„Vortex“ – ein ergreifendes Drama über Demenz

Der französisch-argentinische Regisseur Gaspar Noé, der als Skandalfilmer bekannt ist, erschüttert uns mit einem Problem, das jeden von uns treffen kann und zerstörerische Folgen hat.
„Vortex“ – ein ergreifendes Drama über Demenz
Cristina Roda Rivera

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Cristina Roda Rivera.

Letzte Aktualisierung: 20. November 2022

Das Filmdrama „Vortex“ ist ein visuelles Experiment, eine authentische, menschliche Geschichte ohne Gewalt und Blutvergießen – die ergreifende Wahrheit über Demenz. Dieses Werk ist weit entfernt von den Filmen „Wie ein einziger Tag“ oder „Liebe“, die ebenfalls eine harte Realität aufzeigen. Der französisch-argentinische Regisseur Gaspar Noé, der als Skandalfilmer bekannt ist, erschüttert uns mit einem Problem, das jeden von uns treffen kann und zerstörerische Folgen hat.

„Vortex“, der Film, der Cannes zum Schweigen brachte

Der provokante Regisseur Gaspar Noé schockte Cannes mit seinem außergewöhnlichen Film, der die schmerzhaften letzten Schritte eines älteren Paares in ihrer Pariser Wohnung verfolgt. Kritiker haben vor diesem Richtungswechsel kapituliert, und das ist kein Wunder. Provozieren, ohne zu verletzen, ist eine Tugend, die nur wenige beherrschen.

Ausgelöst durch den Tod mehrerer enger Freunde und seine eigenen Erfahrungen (eine Hirnblutung im Jahr 2019) entfaltet sich der Film als eine Geschichte über körperlose Ängste. Wir beobachten das Leben eines älteren Ehepaars, interpretiert von den Schauspielern Dario Argento und Françoise Lebrun, in einer kleinen Altbauwohnung. Der Mann, ein ehemaliger Filmkritiker, hat ein Herzleiden und verbringt seine Zeit mit dem Schreiben eines Buches über Kino und Träume. Seine Erzählungen sind weit von seiner realen Situation entfernt.

Seine Frau, „Kiki“, ist eine pensionierte Psychoanalytikerin, die an Demenz erkrankt. Sie zählt und ordnet ihre Pillen, als ob sie es ihr ermöglichen könnten, einen Kontakt zu ihrer früheren Realität herzustellen.

„Vortex“ oder die zerstreute Menschheit

Das Ehepaar hat einen Sohn, der ihnen empfiehlt, in ein Pflegeheim zu gehen, um professionelle Pflege zu erhalten. Aber sein Vater weigert sich strikt: Nur zu Hause kann er seinen Verstand, seine Würde und Menschlichkeit bewahren.

Hier befindet sich das Museum seiner Werke, ein Haus voller Bücher, welche den Betrachter verwirren. Ein Ozean des Wissens in all diesen Büchern, Gemälden sowie Kunstwerken, die einen Kontrast zu den Auswirkungen der Demenz-Erkrankung seiner Frau bilden. Es ist entmutigend zu sehen, dass ein Mensch nichts tun kann, um seinen Niedergang zu verhindern, egal wie viel Kultur und Wissen in greifbarer Nähe sind. Trotz allem liebt und umsorgt sich das Paar, es teilt sich denselben Käfig.

Mitgefühl und Verzweiflung

„Vortex“ weckt unweigerlich Erinnerungen an den Film „Liebe“ des österreichischen Regisseurs Michael Haneke, der 2012 mit dem Hauptpreis, der Goldenen Palme von Cannes, prämiert wurde. Das Filmdrama von Gaspar Noé ist allerdings düsterer und weniger romantisch.

Gaspar Noé verwendet in seinem Film den Splitscreen auf sehr innovative Weise: Das Bild spaltet sich und zeigt die beiden Hauptdarsteller jeweils in ihrer eigenen Welt: ihre gebeugten Körper und gequälten Gesichter in schwach beleuchteten, beengten Räumen. Es gibt kein Happy End für diese Menschen, die aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie wir.

Am Anfang fühlt das Publikum Mitleid mit der Frau, am Ende jedoch gilt das Mitgefühl dem Ehemann in seiner Verzweiflung. Wir alle erleben die menschlichen Emotionen, die diese düstere Situation aufzeigt, und verzeihen ihm seine Wut und seine Worte. Der beunruhigende Zustand der Frau erinnert uns daran, dass wir alle älter werden und diese Realität selbst erleben können.

Tod und Abschied

Millionen von älteren Menschen leben im Elend, begleitet von Vernachlässigung und Krankheit. Dieses Drama hält uns diese erschütternde Realität vor Augen: eine Gesellschaft, in der ältere Menschen zum Problem werden, anstatt in Würde zu altern und Abschied zu nehmen. In diesem Film geht es darum, nicht wegzuschauen. Wir sehen keine Fantasiewelt, sondern die triste Realität, die viele von uns erwartet.

 


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.