Warum fällt es manchen Menschen schwer, Regeln zu befolgen?

Regeln sind für das Zusammenleben in der Gesellschaft nötig, auch wenn sie nicht immer für jeden gerecht sind. Doch es gibt Menschen, die nicht in der Lage sind, sich danach zu richten. Erfahre mehr über die möglichen Gründe.
Warum fällt es manchen Menschen schwer, Regeln zu befolgen?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 06. Juni 2023

Manche Personen sind bereits in der Kindheit auffallend rebellisch und reagieren gerne trotzig. Doch nicht nur Kinder, auch Erwachsene tun sich manchmal schwer dabei, sich an Regeln zu halten. Einige haben ein starkes Bedürfnis nach Freiheit, andere versuchen, in ihrer Kreativität Grenzen zu überschreiten. Hinter der Unfähigkeit, Regeln zu befolgen, können sich jedoch auch psychische Störungen verbergen.

Personen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung (ASP) haben die Tendenz, sich über gesellschaftliche Protokolle und Normen hinwegzusetzen. Wir versuchen nachfolgend, die Frage zu beantworten, warum es manchen Menschen schwerfällt, Regeln zu befolgen.

“Die Ausnahmen von der Regel machen den Märchenzauber des Daseins aus.”

Marcel Proust

Warum sind Ausnahmen bei manchen häufiger als Regeln?

Fällt es dir schwer, dich an Arbeitsumgebungen anzupassen? Gehörst du zu denjenigen, die ihre Eltern schon in der Kindheit ständig durch Ungehorsam herausforderten? Fühlst du dich unwohl, wenn du dich an Richtlinien halten musst? Menschen, die nicht in der Lage sind, Regeln zu befolgen, fordern Autoritäten ständig heraus. Sie fühlen sich unwohl, wenn sie an Konventionen oder Normen denken und empfinden manchmal auch Wut.

Die meisten Menschen haben nicht gerne das Gefühl, Zwängen unterworfen zu sein, doch wir wissen, dass Regeln für das Zusammenleben in der Gesellschaft nötig sind. Wir lieben Freiheit, Autonomie und Handlungsfreiheit. Allerdings wissen wir auch, dass Respekt und Grenzen wichtig sind. Doch wie schaut das bei jenen Menschen aus, die immer wieder Regeln brechen? Welche psychologischen Mechanismen verbergen sich dahinter?

1. Großes Anspruchsdenken

Ein in der Fachzeitschrift Social Psychological and Personality Science veröffentlichter Artikel weist darauf hin, dass Regelbrecher oft ein hohes Anspruchsdenken haben. Sie tun sich schwer dabei, Anweisungen zu befolgen und sich an ihr Umfeld anzupassen. Folgende Persönlichkeitsmerkmale charakterisieren diese Menschen:

  • Regelbrecher können sich nicht integrieren.
  • Sie akzeptieren kein Nein als Antwort.
  • Außerdem haben sie eine sehr geringe Frustrationstoleranz.
  • Sie glauben, mehr Vorzüge, Fähigkeiten und Rechte als andere zu haben.
  • Oft stellen sie ihr eigenes Ich über das Kollektiv.
  • Sie fühlen sich überlegen und einzigartig.

2. Regeln sind ungerecht (kognitive Inflexibilität)

Regelbrecher sind oft unflexibel und reaktionär. Sie fühlen sich unwohl, wenn sie Anweisungen befolgen oder sich an bestimmte Abläufe halten müssen, die ihren eigenen Ideen widersprechen. Sie halten Regeln oft für unfair, sinnlos oder schädlich, da sie ihren Handlungsfreiraum einschränken und sie nicht tun können, was sie wollen.

Diese Menschen haben eine starre Meinung und möchten alles so machen, wie sie es selbst für das Beste halten, ohne sich Regeln aufzwingen zu lassen. Sie verstehen nicht, dass soziale Richtlinien nötig sind, um ein respektvolles Miteinander zu gewährleisten.

“Mensch: ein vernunftbegabtes Wesen, das immer dann die Ruhe verliert, wenn von ihm verlangt wird, dass es nach Vernunftgesetzen handeln soll.”

Oscar Wilde

 3. Fehlende Disziplin in der Kindheit

Vielen Regelbrechern fehlte es in der Kindheit an Disziplin. Sie empfinden jedes soziale Umfeld als Bedrohung und haben Anpassungsprobleme. Ein in der Zeitschrift Pediatrics & Child Health veröffentlichter Artikel spricht über die Wichtigkeit von Disziplin in der Kindheit, um Selbstdiziplin und die Fähigkeit zur sozialen Anpassung zu entwickeln. Kinder, die ohne Grenzen aufwachsen, werden zu frustrierten Erwachsenen, die nicht wissen, was von ihnen erwartet wird und sich nicht einfügen können.

4. Oppositionelles Trotzverhalten bei Erwachsenen (ODD)

Oppositionelles Trotzverhalten beschreibt die Verweigerungshalten gegenüber Autoritäten. Betroffene sind nicht in der Lage, sich an ein strukturiertes Szenario mit Regeln anzupassen.

Das führt dazu, dass sie nicht lange am gleichen Arbeitsplatz verweilen und zu echten sozialen Außenseitern werden. Ein in der Fachzeitschrift Journal of Psychiatric Research veröffentlichte Studie sowie andere Forschungen zeigen, dass sich diese Trotzstörung bereits im Alter von 4 bis 6 Jahren manifestiert und im Allgemeinen folgende Merkmale aufweist:

5. Rebellion und Kreativität

Hochkreative Persönlichkeiten mit rebellischen Zügen haben oft deutliche Schwierigkeiten, Regeln anzunehmen. Sie sehen sie als ein Hindernis auf ihrem Weg, das ihr Potenzial ausschaltet. Sie haben große Probleme, sich an stark strukturierte und routinemäßige Aufgaben anzupassen. Diese Personen reagieren verzweifelt, gelangweilt, reaktionär und protestierend.

Es sind keine pathologischen Züge vorhanden, sondern eine Persönlichkeitsstil, der auf Offenheit, Freiheit und Grenzenlosigkeit ausgerichtet ist, um sich als Mensch zu entwickeln. Es handelt sich um Idealisten, die häufig Frustration experimentieren. Denn die Gesellschaft fordert die Einhaltung von Regeln.

6. Antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASP)

Diese Störung bewegt sich auf einem Spektrum, wie eine Studie der Universität Birmingham erklärt. Betroffene handeln impulsiv und reizbar. Ihr Einfühlungsvermögen ist gering und sie sind unfähig, Regeln zu akzeptieren und in der Gesellschaft zu leben. Die dialektische Verhaltenstherapie kann Betroffenen helfen.

Unfähigkeit, Regeln zu beachten: Was tun?

Jede Gesellschaft muss das individuelle Verhalten regeln, denn nur wenn jeder seine Rolle versteht und Respekt zeigt, ist das Zusammenleben möglich. Regeln verhindern Chaos, Anarchie und gewalttätiges Verhalten.

Trotzdem empfinden wir manche Regeln als ungerecht. Dank kognitiver Flexibilität, ethischer Werte, Respekt und Einfühlungsvermögen verstehen wir jedoch, wie wichtig es ist, sich an diese Rechts- und Verhaltensrahmen zu halten, die fast jedes soziale Szenario regeln. Regelbrecher sind im Allgemeinen resistent gegen Veränderungen und glauben, dass nichts an ihrem Verhalten auszusetzen ist.

Empfehlungen

Menschen, die nicht in der Lage sind, Regeln einzuhalten, benötigen professionelle Hilfe, um folgende Aspekte zu verbessern:

Sie müssen lernen, wie wichtig Regeln in der Gesellschaft sind und die Konsequenzen des Nichteinhaltens (Einsamkeit, Konflikte, Strafen…) verstehen. Die Dialektisch-behaviorale Therapie ist ein effektiver Ansatz, um mit dysfunktionalem Verhalten umzugehen. Regeln sind im Alltag entscheidend, um den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Sie erfordern Selbstkontrolle und Disziplin – Werte, die bereits in der Kindheit eintwickelt werden sollten. Ist dies nicht der Fall, haben Betroffene im Erwachsenenhalter Schwierigkeiten, sich anzupassen und ein erfülltes Leben zu führen.


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