Vergrößertes Striatum im Gehirn von Psychopathen

Psychopathie ist das Ergebnis einer komplexen Kombination von Faktoren, die sowohl umweltbedingt als auch genetisch bedingt sind. Erfahre mehr über dieses Thema.
Vergrößertes Striatum im Gehirn von Psychopathen
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 14. Februar 2023

Neuere Forschungen haben ergeben, dass das Striatum im Gehirn von Psychopathen vergrößert ist. Es handelt sich um die Eingangsstruktur der Basalganglien, die unter anderem bei prozeduralen und emotionalen Prozessen eine tragende Rolle spielt.

Die Vergrößerung dieses Gehirnbereichs ist jedoch nicht die einzige neurologische Auffälligkeit, die mit psychopathischem Verhalten assoziiert wird. Forscher haben in den letzten Jahren Interessantes über die “dunkle Persönlichkeit” entdeckt, deshalb wissen wir auch, dass Prozesse wie Empathie, Schuldgefühle, Furcht oder Angst bei Betroffenen deutlich verändert sind.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass genetische und neurologische Veränderungen einen Menschen noch nicht zum Psychopathen machen. Denken wir beispielsweise an Dr. James Fallon: Er zählt zu den renommiertesten Neurologen der Welt und hat an sich selbst Gene und neurologische Abweichungen festgestellt, die charakteristisch für dieses Profil sind.

In seiner Familie väterlicherseits gab es bis zu sieben Mörder, darunter die berühmte Lizzie Borden. Dr. Fallon wuchs jedoch mit einer liebevollen, sicheren Bindung und einer Familie auf, die ihm eine wunderbare Erziehung zukommen ließ. Das Umfeld ist in vielen Fällen der Faktor, der das Psychopathie-Gen an- oder ausschaltet, das viele Menschen in sich tragen.

Störungen im sozio-emotionalen Kreislauf sind ein Merkmal von Straftätern mit einer psychopathischen Persönlichkeit.

Vergrößertes Striatum im Gehirn von Psychopathen
Psychopathen haben ein vergrößertes Striatum.

Das Striatum ist bei Psychopathen vergrößert

Neurowissenschaftler der Nanyang Technological University in Singapur (NTU Singapur), der University of Pennsylvania und der California State University haben kürzlich eine sehr interessante Studie veröffentlicht. Wir wissen jetzt, dass das Striatum bei Psychopathen überdurchschnittlich groß ist.

Dieser Faktor könnte ein differenzierendes Merkmal darstellen. Eine MRT-Untersuchung würde ausreichen, um das herauszufinden. Konkret würden wir sehen, dass Menschen mit psychopathischen Zügen (aktiv oder latent) eine gestreifte Region aufweisen, die 10 % größer ist als die derjenigen, die diese Eigenschaft nicht haben.

Die Frage, die sich nun stellt, ist mehr als offensichtlich: Welche Besonderheiten gibt es bei denjenigen, die diese Veränderung in ihrem Gehirn aufweisen?

Ein überaktives Striatum: der Verstand auf der Suche nach Belohnungen

Das Striatum ist an vielen Funktionen beteiligt, die für den Menschen wichtig sind. Dazu gehören motorisches Lernen, Bewegung und das  prozedurale Gedächtnis. Dieser Gehirnbereich ist aber auch entscheidend für Aufgaben wie das motivierte Verhalten oder die Fähigkeit, Handlungen auf der Grundlage erwarteter Belohnungen auszuwählen.

Wenn es einen Aspekt gibt, der Psychopathen auszeichnet, dann ist es ihr instrumentelles Verhalten. Das heißt, sie handeln nur aus Eigeninteresse und um zu bekommen, was sie wollen. Das Striatum steuert durch die Ausschüttung von Dopamin das Belohnungssystem des Gehirns. In der erwähnten Studie wurde festgestellt, dass diese Funktion bei diesem Profil sehr aktiv ist.

Mit anderen Worten: Wenn eine Person wenig Empathie hat, aber hoch motiviert ist, das zu bekommen, was sie will (egal, ob es legal ist oder nicht) scheut sie nicht davor zurück, ethische, moralische oder rechtliche Grundsätze zu verletzen.

Verhalten mit erhöhter Gewaltbereitschaft

Psychopathen weisen jedoch auch andere auffällige strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn auf. Eine Studie der Universität Turku (Finnland) zeigt, dass sie eine hohe Impulsivität, einen Mangel an kognitiver Kontrolle und eine schlechte Emotionsregulierung aufweisen.

All dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie in gewalttätige und kriminelle Handlungen verwickelt sind. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht alle Menschen mit psychopathischen Zügen diese Schwelle überschreiten. Viele werden zu aggressiven Kollegen, zu Chefs, die ihre Autorität missbrauchen und ihr eigenes Unternehmen in die Katastrophe führen.

Es ist wichtig zu wissen, dass nur 1 % der Bevölkerung einen hohen Grad an Psychopathie aufweist, der zu aggressiven und illegalen Handlungen führen kann. In größerem Maße gibt es Menschen mit niedriggradigen psychopathischen Zügen, mit denen man nur schwer zusammenleben kann, die täuschen und manipulieren, um zu bekommen, was sie wollen: ein verwerfliches und unethisches  Verhalten, das jedoch keine Gesetze sprengt.

Psychopathen haben ein überaktives Striatum
Die überwiegende Mehrheit der Psychopathen befindet sich nicht in einer Strafanstalt, sondern teilt soziale Räume mit uns.

Fazit

Professor Adrian Raine von der Abteilung für Kriminologie, Psychiatrie und Psychologie an der University of Pennsylvania ist Mitautor der oben genannten Studie. Er weist darauf hin, dass Psychopathen ein größeres Striatum haben als normale Menschen, und dass dies ein erblicher Faktor ist. Das heißt, es kann von den Eltern an die Kinder vererbt werden.

Heißt das, dass ein größeres Striatum unser psychopathisches Verhalten bestimmt? Die Antwort ist nein. Zwar ist ein Risiko vorhanden, doch die Psychopathie muss nicht aktiv werden. Wie wir zu Beginn bereits angedeutet haben, gibt es nicht nur genetische und biologische Variablen.

Das Aufwachsen in einem sicheren, emotional nährenden sozialen und familiären Umfeld, das frei von traumatischen Erfahrungen ist, kann die Entwicklung dieses Merkmals dämpfen. Obwohl wir noch immer nicht alles über diese Persönlichkeitsstörung wissen, sind wir der Entschlüsselung ihrer komplizierten Geheimnisse etwas näher gekommen.


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  • Olivia Choy, Adrian Raine, Robert Schug. Larger striatal volume is associated with increased adult psychopathy. Journal of Psychiatric Research, 2022; 149: 185 DOI: 10.1016/j.jpsychires.2022.03.006
  • Lauri Nummenmaa, Lasse Lukkarinen, Lihua Sun, Vesa Putkinen, Kerttu Seppälä, Tomi Karjalainen, Henry K Karlsson, Matthew Hudson, Niina Venetjoki, Marja Salomaa, Päivi Rautio, Jussi Hirvonen, Hannu Lauerma, Jari Tiihonen. Brain Basis of Psychopathy in Criminal Offenders and General Population. Cerebral Cortex, 2021; DOI: 10.1093/cercor/bhab072

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