Warum gibt es im Fußball so viel Gewalt?
Warum gibt es im Fußball so viel Gewalt? Genauer gesagt unter den Fans. Allzu oft sehen wir in den Nachrichten Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fans. Erinnern wir uns nur an das Finale des südamerikanischen Vereinsfußballwettbewerbs Copa Libertadores zwischen River Plate und Boca Juniors. Infolge der Gewalt, die zwischen mehreren Fan-Gruppen herrschte, konnte das Finale nicht wie geplant in Argentinien ausgetragen, sondern musste nach Spanien verlegt werden.
Viele Menschen sind verblüfft und erstaunt über diese Art von kollektivem Verhalten und verstehen die Reize, die solch ein Verhalten motivieren, nicht. Die Psychologie untersucht jedoch bereits seit vielen Jahren das Sozialverhalten von Gruppen, weshalb wir in diesem Artikel versuchen werden, Aufschluss darüber zu geben, was sich hinter diesen gewalttätigen und aggressiven Verhaltensweisen verbirgt.
Gewalt im Fußball aufgrund von Deindividuation
Es gibt keine einzige Theorie, die alle Gründe erfassen würde, die diese Gewalt im Fußball inspirieren, aber es gibt durchaus einleuchtende Theorien, die sich damit beschäftigen. Um Gewalt im Fußball besser zu verstehen, wollen wir uns zuerst mit der sogenannten Deindividuation beschäftigen. Dieses Konzept begründet nicht etwa die Gewalt an sich, sondern das Gruppenverhalten.
Stellen wir uns vor, wir schauen uns ein Fußballspiel an und ein Spieler der gegnerischen Mannschaft ist in unserer Nähe. Wenn wir ihn beleidigen wollten, aber von Fans der gegnerischen Mannschaft umgeben wären, würden wir das sehr wahrscheinlich nicht tun. Aber was würde passieren, wenn wir von Fans aus unserer Mannschaft umgeben wären? Wenn die Fans um uns herum aus unserem Team stammen und unsere Absichten teilen, werden wir am Ende allesamt den Spieler der gegnerischen Mannschaft verbal angreifen.
Worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Situationen? In der Anonymität und Verantwortung.
„Gewalt ist die letzte Ressource der Inkompetenten.“
Isaac Asimov
Wie die Sozialpsychologen Moral, Gómez und Canto (2004) von der Universität von Málaga (Spanien) betonen, würden „in diesen Situationen Gruppenbewusstsein, Anonymität und ein verringertes individuelles Selbstbewusstsein zu ungehemmtem, impulsivem und anti-normativem Verhalten führen“.
Anonymität prädisponiert für gewalttätige Handlungen. Wenn niemand weiß, dass wir diejenigen sind, die beleidigen, dann gehen wir eher solch einem Verhalten nach als wenn wir allein im Mittelpunkt stehen. Andererseits verringert die Zugehörigkeit zu einer Gruppe das Selbstbewusstsein, d. h. unsere Verantwortung wird auf die Gruppe übertragen. Wir hören auf, wir selbst zu sein, und werden Teil einer Gruppe. Demnach denken wir normalerweise: Nicht nur ich beleidige jemanden, sondern die ganze Gruppe.
Gewalt im Fußball aufgrund von Konformität
Konformität ist ein weiteres Konzept, das zur Gewalt im Fußball beiträgt. Dieser Konzept besteht darin, die Antwort eines Individuums zu modifizieren, indem sie näher an die einer Mehrheit herangeführt wird. Das heißt, wir ändern unser Verhalten, um es an das der Gruppe anzupassen.
Experten auf diesem Gebiet, wie Paéz und Campos (2003), sagen diesbezüglich: „Konformismus ist der Wandel von Überzeugungen oder Verhaltensweisen aufgrund des Drucks einer Gruppe, die die bisherigen Dispositionen des Subjekts in Richtung der von dem betreffenden Kollektiv festgelegten Norm ändert.“
In Gruppen finden wir verschiedene Arten von Normen, darunter die beschreibende Norm, die sich darauf bezieht, wie man sich innerhalb der Gruppe verhält, sowie die Vorschrift, die bestimmt, welche Handlungsweisen erwartet und abgelehnt werden. Konformität ist das Ergebnis einer Art normativen Einflusses, bei dem der Einzelne sein Verhalten ändert, um es an das der Gruppe anzupassen. Sie ist sogar dazu in der Lage, Verhaltensweisen zu entwickeln, die sich völlig von denen unterscheiden, die ein auf sich allein gestelltes Individuum zeigen würde.
„Der Sieg, der durch Gewalt errungen wird, ist gleichbedeutend mit einer Niederlage, denn er ist vorübergehend.“
Mahatma Gandhi
Wenn sich unsere Referenzgruppe gewalttätig verhält, wäre es daher nicht ungewöhnlich, dass wir ein solches Verhalten annehmen. Dieser Konformismus nimmt in dem Maße zu, in dem die Kontrolle der Gruppe über ihre Mitglieder und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen ihnen steigt. Sie nimmt auch zu, wenn es Unsicherheit oder Unklarheit gibt, d. h.wenn der Einzelne nicht weiß, was er tun soll, und das Verhalten der Gruppe übernimmt, um Fehlern vorzubeugen.
Die Konformität steigt weiter, wenn es Ähnlichkeiten zwischen der Gruppe und dem Einzelnen gibt. Wenn sich jemand sehr mit einer Fußballmannschaft und der gewalttätigen Ideologie derer Anhänger identifiziert, wird er sich auch mit deren gewalttätigem Verhalten identifizieren.
Abschließende Bemerkungen
Gewalt im Fußball ist eine Tatsache, die wir zu oft erleben. Übermäßige Erwartungen veranlassen uns, unser Glück von Veranstaltungen, wie einem Fußballspiel, abhängig zu machen. Wenn wir nun keine angemessene Erziehung erhalten haben und es gewohnt sind, Konflikte durch Gewalt zu lösen, werden wir angesichts einer Meinungsverschiedenheit schnell aggressiv handeln. Daher ist eine korrekte und respektvolle Erziehung gegenüber anderen eine wichtige Grundlage, um solch ein Verhalten zu vermeiden.
Eine erfüllte Innenwelt und ein offener und reflektierender Geist schenken uns Kraft und Vertrauen in uns selbst und verringern unser Bedürfnis, um jeden Preis Teil einer Gruppe sein zu wollen. Hinter dieser Notwendigkeit steckt oft ein niedriges Selbstwertgefühl, das wir durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aufpolieren möchten. Das Gefühl von Zugehörigkeit vermittelt uns kurzfristig emotionale Erfüllung, womit wir die Leere, die wir in unserem Inneren entwickelt haben, zu kompensieren versuchen.
Sich selbst zu kennen, ist eine Voraussetzung dafür, um nicht einem Gruppenzwang zu verfallen, der Gewalt als Maxime anstrebt. Denn je geringer unser Selbstwertgefühl und je „stärker“ die Gruppe ist, desto mehr haben wir das Gefühl, dazugehören zu müssen. Wenn wir also anfangen, uns selbst und andere zu respektieren, können wir solche Ereignisse der Vergangenheit angehören lassen.