von Dr. Megan L. Robbins erfolgte, konnten weitere interessante Schlussfolgerungen erzielt werden:

  • Jüngere Menschen neigen eher dazu, Gerüchte zu verbreiten, als ältere Menschen.
  • Ein Teil der Gespräche in Arbeitsumgebungen kann als Klatsch bezeichnet werden. Drei Viertel davon sind jedoch neutral. Mit anderen Worten, es handelt sich um einen einfachen und gutwilligen Informationsaustausch.
  • Nach dem neutralen Klatsch sind negative Gerüchte am häufigsten.
  • Extrovertierte Menschen klatschen viel häufiger als Introvertierte. Der Grund dafür ist, in einer bestimmten Gruppe Bekanntheit zu erlangen. Wer schädlichen und erniedrigenden Kommentaren entgeht, kann eher eine Machtposition einnehmen. Der Zweck heiligt immer die Mittel, wenn damit Anhänger erzielt werden können (Menschen, die den Klatsch nicht stoppen, sondern weiterverbreiten und sogar noch übertreiben).
Warum lästern wir so gerne über andere?

Das Bedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein: Klatsch als soziales Bindeglied

Lästern und Klatsch ist außerdem ein Mittel, um der Einsamkeit zu entkommen. Jüngere Menschen versuchen häufig, damit im Mittelpunkt zu stehen. Sensationsgier kann ein billiger Weg sein, um dieses Ziel zu erreichen. Bei älteren Menschen ändert sich dies jedoch. Eine Forschungsarbeit von Dr. Stacy Torres, der an der University of California tätig ist, bezeichnet Klatsch als sozialen Klebstoff. Er ermöglicht es Menschen, miteinander in Kontakt zu bleiben und Motivation zu finden. 

Eine Möglichkeit, Einsamkeit zu überwinden, besteht darin, mit anderen Menschen über bestimmte Gerüchte zu sprechen, die mit den Aktivitäten von Nachbarn oder berühmten Personen zu tun haben. Oft geht es auch um Serien oder Filme, die Kontroversen auslösen. Es müssen nicht unbedingt negative Gerüchte sein. 

Oft ist es einfach Neugier oder der maskierte Wunsch, mit jemandem zu sprechen. Lästern und Gerüchte bringen ein vorprogrammiertes, sehr menschliches Verhalten zum Ausdruck, das verschiedene Bedürfnisse erfüllt. Es ist also ganz normal und nicht weiter besorgniserregend. Trotzdem ist es ratsam, die drei Filter des Sokrates anzuwenden.


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  • Dunbar, Robin (2015) Grooming, Gossip, and the Evolution of Language. Harvard University Press
  • Eckhaus, Eyal & Ben Hador, Batia. (2018). To gossip or not to gossip: Reactions to a perceived request to gossip – A qualitative study. Trames. Journal of the Humanities and Social Sciences. 22. 273. 10.3176/tr.2018.3.04.
  • Robbins, M. L., & Karan, A. (2019). Who Gossips and How in Everyday Life?. Social Psychological and Personality Science, 1948550619837000.

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