Vom Wunsch zur Obsession: Die Psychologie der Kaufsucht

Kaufsucht ist eine ernsthafte Verhaltensstörung, die weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen hat. Was oft als harmloser Wunsch beginnt, kann sich schnell zu einer zerstörerischen Obsession entwickeln, die finanzielle, emotionale und soziale Schäden verursacht.
Vom Wunsch zur Obsession: Die Psychologie der Kaufsucht
José Padilla

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen José Padilla.

Letzte Aktualisierung: 22. Juni 2024

Der Konsumrausch, den manche erleben, kann in zur Kaufsucht (auch Oniomanie) führen. Diese zwanghafte Fixierung auf das Kaufen verursacht wiederum finanzielle, emotionale und zwischenmenschliche Probleme. Die Ursachen hierfür sind in komplexen Mechanismen zu finden, die mangelnde Impulskontrolle und Defizite bei der Emotionsregulierung umfassen.

Bereits Anfang des letzten Jahrhunderts betrachteten Kraepelin und Bleuler die krankhafte Kauflust als Störung der Impulskontrolle. Hinter diesem Zwangsverhalten verbergen sich jedoch verschiedene psychologische, biologische, soziale und kulturelle Faktoren. Auch Persönlichkeitsmerkmale, Erfahrungen und Lebensereignisse spielen dabei eine Rolle.

Die Phasen der Kaufsucht

Die Kaufsucht durchläuft typischerweise verschiedene Phasen, die den Verlauf und die Schwere der Störung beschreiben:

  • Euphorie und Erregung: In dieser Anfangsphase erlebt die Person ein intensives Gefühl der Befriedigung und Aufregung beim Einkaufen. Das Kaufen bringt kurzfristige Glücksgefühle und ein Gefühl der Kontrolle über die Umgebung. Nach der Euphorie empfinden Betroffene jedoch Schuldgefühle, Wut, Ärger und Enttäuschung.
  • Kompensation und Rationalisierung: Die Person beginnt, das Kaufen als Mittel zur Kompensation von Stress, Angst oder negativen Gefühlen einzusetzen. Die Einkäufe werden rationalisiert, indem Gründe wie Belohnung, Selbstwertsteigerung oder soziale Anerkennung angeführt werden.
  • Verlust der Kontrolle: In dieser Phase verliert die Person allmählich die Kontrolle über ihr Kaufverhalten. Sie kauft impulsiv und ohne nachhaltige Überlegungen über die Konsequenzen. Es kommt zu einer Zunahme von Schulden und finanziellen Problemen.
  • Negative Auswirkungen: Die Kaufsucht beginnt negative Auswirkungen auf das Leben der Person zu haben. Dazu gehören finanzielle Schwierigkeiten, zwischenmenschliche Konflikte (z. B. in der Familie oder am Arbeitsplatz) und emotionale Belastungen wie Schuldgefühle oder Depressionen.
  • Erkenntnis und Scham: In dieser Phase wird sich die betroffene Person zunehmend bewusst über die negativen Auswirkungen ihres Kaufverhaltens. Es kann zu Schamgefühlen, Selbstvorwürfen und dem Versuch kommen, das Kaufverhalten zu kontrollieren oder zu reduzieren.
  • Suchtartiges Verhalten: Die Kaufsucht wird zu einem suchtähnlichen Verhalten, das schwer zu kontrollieren ist. Es kann zu einem Teufelskreis aus Überkonsum, kurzfristiger Befriedigung und langfristigen negativen Konsequenzen führen.
  • Therapeutische Intervention: In dieser Phase sucht die Person möglicherweise professionelle Hilfe, um ihre Kaufsucht zu bewältigen. Therapeutische Ansätze können kognitive Verhaltenstherapie, finanzielle Beratung und Unterstützung durch Selbsthilfegruppen umfassen.
Frau mit Kaufsucht

Kaufsucht erkennen

Wie verhalten sich kaufsüchtige Personen? Zwar sind allgemeine Aussagen schwierig, da die Situation, Ursachen und Intensität der Sucht bei jeder Person unterschiedlich sind, jedoch lassen sich häufig folgende Verhaltensweisen beobachten:

  • Betroffene geben oft mehr Geld aus, als sie haben und verwenden daher häufig Ratenzahlungen, Kreditkarten oder zusätzliche Darlehen.
  • Sie bevorzugen Online-Shops und verbringen viel Zeit beim Surfen.
  • Viele fühlen sich einsam oder erleben Ablehnung und genießen beim Einkaufen ein angenehmes Gefühl der Freude und Aufregung.
  • Es mangelt ihnen an Impulskontrolle.
  • Oft haben Betroffene Ängste, die sie nur kurzfristig durch das Einkaufen unterdrücken können.
  • Schulden, rechtliche Probleme und zwischenmenschliche Konflikte sind ebenfalls häufig zu beobachten.
  • Oft kaufen sie Dinge, die sie gar nicht benötigen. Außerdem legen viele Wert auf Markenwaren.
  • Betroffene sind sich über die negativen Auswirkungen ihres Verhaltens auf ihr eigenes Leben oder das anderer anfangs nicht bewusst.
  • Im Laufe der Zeit entwickeln Kaufsüchtige jedoch Schuldgefühle und verstecken ihre Einkäufe.
  • Viele leiden zusätzlich an Depressionen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Angststörungen oder anderen psychischen Problemen.

Mögliche Ursachen für Kaufsucht

Die Ursachen für Kaufsucht sind vielfältig und umfassen psychologische, biologische und soziale Faktoren. Hier sind einige der häufigsten Auslöser:

Psychologische Faktoren

  • Emotionale Bewältigung
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Impulskontrollstörungen

Biologische Faktoren

  • Genetische Prädisposition
  • Neurobiologische Mechanismen (Aktivierung des Dopaminsystems)

Soziale Faktoren

  • Kulturelle Einflüsse
  • Werbung und Medien
  • Soziale Isolation

Auch die Familiengeschichte, belastende Lebensereignisse oder traumatische Erlebnisse können zu zwanghaftem Kaufverhalten führen. Die Ursachen sind oft interdependent und vielschichtig, was bedeutet, dass mehrere dieser Faktoren zusammenwirken. Kaufsucht kann zum Beispiel im Zusammenhang mit einer bipolaren Störung oder mit einer Hortungsstörung auftreten.

Was tun bei Kaufsucht?

Der Umgang mit Kaufsucht erfordert eine Kombination aus persönlicher Anstrengung, professioneller Hilfe und Unterstützung durch Freunde und Familie. Hier sind einige Schritte, die Betroffene unternehmen können:

1. Selbsterkenntnis und Akzeptanz

  • Erkennen des Problems: Der erste Schritt ist das Eingeständnis, dass ein Problem existiert. Dies kann durch Selbstbeobachtung oder durch das Feedback von Freunden und Familie geschehen.
  • Tagebuch führen: Ein Protokoll über die eigenen Kaufgewohnheiten kann helfen, Muster und Auslöser zu identifizieren.

2. Finanzielle Kontrolle

  • Budgetierung: Ein strikter Haushaltsplan hilft, die Ausgaben zu kontrollieren.
  • Kreditkarten einschränken: Betroffene verwenden am besten nur Bargeld.
  • Schuldenberatung: Eine Schuldenberatungsstelle kann kaufsüchtigen Menschen helfen, um finanzielle Probleme anzugehen.

3. Umgang mit Auslösern

  • Identifikation von Auslösern: Die Situationen, die den Kaufimpuls auslösen, müssen ermittelt werden, um Bewältigungsstrategien zu entwickeln. E-Mail-Benachrichtigungen über Angebote, Kauf-Apps usw. werden am besten abgestellt beziehungsweise deinstalliert.
  • Alternativen finden: Betroffene müssen alternative Aktivitäten finden, die als Ersatz für das Einkaufen dienen können, wie Sport, Hobbys oder soziale Aktivitäten.

4. Unterstützung durch Freunde und Familie

  • Offene Kommunikation: Wenn Betroffene offen mit ihrer Familie oder mit Freunden über ihr Problem sprechen können, ist dies bereits eine große Stütze.
  • Gemeinsame Aktivitäten: Aktivitäten mit Freunden und Familie sind wichtig, um neue Routinen und Beschäftigungen zu etablieren.

5.  Selbstfürsorge

  • Stressbewältigung: Techniken zur Stressbewältigung wie Meditation, Yoga oder Atemübungen sind sehr zu empfehlen.
  • Gesunde Lebensweise: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung können helfen, das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern und den Drang zum Kaufen zu reduzieren.

6. Langfristige Strategien

  • Regelmäßige Überprüfung: Die Fortschritte müssen regelmäßig analysiert werden, möglicherweise besteht der Bedarf, die Strategien anzupassen oder zu verändern.
  • Setzen realistischer Ziele: Kleine, erreichbare Ziele sind wichtig, außerdem sollten sich betroffene Menschen für ihre Erfolge belohnen (jedoch nicht durch Einkaufen).

7. Online-Ressourcen und Literatur

  • Bildung: Informationen über Kaufsucht durch Bücher, Artikel und Online-Ressourcen sind wichtig.
  • Apps: Es gibt verschiedene Apps zur Budgetierung und zur Verfolgung der Ausgaben, die ebenfalls vorteilhaft sein können.
Kaufsucht im Internet

Behandlung von Kaufsucht

Professionelle Hilfe ist ein entscheidender Schritt, um das zwanghafte Kaufverhalten zu überwinden. Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) hat sich als wirksam erwiesen, da sie hilft, die Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu ändern, die zur Kaufsucht beitragen.

Es geht darum, gesunde Verhaltensmuster zu entwickeln, Emotionen besser zu regulieren und adaptive Bewältigungsstrategien umzusetzen. Besonders wirksam sind folgende Maßnahmen:

  • Rückfallprävention
  • Kognitive Umstrukturierung
  • Techniken zur Stimuluskontrolle
  • Spezifische Problemlösung
  • Schaffung eines neuen Lebensstils
  • Exposition mit Reaktionsvermeidung
  • Programmierte Exposition gegenüber riskanten Situationen
  • Training zur Bewältigung negativer Emotionen

Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen kann Unterstützung und Verständnis bieten.

Ein in der Zeitschrift CNS Drugs veröffentlichter Artikel berichtet über die Ergebnisse der pharmakologischen Behandlung, insbesondere mit Antidepressiva, Antipsychotika, Stimmungsstabilisatoren und Opioid-Antagonisten. In dieser Übersichtsarbeit werden zwar einige positive Wirkungen von Medikamenten erwähnt, aber keine schlüssigen Beweise.

Die Kontrolle über das Leben zurückgewinnen

Kaufsucht ist eine ernsthafte Verhaltensstörung, die weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen hat. Was oft als harmloser Wunsch beginnt, kann sich schnell zu einer zerstörerischen Obsession entwickeln, die finanzielle, emotionale und soziale Schäden verursacht.

Der Weg zur Überwindung der Kaufsucht beginnt mit dem Bewusstsein für das Problem und dem Mut, Hilfe zu suchen. Professionelle Unterstützung, Selbstreflexion und gezielte Verhaltensänderungen sind entscheidende Schritte, um die Kontrolle über das eigene Leben zurückzuerlangen und den Teufelskreis der zwanghaften Käufe zu durchbrechen.


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