Der Rattenpark von Bruce Alexander: Wie Umweltfaktoren das Suchtverhalten beeinfussen

Das Umfeld und die sozialen Bedingungen eines Menschen können die Neigung zu Süchten beeinflussen. Bruce Alexander hat das in seinem Rat Park Experiment gezeigt.
Der Rattenpark von Bruce Alexander: Wie Umweltfaktoren das Suchtverhalten beeinfussen
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 28. März 2023

Der kanadische Psychologe Bruce Alexander stellte sich die Frage, welche Faktoren bei Süchten eine Rolle spielen. In seinem berühmten Experiment mit Laborratten konnte er interessante Erkenntnisse erzielen: Glückliche Ratten hatten im Rattenpark kein Verlangen nach Suchtmitteln. Nicht nur die Droge selbst, auch die Umweltfaktoren sind entscheidend. Erfahre anschließend einige Details über das Rat Park-Experiment, das dieser Psychologe in den Achtzigerjahren durchführte.

Der Rattenpark beweist, das Umweltfaktoren das Suchtverhalten maßgeblich beeinflussen
Viele drogenabhängige Personen versuchen, mit Drogen ihre Leere oder Einsamkeit zu betäuben.

Der Rattenpark von Bruce Alexander

In den 1960er-Jahren führten Wissenschaftler verschiedene Experimente an Nagern durch, um das Suchtverhalten dieser Tiere zu beobachten und Schlüsse auf das menschliche Verhalten zu ziehen. Die Ratten wurden in Käfigen mit zwei Spendern gehalten: Sie konnten zwischen normalem Wasser und einer Morphinlösung wählen. Die meisten Ratten wurden von den Drogen extrem abhängig und konnten nicht davon ablassen, bis sie schließlich an einer Überdosis starben.

In anderen Experimenten wurde den Tieren ein Gerät implantiert, mit dem sie sich durch die Betätigung eines Hebels selbst Drogen verabreichen konnten. Sie taten das kontinuierlich und vergaßen sogar ihr Futter. Bruce Alexander beobachtete jedoch das erbärmliche Umfeld, in dem die Laborratten hausten. Er stellte sich deshalb die Frage, ob sich glückliche Ratten in einem angenehmen Umfeld auf dieselbe Weise verhalten würden.

Ein angenehmes Umfeld mit Spielzeug, Gesellschaft und Wandmalereien!

Um seine Hypothese zu testen, richtete Alexander einen großen Rattenpark ein, denn diese Tiere lieben viel Platz und Gesellschaft. Sie erhielten Spielzeug, reichlich Unterhaltung und Futter und wurden in einer für sie natürlichen Umgebung gehalten. Sogar die Wände des Parks waren mit Landschaften bemalt. Auch diese Ratten hatten die Möglichkeit, zwischen zwei Wasserspendern zu wählen: einer enthielt Leitungswasser, der andere eine Morphinlösung.

Die Bewohner des Rattenparks nippten zwar gelegentlich an dem Morphin-Spender, doch sie bevorzugten das Leitungswasser, auch nachdem sie die Droge gekostet hatten. Alexander machte eine Gruppe von Ratten 57 Tage lang süchtig, bevor sie in den Rattenpark kamen. Auch diese Tiere bevorzugten das Wasser. Erst als der Psychologe eine Substanz zu der Morphinlösung gab, welche die Opiatwirkung aufhebt, tranken sie an diesem Spender. Sie vermieden anscheinend die berauschende Wirkung. Nur wenige Ratten wurden trotzdem süchtig.

Mit diesem Experiment konnte Bruce Alexander aufzeigen, dass soziale Faktoren und die Umwelt  bei der Entwicklung von Suchtverhalten eine wesentliche Rolle spielen. In weiteren Experimenten zeigte sich, dass die Ratten, wenn sie die Wahl zwischen Drogen und sozialer Interaktion haben, letztere bevorzugen. Jene Versuchstiere, die freiwillig auf die Morphinlösung verzichtet hatten, zeigten kein erhöhtes Verlangen, wie dies bei jenen Tieren, die zur Abstinenz gezwungen wurden, der Fall war.

Das Umfeld ist maßgeblich

Dieses Experiment führte zu neuen Behandlungsmethoden, denn es stellte sich heraus, dass bei einer Sucht die Umgebung der Patienten einbezogen werden muss, um mit der Intervention erfolgreich zu sein. Das Suchtverhalten entsteht vielfach, um sich an ein schädliches oder dysfunktionales Umfeld anzupassen.

Wir verlieren unsere Traditionen und Gemeinschaften und leben in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft. Auch die Beziehungen zu Familie und Nachbarn sind schwächer, denn Individualismus hat Vorrang. Dies führt zur Entfremdung, zu Zweifeln über Identität und Sinn. Viele haben nicht das Gefühl, eine Lebensaufgabe zu haben, dazuzugehören oder gebraucht zu werden. Ihre Erfahrung des Lebens fühlt sich leer und sinnlos an. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung sind die Folgen. In dieser Situation greifen viele zu Drogen, um ihre Sorgen, ihren Kummer oder ihre Einsamkeit zu vergessen.

Die Sucht gibt diesen Personen gewissermaßen eine Identität, einen Sinn. Sie haben damit etwas, um das sie sich kümmern müssen, an das sie denken können und woran sie sich festklammern, auch wenn sie sich damit selbst zerstören und Schuldgefühle entwickeln.

Der Rattenpark von Bruce Alexander: Wie Umweltfaktoren das Suchtverhalten beeinfussen
Die soziale Wiedereingliederung ist bei der Behandlung einer Sucht sehr wichtig.

Integration in die Gesellschaft

Wir müssen die Vorstellung zurücklassen, dass Sucht eine persönliche Schwäche oder ausschließlich ein medizinisches Problem ist. Soziale und kulturelle Aspekte sind maßgeblich: Suchtpatienten müssen in die Gesellschaft integriert werden, um ihren Platz zu finden und einem Rückfall vorzubeugen. Zusätzlich zu anderen Maßnahmen kann ein gesundes Umfeld den Betroffenen helfen, ihre Sucht zu überwinden und sich ein neues Leben aufzubauen.


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  • Alexander, B. K., Coambs, R. B., & Hadaway, P. F. (1978). The effect of housing and gender on morphine self-administration in rats. Psychopharmacology58(2), 175-179.
  • Alexander, B. (2015, May). Healing addiction through community: A much longer road than it seems. In Creating Caring Communities Conference.
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